Lüneburg, am Samstag den 27.07.2024

Jan Balyons farbige Liebeserklärungen an die Stadt

von Carlo Eggeling am 22.02.2024



Lüneburger Gesichter (59) + In lockerer Reihe stelle ich unbekannte Bekannte vor

Hollands Kunst-Export — Jan Balyon macht Lüneburg ein bisschen bunter. In jeder Hinsicht

"Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit", ein Satz der dem Autor und Schauspieler Karl Valentin zugeschrieben wird. Es fehlt der Zusatz, der Künstler muss ganz schön rege sein, um satt zu werden. Jan Balyon, der holländischste Lüneburger der Stadt, weiß und lebt das. Handgemalte Postkarten, Illustrationen, Gedichte, Aktionen, beidhändiges Malen und alles, was noch so daherkommt. Nun macht sich Jan Sorgen um sein Atelier in der Altstadt: "Es ist schwierig, ich muss mich über Wasser halten. Ich habe schon überlegt, den Laden dicht zu machen. Weihnachten und danach lief es nicht so gut."

Doch Aufgeben ist eigentlich keine Option für ihn. Jetzt hat er einen Freundeskreis gegründet, um das farbenfrohe und quirlige Geschäft gegenüber Achim Fahrenkrugs Antiquitäten-Laden und Martin Lühmanns Anno 1900 als Teil der Altstadt zu retten, erzählt er bei einem Tee im im Straßencafé Hier & Heute am Sand. Ein bisschen ist es wie sein mobiles Büro: "Manchmal kommt jemand und will etwas gemalt haben." Er lacht, das passiert natürlich überschaubar oft, aber es könnte ja sein. Er spricht ein paar Brocken Kurdisch mit einem der Kellner, zeigt dann auf das Fenster des Lokals, auf Kannen und Tassen mit verschiedenen Motiven: "Bemaltes Porzellan. Das habe ich zu Corona-Zeiten gemacht und damit überlebt."

Zurück zum Freundeskreis, der besteht aus Kontakten. Leute, denen er Bilder verkauft hat, Freunde, Bekannte. Die geben Geld, dafür lädt er sie zu Ausstellungen, er holt andere Musiker und Künstler dazu. Eine Mischung aus Kultur, Konzert und Party. Dann geht der Hut rum, jeder gibt, was er kann.

"Ich bin Patchworker; aus allem, mit allen etwas machen." Er lacht noch einmal: "Da gibt es andere Künstler, die sagen 'Du prostituierst Dich', weil ich Aufträge annehme. Na und? Ich bin mitten im Leben." In einer Metallwerkstatt hat er seine Schnellportraits aufs Papier geworfen: "25 Leute an einem Tag bei der Arbeit. Da gehört Kunst doch hin." Anderer Aspekt: Menschen, die wenig Geld haben, können seine Kunst mieten: 20, 30 Euro im Monat für ein Bild, das wechselt. Oder die Feierabendkultur mit Ben Boles an der Kultubäckerei: Einige machen Musik, er ist der Hausmaler für ein paar Euro.

Kunst macht er seit mehr als einem halben Jahrhundert, nach Lüneburg kam er 2002. Es ist kein Leben, in dem jeden Monat Gehalt überwiesen wird samt aller Beiträge für Sozialversicherungen. "Ich habe 331 Euro Rente im Monat", sagt Jan, der im August seinen 75. Geburtstag feiert. Atelier, Wohnung, Nebenkosten, alles, was man sonst so zahlen muss: "Ich mache immer weiter." Auch weil er gar nicht anders kann. Er sitzt da mit seiner auffälligen Brille mit den runden Gläsern unter einer leopardengefleckten Mütze, lacht. "Mein Großvater hat gesagt, eine fliegende Krähe fängt immer was." Ein Lebensmotto, eine Definition.

Na klar, der Beitrag soll ein wenig Werbung sein, auf dass sich ein paar Kunden und Freunde melden, die sein Atelier besuchen, ihm einen Auftrag geben. Es geht weiter. Ist es immer. Was denn sonst. Meinen Tee im Café hat Jan mitbezahlt, nächstes Mal bin ich dran. Auf jeden Fall ein nächstes Mal. Neben seiner Kunst hat Jan noch eine große Gabe: Er verschenkt ansteckend gute Laune. Also einfach mal besuchen. Lohnt sich. Carlo Eggeling





© Fotos: ca


Kommentare Kommentare

Kommentar von Sarah Meyer
am 24.07.2024 um 10:14:00 Uhr
Hallo Herr Eggeling,
endlich kam ich dazu, mich mit unserem holländischsten Maler in Lüneburg zu beschäftigen. Viele lange Arbeitsaufenthalte im fernen Ausland lassen mich endlich mit 74 Jahren hier als Österreicherin so sesshaft werden wie Jan Baylon auch. Ihr Interview las ich mit Freude.
Gestern verschenkte ich endlich meinen kaum gebrauchten Monster TV und nun werde ich mich bald erfreuen an einem grossen Bild von diesem Künstler - viel interessanter als fernsehen, ganz sicher! Grüsse Sarah Meyer


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