Lüneburg, am Montag den 07.10.2024

Interview mit Susanne Kulbars, Fachanwältin für Arbeitsrecht zu Tesla-Hausbesuchen bei Erkrankt

von Arbeitgeberverband Lüneburg-Nordostniedersachsen e.V. am 01.10.2024


Interview mit Susanne Kulbars, Fachanwältin für Arbeitsrecht beim Arbeitgeberverband Lüneburg - Nordostniedersachsen, zu Tesla-Hausbesuchen bei erkrankten Mitarbeitenden:

 

In den letzten Wochen sorgten Berichte über Hausbesuche von Tesla-Führungskräften bei krankgeschriebenen Mitarbeitenden für Aufsehen. Die Besuche, die offenbar dazu dienten, Verdachtsfälle auf vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit zu prüfen, stießen auf Kritik und werfen rechtliche Fragen auf. Im Interview mit Susanne Kulbars, Fachanwältin für Arbeitsrecht beim Arbeitgeberverband Lüneburg-Nordostniedersachsen, beleuchten wir die rechtliche Grundlage solcher Besuche und erörtern, wie Arbeitgeber in Deutschland mit hohen Krankenständen umgehen können, ohne die Privatsphäre ihrer Beschäftigten zu verletzen.

 

Frage: Frau Kulbars, es gab Berichte über Hausbesuche von Tesla-Führungskräften bei erkrankten Mitarbeitenden. Wie bewerten Sie diese Praxis?

 

Kulbars: Solche Berichte sorgen verständlicherweise für Aufregung. In Deutschland gilt grundsätzlich ein starkes Recht auf den Schutz der Privatsphäre. Dennoch dürfen Arbeitgeber bei ihren Angestellten an der Haustür klingeln, die Mitarbeitenden müssen ihnen allerdings nicht aufmachen und sie hereinlassen. Sie müssen auch keine Auskünfte über ihren Gesundheitszustand oder die Art ihrer Erkrankung erteilen.

 

Frage: Wie sieht es aus, wenn der Arbeitgeber den Verdacht hat, dass eine Krankheit vorgetäuscht wird?

 

Kulbars: Der Besuch beim Mitarbeitenden kann diesen Verdacht in der Regel weder ausräumen noch begründen. Da der Arbeitgeber keine Kenntnis von der Art der Erkrankung hat, kann er auch nicht beurteilen, wie der Angestellte sich während seiner Erkrankung zu verhalten hat, ohne seine Genesung zu gefährden. Arbeitsunfähigkeit bedeutet nicht Bettlägerigkeit. Stattdessen sollte der Arbeitgeber auf weniger invasive Mittel zurückgreifen, wie etwa die Beauftragung des medizinischen Dienstes der Krankenkasse. Im Extremfall, wenn tatsächlich konkrete Anhaltspunkte für einen Missbrauch vorliegen, könnte auch eine Detektei eingesetzt werden. Allerdings ist das nur in Ausnahmefällen rechtlich zulässig und muss gut begründet sein. Das Bundesarbeitsgericht hat sogar entschieden, dass ungerechtfertigte Überwachungen Schmerzensgeldansprüche nach sich ziehen können.

 

Frage: Wie sollte ein Unternehmen, das mit hohen Krankenständen konfrontiert ist, idealerweise reagieren?

 

Kulbars: Der hohe Krankenstand könnte durch eine Vielzahl von Faktoren bedingt sein. Der Arbeitgeber sollte zunächst den Dialog suchen und gegebenenfalls Maßnahmen ergreifen, um das betriebliche Gesundheitsmanagement zu verbessern. In begründeten Fällen einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit kann aber auch der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung angezweifelt und die Entgeltfortzahlung zurückgehalten werden. Mitarbeitende müssen in diesem Fall dann konkret darlegen, welche Krankheit bestanden und zur Arbeitsunfähigkeit geführt hat. Besteht tatsächlich der begründete Verdacht, dass ein Angestellter eine Arbeitsunfähigkeit nur vortäuscht, können Arbeitgeber zu weiteren arbeitsrechtlichen Mitteln, wie einer Abmahnung oder in bestimmten Fällen auch einer (außerordentlichen) Kündigung greifen. Denn das Vortäuschen einer Krankheit ist keine Bagatelle und kann sogar strafrechtlich als Betrug verfolgt werden. Es ist jedoch wichtig, dass Arbeitgeber sorgfältig und rechtlich korrekt vorgehen, um nicht selbst in Konflikt mit dem Gesetz zu geraten. Dazu beraten wir unsere Mitgliedsunternehmen gerne.

© Fotos: Arbeitgeberverband Lüneburg-Nordostniedersachsen e.V.


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