Gut gemeint — eine politische Woche
von Carlo Eggeling am 28.09.2024
Meine Woche
Gut gemeint
Es ist gut gemeint, ein qualifizierter Mietspiegel gibt Sicherheit und verhindert überbordende Forderungen von Vermietern. Lüneburg hat sich so eine Regel gegeben, um "transparente und möglichst gerechte Wohnverhältnisse zu schaffen", das "ist uns ein wichtiges Anliegen. Der vorliegende Mietspiegel stellt einen bedeutenden Schritt in diese Richtung dar", heißt es im Vorwort zum Tabellenwerk.
Bedeutend. Finde ich auch. Mein Vermieter hat die Miete um rund ein Fünftel erhöht, weil er bislang unter der ortsüblichen Vergleichsmiete lag, wie er schreibt. Da das Unternehmen eine Menge Wohnungen besitzt beziehungsweise verwaltet, dürften Hunderte ein ähnliches Schreiben erhalten haben. Ich würde sagen, die soziale Idee hat voll gegriffen. Also für den Vermieter. Aber ist schon ok, er hat in all den Jahren bei mir nicht erhöht.
Das Modell Bessere Welt erinnert ein bisschen an die Linke, die vor ein paar Jahren kommunale Stadtwerke forderte und zur Diskussion einlud. Den Witz hat mir ein Gewerkschafter erzählt. Flammende Rede des Genossen: Das sei super für die Beschäftigten, sie würden künftig nach dem Tarif des öffentlichen Dienstes bezahlt. Die Kollegen haben laut gelacht: "Dann würden wir ein Viertel weniger verdienen als heute." Wollten die Werktätigen nicht. So kann's gehen. Gut gemeint, ist nicht gut gemacht.
Bei gut gemacht gibt es einen, bei dem das infrage steht. Dietmar Woidke hat im Landtagswahlkampf alles riskiert: Wählt meine Partei, wenn ihr mich als Ministerpräsidenten in Brandenburg haben wollt, sonst trete ich ab. Mutig. Haben viele Menschen gemacht, der befürchtete AfD-Sieg fiel aus. Nun kassiert der Sozialdemokrat Prügel, weil es mit der Regierungsbildung schwierig ist. Letztlich habe er schuld, dass die Grünen es nicht in den Landtag geschafft haben, von der Splitterpartei FDP und anderen ganz zu schweigen.
Der Gewinner als Verlierer. Aha. Man könnte sich auch fragen, warum die Grünen so schlecht abgeschnitten haben, könnte es an ihnen liegen? Sorry, das ist Bashing. Was ist mit der CDU? Warum hat sie der AfD trotz ihres Rucks weit weg von Angela Merkel und Helmut Kohl nicht mehr Stimmen abgenommen?
Nun also das Bündnis von Frau Wagenknecht und ihren Kumpelinnen. Lustig, dass die im Osten so viele Stimmen erhält. Wäre es nach ihrem Mann Oskar Lafontaine gegangen, der 1990 als Kanzlerkandidat der SPD eine Rolle spielte, würde die Mauer vermutlich noch stehen.
Aber davon ab, sie werden in Brandenburg zwei, drei Sentenzen finden, die der Chefin Wagenknecht in Sachen Friedensengel Putin gefallen, um dann eine Einigung hinzubekommen. Es gibt da sicher pragmatische Leute. Ob ihnen dabei ein Satz des gerade verstorbenen Pfarrers Friedrich Schorlemmer einfällt, der 1983 in der DDR-Diktatur nach einem Bibelwort zusammen mit Freunden ein Schwert in eine Pflugschar umschmiedete: "Die Demokratie ist wie ein Garten, wenn man den nicht pflegt, der verwildert sehr schnell."
Kommen wir von der demokratischen Gartenkunde zu etwas Mutmachendem, es geht um "achtsames Wandern mit allen Sinnen, das mit dem Gefühl der Freiheit und des Loslassens belohnt". Der neue "Wanderguide" der Lüneburger Heide GmbH verspricht uns, "Auf Glückspfaden" zu wandeln. Wer durch die Heide stapft, darf sich ganz eins mit der Natur fühlen. Und: "Der Wanderführer ist auf 100 Prozent Recyclingpapier gedruckt; die beim Druck entstandene CO2-Emission wird zusätzlich mit einer Klimabeitrag-Abgabe ausgeglichen." Mehr geht nicht.
Klar, das Bundesumweltministerium unterstützt die Angelegenheit finanziell, es geht ums Klima. Wie war das noch mit Milliardenlöchern im Berliner Haushalt? Ob Finanzminister Christian Lindner davon weiß? Schuldenbremse. Wen kümmert's.
Vermutlich besaß schon Heidedichter Hermann Löns das Bewusstsein, wenn er durch Sand und Erikakraut streifte, so als Vorgriff auf Fridays for Future. Er gehörte 1911 zu denen, die sich für die Gründung des Naturparks Lüneburger Heide einsetzten, dem ersten deutschen Naturpark.
Ich glaube, Hermann ist einfach losgelaufen, hat die Landschaft genossen und sich wohl gefühlt. Das reicht heute selbstverständlich nicht, wie gut, dass ein Ausflug ein bisschen etwas von Weltretten umweht. Damit sind wir wieder am Anfang. Ist halt gut gemeint. Und darum geht es doch. Carlo Eggeling
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