Lüneburg, am Montag den 14.07.2025

Leere Kasse, prima Klima

von Carlo Eggeling am 12.07.2025


Meine Woche
Schwarz sehen

Er war ein Konservativer, daher kann es nicht falsch sein, den britischen Kriegspremier Winston Churchill zu zitieren: "Manche wechseln ihre Partei um ihrer Prinzipien willen – andere ihre Prinzipien um ihrer Partei willen." Ich würde so etwas nie von Mitgliedern der Lüneburger CDU-Ratsfraktion denken, wenn ich nicht mit Christdemokraten gesprochen hätte, die, gelinde gesagt, irritiert auf die Ihren im Stadtparlament blicken. Sie wundern sich, dass die Kritik an der von Oberbürgermeisterin und Kämmerer verkündeten Haushaltssperre eher sanft ausfällt. Die Erklärung der Fraktion liegt auf Linie mit den zwei beiden Oberen: Künftig müsse ordentlich gespart werden, die Ausgaben müsse man im Blick halten.

Einige CDUler fragen sich, warum nicht der Fraktionsvorsitzende spricht, sondern ein Finanzpolitiker. Macht und Wucht lägen qua Amt eher bei Wolfgang Goralczyk, weniger bei Alexander Schwacke. Eigenwilliger finden es gestandene Christdemokraten, dass man als Opposition nicht den Kämmerer in den Fokus nimmt. Die Erklärung fällt einfach aus: "Der hat ein CDU-Parteibuch, da traut man sich nicht." Klar, hört man das nur in Gesprächen, nach denen später keiner seinen Namen lesen will. Ich vermute mal, dass der Kämmerer mir in einer nächsten Sitzung wieder entgegenhält, alles nur Hörensagen.

Mehr oder weniger en passant teilte die OB den Ratsmitgliedern vergangenes Wochenende beim Gruß für schöne Ferien mit, sie setze die beschlossene Haushaltssperre von 6,5 Millionen Euro um. Unerwarteterweise habe sich die Finanzabteilung verhauen, sechs Millionen weniger bei der Gewerbesteuer, bei den Pensionsrückstellungen müsse man fünf Millionen mehr einplanen. Das sei beim jüngsten Controlling aufgefallen.

Unternehmer, auch solche mit großen Firmen, die ich gefragt habe, sagen, Personalkosten hätten sie immer im Blick. Die fielen sehr konstant aus, seien berechenbar. Controlling gehöre zum täglichen Geschäft -- liefen die Kosten davon, könne man im Zweifel den Laden dichtmachen. Das Instrumentarium müsste doch der stets selbstbewusst auftretende Kämmerer zur Verfügung haben. Wenn nicht, tja, denken Sie's zu Ende.

Der Finanzchef hatte der Politik von einem Doppelhaushalt 2025/26 vorgeschwärmt, als das Zahlenwerk verabschiedet wurde, wäre viel sicherer. Übrigens nicht einmütig, 28 Ja-, 14 Nein-Stimmen, eine Enthaltung. Im Etat-Konzept enthalten waren Sperrvermerke von 6,5 Millionen in diesem und 9,2 Millionen im kommenden Jahr. Als „Königsdisziplin“ hatte Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch die Haushaltsberatungen eingestuft. „Das Zahlenwerk stellt uns vor große Herausforderungen“, sagte sie. Der sogenannte Jahresfehlbetrag liege bei minus 46,7 Millionen Euro in 2025 und minus 57,8 Millionen Euro in 2026: „Das ist nicht gesund.“

Trotzdem gab man weiter Geld aus. In der Amtszeit von Frau Kalisch werden bis 2026, wenn es so weitergeht, 250 neue Stellen geschaffen. Ich habe das schriftlich aus dem Rathaus. Die LZ schreibt von 180. Die habe anders gefragt, hieß es auf meine Nachfrage, wie die Differenz zustande komme.

Die Pressemitteilung der Stadt unter der Überschrift "Oberbürgermeisterin ergreift Maßnahmen" informiert uns so: „Es ist meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die vom Rat beschlossene Sperre eingehalten wird. Über die bereits im Haushalt verankerte Sperre hinaus habe ich auf Vorschlag von Kämmerer Matthias Rink zusätzliche Maßnahmen ergriffen.“ Das Jahr ist halb rum, hätten die beiden Chefs nicht spätestens von Januar an wie ein Drache auf dem Goldschatz sitzen müssen? Irgendwie nicht.

Mal sehen, wie Kämmerer Rink zu diesen und anderen Fragen bei einer Sondersitzung des Finanzausschusses am kommenden Freitag antwortet. Ich kann mich übrigens nicht dran erinnern, dass er protestiert hat, als CDU-Ratsherr Eckhard Pols vor ein paar Wochen auf die städtische Brücke wechselte und als Wirtschaftslotse das machen soll, was selbstverständlich ist: Firmen bei Problemen helfen. Hat der Kämmerer niemanden in seinem Ressort, der ansprechbar ist, was ist mit ihm selber? Gibt es nicht die Wirtschaftsförderung von Stadt und Kreis?

Dass der oft verwaltungs-piksige Pols seinen Sitz im Rat aufgeben musste und damit die Seiten wechselte, ist sicher nebensächlich. Wer will grünen Machttaktikern und Verwaltungsspitze Kalkül vorwerfen. Außerhalb des Rates schütteln Christdemokraten den Kopf darüber, dass ihre Fraktion das mitmachte. Vielleicht kennen sie das Zitat des Konservativen Churchill.

Was wird also in Finanzausschuss und Rat geschehen? Die SPD hat kritische Fragen an die Verwaltung gestellt unter anderem zum Controlling. Einer aus der FDP kann ebenfalls piksig, sein Mitstreiter pikst, folgt aber meistens aus Verantwortung der Verwaltung. Die Linke hält nix von Haushaltssperre, das wundert nicht bei ihrem Robin-Hood-Prinzip „Den Reichen nehmen, den Armen geben“. Die CDU? Sparen, Disziplin und ans Parteibuch denken.

Die Verwaltung erklärt uns, sie wolle befristete Verträge nicht verlängern, vakante Stellen nicht besetzen. Sind das so viele, das 6,5 Millionen zusammenkommen? Denn die Oberbürgermeisterin erklärt weiter: „Die jetzt ergriffenen haushalterischen Maßnahmen haben keine spürbaren Auswirkungen auf die Menschen in Lüneburg. Freiwillige Leistungen, das heißt Unterstützungen von Vereinen, Organisationen, Sozialträgern etc., welche vom Rat beschlossen sind oder zu denen die Hansestadt vertraglich verpflichtet sind, werden dadurch nicht in Frage gestellt. Auch eine Erhöhung von Steuern ist aktuell weder angedacht noch möglich.“

Freiwillige Leistungen sind die einzigen Stellschrauben, welche die Stadt besitzt, Pflichtaufgaben muss sie erfüllen, das sagt bereits das Wort. Man könnte über den Bürgerrat nachdenken, der Ideen liefern soll, um aus dem Schrangenplatz einen konsumfreien Spielplatz zu machen. Das Ergebnis dürfte vorhersehbar sein: Büsche, Bänke, Bolzgelegenheit. Lüneburg ist das gleichwohl etwas wert. Zitat aus der Ratssitzung zum Haushalt im vergangenen Dezember laut LZ: „Die Verwaltung hat mehr als eine halbe Million Euro für die Vorschläge des Bürgerrates und mehr als 20.000 Euro pro Jahr für das Engagement weiterer Bürgerräte dargestellt.“ Sagte die Grüne Corinna Dartenne. Na denn.

Zur Einordnung zwei Dinge. Erstens: Auch andere Städte haben mit Minus-Haushalten zu kämpfen, in Schleswig-Holstein unter anderem weil man mehr für Pensionen aufwenden muss.

Zweitens: Geschichte mag sich nicht wiederholen, aber Parallelen finden sich schon. Ende 2012 war die Stadt so klamm, dass der damalige Oberbürgermeister Mädge eine Haushaltssperre verhängte und damit die Auszahlung sämtlicher freiwilligen Leistungen strich. Kritik am Vorgehen des Verwaltungschefs, der angeblich nicht ausreichend informiert hatte, kam von der FDP und massiv von der CDU. Die SPD zeigte Verständnis für ihren Parteifreund.

Zum Schluss eine Entschuldigung. Ich habe von einem blonden Lächeln aus dem Rathaus geschrieben. Zwar produziert man in der Presseabteilung und auf den Social-Media-Kanälen sehr viele strahlende Bilder, auf denen eine Person sehr oft zu sehen ist, trotzdem war das nicht angemessen. Eine Kollegin aus dem Rathaus sprach mich an, fand das unsachlich, über einen Mann hätte ich das nicht geschrieben. Ich glaube zwar, dass ich auch Herren in den Blick nehme, aber ich sehe ein, war nicht nicht gut. Sorry.

Wochenende. Bleiben wir heiter. Geht ganz gut mit dem Schriftsteller Joachim Ringelnatz: "Humor ist der Knopf, der verhindert, dass einem der Kragen platzt." Carlo Eggeling

© Fotos: ca


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