Lüneburg, am Dienstag den 30.05.2023

Knochen-Krimi

von Carlo Eggeling am 25.05.2023



Die Bauarbeiter riefen die Polizei: Als sie am Mittwoch einen Bauschacht für eine Fernwärmeleitung aushoben, fanden sie nach ein paar Schaufeln Schädel und Knochen in der Erde. Ein Verbrechen? Für die Beamten war schnell klar, höchstwahrscheinlich kein Fall für sie, sondern für die Wissenschaft. So übernahm Stadtarchäologe Tobias Schoo die Ermittlungen an der Lüner Straße; und präsentierte eine Lösung. Denn vor Jahrhunderten bestatteten die alten Lüneburger ihre Toten unter anderem neben St. Nicolai. Gotteshaus und Friedhof eng beieinander gängige Praxis in mittelalterlichen Städten. Damals wurden Verstorbene in sogenannten Beinhäusern, aber auch unter dem Boden zu Grabe getragen.

"Ich vermute, dass es sich hier um eine Wiederbestattung handelt", sagt der Archäologe. Möglicherweise sei ein Friedhof aufgelassen worden und man habe Gebeine verlagert. Auch Bauarbeiten seien als Grund denkbar. Das "Durcheinander" würde dafür sprechen. Denn ein Großteil der Knochen von mutmaßlich vier Verstorbenen liege kreuz und quer, dazwischen beispielsweise Keramikscherben aus verschiedenen Epochen. Ungewöhnlich sei, dass, wenn man so will, ein Skelett sehr geordnet im Erdreich ruhe. Das Warum sei noch unklar. Vielleicht wurde der Tote bewusst "verlegt".

Am Freitag will Schoo die "Rettungsgrabung" abschließen. Die Funde, Knochen, Scherben, mutmaßlich Griffe eines Sarges, kommen zur weiteren Untersuchung ins Museum. Dort könnten Forscher klären, wie alt die Gebeine sind, ob sie von Frauen oder Männern stammen, lassen sich Krankheiten nachweisen? Die Keramik kann ebenfalls eine Zeitreise ermöglichen, mittelalterlich, frühe Neuzeit? Also nach 1500?

Die Baugeschichte spielt dabei eine Rolle, sie ist nachzulesen. Als Kapelle wurde Nicolai von 1407 an erbaut und schnell erweitert zu einer Kirche. Um 1440 sollen die Arbeiten abgeschlossen gewesen sein, der Turmbau dauerte noch länger und war nicht gerade erfolgreich. der lange Lulatsch trug zunächst keinen Helm, das Reißen plagte ihn. 1831 rissen Handwerker den Turm wieder ab, das Kirchenschiff litt ebenfalls. Kein Geld, wieder Bauarbeiten über lange, lange Jahre. Der Turm, den wie heute kennen, wurde erst 1895 fertig.

Am Freitag endet der Blick in die Geschichte vorerst, die Bauarbeiter übernehmen, verlegen Leitungen und schließen die Erde wieder. Doch vielleicht haben Schoo und seine Kollegen erneut einmal Gelegenheit, in die Tiefe zu gehen -- etwa bei Bauarbeiten und wenn sie Zeit haben. Carlo Eggeling

© Fotos: ca


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