Lüneburg, am Mittwoch den 25.06.2025

Hierzulande — Robert Lebecks Blick auf Deutschland

von Carlo Eggeling am 16.04.2023





Es liegt ein Verstehen in den Blicken der beiden. Er schaut sie an, ein bisschen teuflisch mit seinen nach oben gezogenen Augenbrauen, ein leichtes Lächeln. Fordernd, forschend, frivol. Sie blickt zurück, selbstbewusst, spöttisch, kess -- was willst du? Speisewagen der Bahn gut gefüllt, auf der einen Seite der Kanzler der Bundesrepublik, Willy Brandt, auch der anderen, durch einen Gang getrennt, vermutlich eine Journalistin. Robert Lebeck hat das Bild gemacht im Bundestagswahlkampf 1972. Ein Foto, intim, gleichzeitig respektvoll, ein Augenzwinkern. Großes Glück, großes Können, den Moment einzufangen.

Die Kulturbäckerei präsentiert eine Ausstellung "Hierzulande" mit Arbeiten Lebecks, es ist eine Schau der Bundesrepublik zwischen Mitte der 50er und 80er Jahre. Der Blick auf ein vergangenes Leben, auf die Wurzeln des Nachkriegslandes. Nah, witzig, kritisch, nicht verletzend, liebevoll. Der Rundgang wird zur Geschichtsstunde für die Augen. Am Sonnabend ging es los, bis zum 25. Juni sind die Bilder zu sehen.

Lebeck, 1929 geboren und 2014 gestorben, hat in aller Welt gearbeitet. In Lüneburg ist sein Blick auf Deutschland zu sehen. Es sei das erste Mal, das eine Ausstellung seiner Werke sich nur mit der Bundesrepublik befasst, hieß es bei der Eröffnung. Die Schau hat mehrere Schwerpunkte. Wandgroß ist ein Bild, eher ein Gemälde, der "Spätheimkehrer" zu sehen. Soldaten, die acht Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges 1955 im Grenzübergangslager Friedland ankommen. Müde Blicke, ernste Gesicher, wartend, unsicher. Sie haben Krankheiten, Hunger, Durst Dreck, Arbeit unter schlimmsten Bedingungen in Russland erlebt und erlitten. Mannschaftsdienstgrade und Offiziere, womöglich verantwortlich für Kriegsverbrechen. Sie scheinen sich zu fragen, sind wir wirklich zurück, beginnt der Frieden auch für uns, wie mag er aussehen?

Lebeck ist 26 Jahre alt, als er diese Reportage mitbringt für die Illustrierte Revue, schneller als die Konkurrenz. Andere Bilder zeigen Frauen, die ihren Mann umarmen, Angehörige, die mit Namensschildern nach Verwandten suchen.

Lebeck hat die Ankunft von Elvis Presley in Friedberg 1958 und dessen erste Tage dort fotografiert. Presley, Rock'n'Roll-Star, leistete seinen Dienst als G.I. als Soldat der US-Armee, in dem hessischen Ort ab. Bilder, die den Mädchenschwarm flirtend zeigen. Die Pressemeute war verschwunden, der Fotograf war geblieben.

Bilder von der Reeperbahn und St. Pauli aus dem Jahr 1961. Leichte Mädchen, wie es damals hieß, Betrunkene, Landungsbrücke. Portraits von Künstlern. Maria Callas 1959, die "Göttliche", Alfred Hitchcock 1960 in Hamburg. Der Regisseur, der natürlich wusste, was Inszenierung bedeutet. Er späht wie ein Detektiv oder Gauner durch die Tür einer Hafenbarkasse, im Elbtunnel ein lauernder Killer. Romy Schneider, mit der ihm eine Liaison nachgesagt wird.

Er zeigt Helmut Kohl als Politiker, von unten fotografiert, ein Mann der schon vor seiner Kanzlerschaft weiß, wohin er will. Willy Brandt am Tag seines Rücktritts 1974, er ging, weil ein Spion der DDR in seinem engen Umfeld enttarnt worden war. Großaufnahme seiner Mine. Ein trauriger, enttäuschter Mann, einsam. Ganz anders als schäkernd im Wahlkampfzug mit der Journalistin.

Deutschland im März 1983, eine Anlehnung an den Film Deutschland im Herbst, der die Stimmung um 1977 einfängt, den Terrorismus der Roten Armee Fraktion und die zum Teil hysterische Reaktion des Staates darauf. Lebecks Bilder für eine zwölf Doppelseiten umfassende Story für den Stern zeigen sechs Jahren danach ein Land, das von saurem Regen spricht, von Arbeitslosigkeit.

Er sei einfach losgefahren, um "Heimatbilder" zu machen, erklärte Lebeck seine Arbeit später, Waldsterben im Schwäbischen, Karnevals-Zecher, die ans Portal des Kölner Doms pinkeln, Jäger im Wendland, die an der B191 stehen vor einem Schild, dass erläutert, dass es nicht über die Elbe geht, die Dömitzer Brücke gibt es nicht mehr, auf der anderen Flussseite die DDR. Hier ist Schluss. Ein Mann, der ein Hakenkreuz malt. Viele Wirklichkeiten. Kleingeistig, melancholisch, fröhlich. Wie es so ist in einem Land.

Die Ausstellung begleitet haben Kuratorin Daniela Sannwald und Cordula Lebeck, Witwe und Werkverwalterin. Zu sehen sind rund 175 Bilder. Dankbar sein darf Lüneburg der Kulturbäckerei und ihrem Träger, der Sparkassenstiftung, die immer wieder Ausstellung auf die Beine stellt, die sich selbst in Metropolen wie Hamburg oder Berlin gut machen würden. Stiftungsgeschäftsführer Carsten Junge und sein Team zeigen deutsche Zeit- und Kulturgeschichte, wenn sie etwa den Bravo-Starschnitt auf die Bühne holen oder die Arbeiten von Lebecks Kollegen Volker Hinz. Zehntausende Besucher kommen jedes Jahr -- ohne Eintritt zahlen zu müssen, ein großes Geschenk.
Carlo Eggeling

Öffnungszeiten: montags bis freitags von 10 bis 18 Uhr, sonnabends und sonntags von 11 bis 17 Uhr.

Die Aufnahmen (ca) zeigen Bilder Robert Lebecks aus der Ausstellung.




© Fotos: Robert Lebeck / ca


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