Lüneburg, am Dienstag den 06.05.2025

Günter Heerens sagt Tschüss — auf dem Markt endet eine Tradition (VIDEO)

von Carlo Eggeling am 26.01.2024


Draußen faucht und klappert ein grauer Wind ums Haus, drinnen am Küchentisch geht es bei einem Kaffee um eingefangene Sonne. Rund, rot, lecker -- Tomaten. Für die ist Günter Heerens bekannt, eher berühmt. Süße Sorten müssen es sein, sagt er. Sie dürften nicht zu tief in die Erde, sonst drohe Fäulnis, sein über Jahre entwickelter Naturdünger tue ein übriges und ganz wichtig: "Den Zeitpunkt der Ernte muss du ausreizen." Probieren, Stück für Stück pflücken, immer nach Reife, nicht alle auf einmal. Bleiben die "Trauben" zu lange an der Pflanze, werden sie weich. "Die haben zwei Frauen dann aussortiert, Suppentomaten." Eine perfekte Rezeptur -- Kunden schwören auf die Früchte aus Elbstorf bei Drage. Doch nun müssen sie Abschied nehmen: Nach einem halben Jahrhundert kommt er am Samstag zum letzten Mal als Händler auf den Lüneburger Wochenmarkt.

 

Heerens ist wohl der einzige, der nur eigene Ware anbietet und nichts dazukauft. So hat sein Jahr einen Rhythmus, es geht los mit Stiefmütterchen, dann vorgezogene Pflanzen, es folgen Gurken, Tomaten, Erdbeeren, Kohl, Feldsalat. Ist alles verkauft, legt er eine Pause auf dem Markt ein. Ende Januar, also jetzt, ist es soweit und damit der Zeitpunkt Lebewohl zu sagen.

 

Hager, fester Händedruck, ein Gesicht, das Wind, Frost, Sonne und Regen bearbeitet haben. Er ist 68 Jahre alt. Wohlverdienter Ruhestand ist ein ausgeleiertes Wort. Auf Günter Heerens passt es. "In der Saison reichen hundert Stunden die Woche nicht", sagt er. Wenn das Wetter gut oder schlecht ist, fährt er nach zwölf Stunden Wochmarkt noch mal los. um Stroh reinzuholen als Abdeckung für die Erbeeeren, um zur richtigen Zeit zu bewässern, um auf Knien den Feldsalat zu schneiden. Manchmal kommt Hagel, zerschlägt einen Teil der Gewächshäuser. 2000 Quadratmeter hat er unter Glas, dazu acht Hektar Freiflächen. 

 

Arbeit, die kennt Heerens seit der Kindheit. Sein Vater habe den Hof nach dem Krieg gegründet, klar war, dass die Kinder nach der Schule mitanpacken. Mit 15 begann Heerens seine Lehre als Gärtner auf der anderen Seite der Elbe in den Vier- und Marschlanden. Schon ein Akt dorthin zukommen: "Damals fuhr kein Bus." Mit dem Moped losknattern. Berufsschule mitten in Hamburg, nach Bergedorf tuckern, S- und U-Bahn. Feierabend? Zu Hause war noch etwas zu tun.

 

1968 habe sein Vater in Lüneburg angefangen, 1974 kam Sohn Günter dazu. Arbeiten zu Hause, Jobs nebenbei als Gärtner, als Kellner, irgendwann bei seinem Bruder, der sich selbstständig machte, Kabel ziehen als Elektriker. Heerens lacht: "Mein Traum war ein Opel Manta." Sparsam wie er war, konnte er sich den leisten. Der Stolz ist ihm noch heute anzumerken.

Meisterschule, Heirat, Kinder. Den Hof ausbauen. Ohne Ehefrau, die zupackt, geht es nicht in einem Familienbetrieb mit wenigen Mitarbeitern. Vor elf Jahren sei sie gestorben, sagt er ein wenig leiser. "Schlaganfall." An seiner Seite fehlt etwas. Urlaub haben sie kaum gemacht, "vor 25 Jahren fünf Tage Schwarzwald, und mal ein Wochenende Büsum": Man könne ja nicht weg -- die Lüftung der Gewächshäuser, das Wasser. Trotzdem seine Jungs einspringen. Selbstverständlich.

 

Viel habe sich geändert in den langen Jahren. Pflanzenschutzmittel seien damals hoch aggressiv gewesen: "Wenn die Raupen das gefressen haben, lagen später auch die Vögel tot am Boden." Heute würde der Fressimplus der Raupen reduziert, sie stürben schnell. Gut für Pflanzen und Vögel. Doch solche Hilfsmittel setzt Heerens sparsam ein. Das bedeutet auch Kraut per Hand aus dem Boden zu ziehen. Er lächelt: "Da geht dann nichts in die Tomaten." Nur was der Boden hergibt, nimmt sich die Staude.

Fast eine Tonne der roten Leckerei pro Woche hat er in der Saison geerntet. Verschiedene Sorten. Vorbei, auch wenn Stammkunden fragen, ob sie nicht direkt am Hof noch welche kaufen könnten. Für den Eigenbedarf der Familie werde er weiter ackern, sagt Heerens. Einen Teil der Gewächshäuser lasse er abbauen. 

Denn seine beiden Söhne wollen nicht weitermachen. Arbeit rund um die Uhr, der Verdienst im Vergleich überschaubar. Damit ist die Familie nicht allein, auch andere auf dem Markt haben keine Nachfolger. Töchter und Söhne wissen, wie ihre Eltern schuften müssen. Günter Heerens kommt am Samstag zum letzten Mal. Abschiede tun weh, auch ihm, aber zu tun habe er: "Arbeit ist genug." Den Enkeln will er zeigen, wie Landwirtschaft geht. Und wie man so leckere Tomaten züchten kann.   Carlo Eggeling 

 

 

© Fotos: Carlo Eggeling


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