Glockenhaus als Bleibe
von Carlo Eggeling am 16.12.2023Ein Bürgerrat soll Perspektiven entwickeln, was aus dem Glockenhaus werden kann. Eine liegt nahe: ein Nachfolger des Heinrich-Böll-Hauses. Der Eigentümer hatte eine Räumungsklage gegen den Trägerverein "Unsere Welt Für Frieden Umwelt Gerechtigkeit" angestrengt und gewonnen. Zwanzig Initiativen, Gruppen und Vereine haben ihre Bleibe verloren. Unter dem Namen Böll dürfen sie sich künftig kein Dach mehr geben. Das ist zu verschmerzen, es gibt andere Namensgeber, wenn man sie denn braucht. Und mal ehrlich, Glockenhaus hat was.
Lüneburg, dessen Stadtspitze und der größte Teil des Rates fühlen sich Klimaneutralität, Mobilitätswandel, dem Bewusstsein für soziale Fragen und anderen hehren Zielen verpflichtet, das Glockenhaus böte eine ideale Bleibe, weil tief in der Stadtgesellschaft verankert: unten ein großer Raum, super für Konzerte bei den dicken Mauern, dazu zig Veranstaltungen der verschiedensten Organisationen, darüber Räume, in denen sich beispielsweise bereits der Behindertenbeirat trifft, vor der Tür Fahrradstellplätze -- ausbaubar! -- und nach dem Umbau des Platzes ein Wasserspiel und eine Bühne, gegenüber ein Café samt Ausstellungsfläche. Das Glockenhaus gehört der Stadt, fein, bei einem Haushalt, der von einem tiefroten Minus von 50 Millionen Euro für 2024 ausgeht, auch für die nächsten Jahre ist kein Plus in Sicht.
Ein Dringlichkeitsantrag in der nächsten Ratssitzung ist zwingend, wo sich doch im Februar Ratspolitiker und Oberbürgermeisterin Hand in Hand vor dem Böll-Haus fotografieren ließen: Handeln statt bedauern.
Interessant ist, dass alle Gruppen beinahe still aus dem Böll-Haus ausziehen. Vom Vorstand des Trägervereins heißt es auf die Bitte um eine Stellungnahme: "Das Haus wird aktuell geräumt. Alle weiteren Fragen -- wie kann es weitergehen mit der Hausgemeinschaft, neue Orte usw. -- sind noch offen." In Richtung Vermieter heißt es: "Eine Zusammenarbeit mit jemandem, der einen Ort für Engagement verklagt und den Träger dessen öffentlich schlecht macht, ist aktuell nicht denkbar. Wir wollten und wollen den Streit nicht öffentlich austragen und bitten dafür um Verständnis."
Nicht einmal die Antifa, die sich im Anna und Arthur trifft, ruft zu einer Besetzung auf. Es sei ein herber Schlag, sagt einer, der seit Jahren engagiert ist. Aber man habe keine Lust mehr, sich mit dem Vermieter auseinanderzusetzen: "Bis Ende des Jahres sind wir draußen."
Der Eigentümer hatte in der Vergangenheit offene Briefe geschrieben, er fühlt sich zu Unrecht beschuldigt. Ich habe zweimal mit ihm jeweils eine gute Stunde telefoniert. Seitenweise mitgeschrieben, ihm eine kurze Zusammenfassung geschickt. Am Ende fühlte er sich von mir nicht verstanden und wollte keine Zitate freigeben. Wer mehr wissen will, liest seine Erklärungen im Netz. Festzuhalten bleibt, das Urteil des Landgerichts sieht Verfehlungen des Trägervereins und gibt dem Vermieter Recht -- die Mieter müssen raus. Was aus dem Haus, einem Gutachten zufolge gut 700 000 Euro wert und zahlreicher Reparaturen bedürftig, wird, bleibt offen.
Handfest und klug hat Reppenstedt eine Herausforderung gemeistert: Samtgemeindebürgermeister Steffen Gärtner hatte vor einem Jahr Container als Unterkunft für Flüchtlinge besorgt, im etwas größeren Vorort wurde zu dieser Zeit viel geklagt wurde, weil man sich im Rathaus so allein gelassen fühlte von Land und Bund. Also requirierte Lüneburg Sporthallen als Dach über dem Kopf für die Menschen in Not. Die Samtgemeinde Gellersen hat inzwischen Wohnungen geschaffen oder anmieten können.
Steffen Gärtner will nichts zu Lüneburger Verhältnissen sagen. Er blickt auf die Mitarbeiter in der Verwaltung in Reppenstedt, für die gelte die Maxime: "Machen ist besser als darüber zu reden." Zudem gebe es zwischen Lüneburger Stadtrand und Salzhausen eine Menge Ehrenamtliche wie die Integrationsbeauftragte Britta Müller: "Die unterstützen wir." Frau Müller und andere schafften es, über ihre Treffen und Veranstaltungen Kontakte zwischen Einheimischen und Zugewanderten zu vermitteln -- wenn man sich sympathisch ist, ist man eventuell bereit, an die "Neuen" zu vermieten.
Bleiben wir heiter. Wochenende. Weihnachtsmarkt. Das läuft in Lüneburg. Immerhin. Carlo Eggeling
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