Huw ist gegangen — Balladen für den Himmel
von Carlo Eggeling am 02.10.2025Eigentlich hätte Huw Hamilton seinen "Old Dubliner" am Mittwochabend aufschließen sollen, wie so oft in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Als er nicht kam und nicht zu erreichen war, rief sein Freund und Kollege, eNTe-Wirt Bernd Hülswitt, die Polizei. Die Streife fand Huw seiner Wohnung an der Kaufhausstraße, er lag friedlich und zugedeckt in seinem Bett. Tot. 57 Jahre alt ist er geworden. Ein Mann, der die Kneipenszene prägte, der unzählige Male mit Gitarre und Stimme Gäste in seinem Lokal in Stimmung brachte. Einer, den man kannte, einer der liebenswürdig und schroff sein konnte.
Seine Freunde können kaum fassen, dass er gegangen ist. "Huw war mein bester Kumpel", erzählt Paul, der wie Huw aus Great Britan an die Ilmenau kam. Er könne noch gar nichts sagen, es sei schlimm genug, Huws Familie anzurufen und die tieftraurige Nachricht zu überbringen. Bernd hat eine Traueranzeige ins Netz gestellt: "Huw war nicht nur ein wundervoller Gastgeber und fester Bestandteil am Stint -- er war ein Freund, ein Mensch mit riesigem Herzen, ansteckendem Lachen, er war Herz, Seele, Wärme und Familie."
Lüneburg kennt Huw als Kellerkind: Seit einer Ewigkeit verkaufte er Guinness und gute Laune im "Irish"-Keller. Für die sorgte er, wenn er am Mikro stand, in die Saiten seiner Gitarre griff. Stammgäste kamen und die, die einen Abend in eine lange Nacht verwandelten im Jahrhunderte alten Gewölbe und auf der Terrasse, die sich über die Ilmenau erhebt. Wenn es Ärger gab, fuhr Huw klare Kante. Erfahrungswerte, wenn man Gastro lebt.
Huw hatte großes Glück, er überlebte einen der spektakulärsten Lüneburger Kriminalfälle. Im Dezember 2013 legten Unbekannte einen Brand in der Trattoria der Familie De Flaviis, direkt über dem Pub. Es gab eine Explosion. Huw, der in dem Haus wohnte, erzählte mir damals, wie sein Bett und er in die Luft flogen, wie er und Studenten sich vor den Flammen aus dem Gebäude ins Freie retten konnten. Die Polizei ermittelte später wegen 14fachen Mordversuchs. 14, die Zahl der Mieter.
Das Gebäude brannte nieder, alles, was Huw besessen hatte, war zu Asche geworden. Freunde halfen, er fand eine Wohnung an der Roten Straße, später zog er zurück ins Wasserviertel. Die Sparkasse stellte ihm den leerstehenden ehemaligen Paulaner-Keller unterm Scala an der Apothekenstraße zur Verfügung. Als Übergang -- er betrieb die zweite irische Botschaft in Lüneburg lange Jahre parallel.
Michael von Hartz, Eigentümer der Brandruine, baute das Haus wieder auf, es wurde um Millionen teurer als vorhergesagt. Der Grafiker und Künstler stand zu seinen Mietern: Alessandro De Flaviis und Huw Hamilton kehrten zurück. Huw machte wieder Party im Keller und lebte Party. Es gab rauschende Stunden und Touren, von denen er Fotos ins Netz stellte. Mit "Heinzi" Schulz, der gegenüber die eNTe betrieb, ein legendärer Wirt war und – ebenfalls zu früh – 2019 starb, organisierte er Mini-Ausgaben der Stintfeste. Freunde. Mit Bernd Hülswitt, der heute die Mischung aus Wohnzimmer, Kneipe und Tresen-Bühne führt, ist es ähnlich. Für den November planten sie Schlager-Karaoke in der eNTe. Jägermeister sei Huws Kult-Getränk gewesen: "Bei dem haben wir oft zusammengesessen."
Mitte der 1990er Jahre, geboren im County Kerry in Irland, kam Huw nach Deutschland, erzählte er vor Jahren. Er hatte seinem Arbeitsleben mit einem Schlips-und-Kragen-Job bei einem Finanz- und Reiseservice in Dublin und London Lebewohl gesagt. Zu Hause hatte er in ein paar Bands gespielt. Nichts Großes, ab und an ein Warm up für größere Konzerte. Grundlage für „traveling in Europe".
On the Road mit Gitarre und im Gepäck Balladen von Bob Dylan, Van Morrison, Neil Young und eigene Songs. Sein Start läuft – was für ein Zeichen – am irischen Nationalfeiertag St. Patrick in einem Pub in Bremen, eine Bekannte hatte den Gig vermittelt. In Lüneburg findet sich sein Name das erste Mal am 25. Juni 1999 im Veranstaltungskalender -- ein Auftritt im Old Dubliner, den sein Landsmann Noel führt. Er bleibt in der Stadt, zieht in eine WG, die irische Kellerbühne am Stint ist eine seiner vielen Stationen als reisender Musiker. 2006 übernimmt Huw das Lokal von Noel. Ganz angekommen.
Und nun gegangen. Im Netz wünschen sie Huw "Sláinte!", Prost. Bernd Hülswitt und andere Freunde wie Jannek JD Dittmer planen eine Abschiedsfeier, wie ist noch nicht klar. Sicher schenken sie Jägermeister in die Gläser. Das gehört dazu.
JD, der lange im Irish arbeitete und jetzt ab und an einspringt, erinnert sich an seinen Freund und dessen Lachen: "Er hat oft erzählt, er wollte nur für ein Wochenende nach Deutschland kommen." Es wurde mehr als ein halbes Leben. Jetzt ist Lüneburgs Ire gegangen. Mach's gut, Huw, spiel' himmlische Balladen. Carlo Eggeling
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