Lüneburg, am Montag den 21.07.2025

Frauenquote — paradox

von Carlo Eggeling am 19.07.2025


Meine Woche
Recht und Ordnung?

Männer in der Polizeiinspektion Lüneburg, Uelzen, Lüchow-Dannenberg können über den Spaß nur begrenzt lachen: Ob sie eine Geschlechtsumwandlung planen? Denn ansonsten sehe es schlecht aus bei Beförderungen. In der PI, gerade in Uelzen, gebe es die Ansage, dass der Anteil der Frauen in der Führung deutlich wachsen müsse. Eben das werde in Verfahren auch umgesetzt. Die Praxis hat das Verwaltungsgericht nun gestoppt. Die Landeszeitung hat ausführlich berichtet und damit für einen Aufreger gesorgt, der in ganz Niedersachsen bei Uniformträgern nachhallt.

Alles richtig, dass Frauen gefördert werden müssen, finden viele, aber dass die Qualifikation hinten runterfalle, könne nicht sein. Der eher konservative Bund Deutscher Kriminalbeamter BdK kritisiert scharf und sagt, was in den drei Landkreise laufe, gelte für die gesamte Polizeidirektion und letztlich für Niedersachsen.

Damit nehmen die Kriminalisten Innenministerin Daniela Behrens ins Visier. Die rhetorische Frage des BdK an die Sozialdemokratin: "Sehr geehrte Frau Ministerin, was haben Sie zu dem Vorfall zu sagen? Ist es nicht eine Forderung von Ihnen selbst, mehr Frauen in die Führung zu bringen? Haben Sie nicht dem höchsten Führungskreis der Polizei gesagt, dass es mehr Frauenförderung geben muss? Das ist das Ergebnis."

Beförderungen bei der Polizei sind speziell. Das wissen aktive und ehemalige Beamte. Es gehe seit langen Jahren eben nicht nur nach Leistung, berichten hochrangige Führungskräfte. Alle drei Jahre aufs Neue starte der Beurteilungsreigen. "Das Geschlecht ist immer Dreh- und Angelpunkt", sagt einer, der das System bestens kennt. Nicht nur das, auch Teilzeitkräfte müsse man berücksichtigen: "Wer sind Teilzeitkräfte? In der Mehrzahl Frauen. Das heißt, da gibt es den nächsten Schub in Richtung Frauen." Man könne erleben, dass selbst Frauen in den Beurteilungszirkeln sagen: "Das geht nicht, der männliche Kollege ist dran, der ist einfach in der Beurteilung besser."

Am Ende stehe eine vermeintlich austarierte Liste, doch die komme auf die nächste Ebene. In der übergeordneten Polizeidirektion werde das Ganze nochmal geprüft und das übergeordnete Innenministerium rede ebenfalls mit, heißt es von Beamten mit Gold auf der Schulter, die den ganzen Weg nach oben und damit mit einer Abordnung ins Ministerium mitgemacht haben. „Da wirst du rundgeschliffen.“

Der Uelzener Kollege, inzwischen in leitender Position in Lüneburg, habe mit dem Aufschreiben einfach nicht aufgepasst. Denn es gab zwar eine informelle Vereinbarung, aber notiert habe das niemand. Uelzen war eine Ausnahme, darauf beziehen sich Klagen und das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung. Schreiben kann ein Karrierehindernis werden.

Selbstverständlich besitzt die Causa eine politische Dimension. Polizisten erzählen, selbstverständlich habe der gerade nach Braunschweig gewechselte Polizeipräsident Thomas Ring davon gewusst. Von ehemaligen Mitarbeitern heißt es: "Das hat der nicht ohne Ansage aus Hannover gemacht." Damit wären wir bei der SPD-Innenministerin. Was macht die?

Ring besitzt ein CDU-Parteibuch. Die Union regiert nicht mit. Da könnte man auf Ideen kommen. In Reihen der Polizei haben seine Abschiedsworte in Lüneburg für Unmut gesorgt. Sinngemäß, er sei vom damaligen Innenminister Boris Pistorius nach Lüneburg geschickt worden, um Ruhe in den Laden zu bringen. Das sei kein guter Stil, finden Ordnungshüter, denn letztlich war es ein Nachtreten gegen seinen Vorgänger Robert Kruse.

Der Adendorfer Kruse, der als exzellenter Kriminalist gilt und zuvor die Polizeidirektion Göttingen geleitet hatte, war ebenso wie sein Vorgänger Friedrich Niehörster ein Mann, der für Ärger sorgte. Kruse wurden -- auch wenn Pistorius das schon vor Jahren auf meine Nachfrage nicht bestätigen wollte – das katastrophale Medienecho beim Umgang mit dem Cold Case der Göhrde-Morden/Birgit Meier von 1989 und den damals schlampigen Ermittlungen sowie sein harscher Umgang mit Landräten und Oberbürgermeistern vorgeworfen.

Von Ring sind keine Auffälligkeiten bekannt. Damit stehe er für eine ganze Riege von Spitzenpolizisten, sagen Insider. „Nicht auffallen.“ Wer gegen die Beförderungspraxis aufmucke, habe ein Problem: "Das wäre Selbstmord." Auch sei es frustrierend zu wissen, dass Beförderungsmöglichkeiten überschaubar seien. "Erkläre mal einem guten Kollegen, dass er nicht aufrücken kann." Denn wenn es nicht nach oben gehe, staue es sich im Unterbau. Mit Einkommensgrenzen: "Bei aller Motivation gibt es einige, die innerlich gekündigt haben."

Unter anderem weil es absurde Beispiele gebe. So erzählt man sich, dass eine Kollegin eine Hundertschaft leiten solle, obwohl sie nie Dienst in einer Hundertschaft versehen habe. Sie müsse eben gute Führungskräfte neben sich haben, juxen Kollegen mit Galgenhumor.

Nun kann man sagen, es brauche Frauenförderung, um Führungspositionen angemessen zu besetzen, auch dürfe Familie kein Karrierekiller sein, um Teilzeitkräfte zu berücksichtigen. Man kann sich allerdings auch fragen, wie es in anderen Behörden des Landes und letztlich bundesweit zugeht, ob tatsächlich Qualifikation das entscheidende Kriterium ist, um Leitungen gut zu besetzen.

Dahinter steht eine größere Frage: Was tut Gesellschaft eigentlich, um Männern und Frauen dieselben Möglichkeiten zu geben, sich um Familie und Kinder zu kümmern? Warum ist Familie vor allem eine weibliche Aufgabe? Warum ist es nicht genauso selbstverständlich, dass Männer Kinder betreuen? Warum haben wir nicht ausreichend Kitaplätze und Ganztagsschulen, die selbstverständlich in den Ferien und Randzeiten Angebote parat halten?

All das nutzt den Polizisten aktuell wenig. Bleibt erst einmal die Justiz. Mutmaßlich dürfte sich das Oberverwaltungsgericht mit der Praxis der Beförderungen beschäftigen.

Noch ein Aspekt. Zwar heißen sie inzwischen Gleichstellungsbeauftragte, aber im Kern sind sie weiterhin Frauenbeauftragte geblieben. Braucht es also künftig Männerbeauftragte? Wenn wir die haben, wie rangeln die dann miteinander? Wer befördert die eigentlich?

Bleiben wir zuversichtlich. Denn eins zeigen die Beamten jeden Tag, egal, welches Geschlecht und welche Orientierung sie besitzen. Sie sind für uns da. Freund und Helfer -- oder heißt es Freundin und Helferin? Carlo Eggeling

© Fotos: ca


Kommentare Kommentare

Kommentar von Tom
am 20.07.2025 um 08:29:08 Uhr
Ein sehr guter Artikel,

bleib da auf jeden Fall am Ball und hinterfrage das immer wieder. Der BDK stellt hier wohl die richtige Frage. Das kommt von ganz oben.


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