Lüneburg, am Samstag den 17.05.2025

Grüner Spagat

von Carlo Eggeling am 14.01.2023


Meine Woche
Es ist nicht leicht

Die Bilder aus Lüzerath erinnern an Gorleben: Bunter Protest Tausender, sie setzen sich auf Wege, bauen Barrikaden, die Polizei schleppt die Demonstranten weg, pflückt sie aufwendig aus Baumhäusern. Und noch etwas ist ähnlich: Die Grünen gelten als Verräter. 2001 kamen Kerstin Müller und Claudia Roth ins Wendland und wollten sich unter die vielen mischen, die gegen den Salzstock als Endlager und die Atommülltransporte mobil machten.
Die taz notierte 2001 unter der Überschrift "Grün ist der Polizeistaat": "Lediglich ein Wall von Mikrofonen und Kameras schützte die Greengirls Kerstin Müller und Claudia Roth vor den aufgebrachten LandwirtInnen kurz vor der Ankunft der Castoren. AtomgegnerInnen machten sich einen Spaß daraus, mit Trittin- und Fischer-Masken vermummt auf den Gleisen herumzuturnen. Im gesamten Landkreis gibt es kaum mehr grüne Parteimitglieder, selbst Gründungsmitglieder wie die frühere BI-Vorsitzende Marianne Fritzen sind längst ausgetreten. Die Einzige, die noch Ansehen genießt, ist die Fraktionschefin der niedersächsischen Grünen, die tapfere Rebecca Harms, die sich von Parteioberen nie den Mund hat verbieten lassen."
Die Grünen waren zuvor in die Bundesregierung gegangen und mussten Kompromisse eingehen, wie jetzt in Lützerath hatte das Wendland kein Verständnis für die Rhetorik, dass man eigentlich etwas Tolles ausgehandelt habe, den Atomkonsens. Von der Atomwirtschaft bejubelt, weil die weitermachen konnte.
Noch einmal die taz: "Denn nach den im Juni 2000 zwischen rot-grüner Bundesregierung und Energiewirtschaft getroffenen Vereinbarungen dürfen die Atommeiler 32 Jahre weiterlaufen. Zudem ist die Wiederaufbereitung und damit die Verzehnfachung des Atommülls mindestens bis 2005 erlaubt, und ein Endlager Gorleben samt Konditionierungsanlage wird nicht ausgeschlossen."
Am Ende waren es Fukushima und der politische Instinkt Angela Merkels, der den Ausstieg voranbrachte. Übrigens aktuell wieder gestoppt durch die Grünen. Robert Habeck wollte zwar nur zwei Meiler weiterlaufen lassen, aber böse war er über den Kanzler sicherlich nicht, als der entschied: Drei Meiler laufen bis ins Frühjahr 2023 weiter -- damit es in Firmen und Wohnzimmern Wärme und Energie gibt.
Nun Lützerath. Eigentlich habe man etwas Tolles erreicht, aber leider muss ein Opfer sein. Der Ortsvorstand der Lüneburger Grünen hat es echt schwer. Er schreibt, man sei eigentlich auf Seiten der "Aktivisten", aber leider eben auch in der Verantwortung. Wörtlich: "Ebenso wissen wir, dass unsere Partei-Freund*innen in Regierungsverantwortung ihre Aufgaben sehr ernst nehmen, auch wenn sie manchmal Entscheidungen treffen müssen, die schwer fallen und weh tun." Gleichzeitig organisiert man einen Demo-Ausflug nach NRW. Aha. So geht ich-bin-dagegen-und-dafür.
Das Leben ist manchmal wirklich gemein. Gerade zu den Grünen. Dabei ist die Partei nur pragmatisch. War sie ja auch schon bei den Panzern. Erst sagt die Außenministerin auf keinen Fall, heute sind Kampfmaschinen völlig richtig.
Dass man sie damals im Wendland Verräter nannte, fanden die Grünen ganz mies. Und ich erinnere mich: Claudia Roth guckte ziemlich verbiestert, als sie mehr oder weniger flüchten musste. Der Wähler als solcher versteht nichts von hoher Politik.
An der Uelzner Straße erleben wir die Verkehrswende. Ein ungeheuer schöner breiter Radweg, leider mit einer Schwelle, an der nachgebessert wird. Unangenehmer Ruckel für Radler, es wirkte als käme die Lüneburgs Speichen-Mobilität ins Schleudern. Kleinigkeit. Es knirscht an anderer Stelle. In der Zeitung stand, dass eine Seniorin über Monate auf den Bus verzichten musste, weil die Haltestelle aufgehoben werden musste. Sie kam kaum in die Stadt. Wer plant so etwas?
Vermutlich dieselben, die den Takt der Busfahrten in Richtung Kreideberg so verändert haben, dass man, wenn man mit dem Metronom aus Hamburg ankommt, nun 25 Minuten warten muss, um nach Hause fahren zu können. Da macht die Mobilitätswende Spaß. Aber es sollen eh alle Radfahren, ob sie können oder nicht.
Vielleicht ist es so, wie der bedeutende Wirtschaftswissenschaftler Milton Friedman sagte: „Die Lösung der Regierung zu einem Problem ist normalerweise genauso schlecht wie das Problem.“ In diesem Sinne ein interessantes Wochenende. Carlo Eggeling

© Fotos: ca


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