Lüneburg, am Montag den 18.08.2025

Leider spricht sie nicht mit mir

von Carlo Eggeling am 28.10.2022




>> Seit einem Jahr ist Claudia Kalisch Oberbürgermeisterin. Darüber wollte ich mit ihr reden. Knapp drei Wochen vor dem „Jubiläum“ habe ich um ein Interview gebeten. Es wurde abgelehnt. Ich habe es noch einmal probiert und eine Mail an sie und die Pressestelle im Rathaus geschickt. Frau Kalisch hat nicht geantwortet.

Das ist mein Schreiben:

Guten Tag Frau Kalisch,



Sie haben nun bald seit einem Jahr das Amt der Oberbürgermeisterin inne. Daher hatte ich in Ihrer Pressestelle vorvergangene Woche um ein Interview gebeten. Das wurde leider abschlägig beschieden. Allerdings habe ich erfahren, dass Sie Landeszeitung und Lünepost für direkte Rückfragen zur Verfügung stehen. Ich frage mich, warum Sie zwei Publikationen anders begegnen als mir. Gemeinsam mit Lüneburg aktuell erreichen wir Tausende Bürger, deutlich mehr im Netz übrigens als andere.

Ich hätte gedacht, dass Sie nach einem Jahr grüner Politik zu einer Pressekonferenz einladen. Immer wieder wurde ja im Wahlkampf betont, dass nach 30 Jahren Mädge eine neue Ära beginnt, auch von Ihnen -- "damit sich was dreht". Da wäre es selbstverständlich, wenn es eine Art Regierungserklärung gäbe: Was wurde erreicht? Was steht als nächstes an? Was sind Herausforderungen, mit denen Sie nicht gerechnet haben? Wie haben Sie die Verwaltung für die kommenden Jahre umgebaut und zukunftsfest gemacht?

In Ihrem Wahlprogramm lesen sich einige Punkte, zu denen sich sicher viele Bürger Einschätzungen von Ihnen wünschen würden:

Die Mobilitätswende zur Fahrradstadt -- wo bleiben Projekte und Umsetzungen? Zumal Ihnen sowohl nach Ihren ersten 100 Tagen im Amt wie auch kürzlich mit der halbseitigen Blockade der Soltauer Straße Mobilitäts- und Umweltverbände zeigen, dass sie sich mehr wünschten. Und damit ja gerade die, von denen Sie vor Ihrer Wahl unterstützt wurden.

Klimaschutz. Was ist passiert, um Lüneburg klimaneutraler zu machen? Das wollen Sie in zehn Jahren schaffen. Was wurde umgesetzt?

Bezahlbarer Wohnraum. Gibt es konkrete Pläne? Das Baugebiet Wienebüttler Weg wollten Sie nicht befördern, sondern haben sich im Rat entgegen der Empfehlung Ihrer eigenen Verwaltung der Stimme enthalten. Wo, wann, was passiert an anderen Stellen? Angeblich könnte man in Dachgeschossen 1500 oder gar 2000 Wohnungen entstehen lassen, war Thema im OB-Wahlkampf. Was ist daraus geworden?

Lebenswerte Innenstadt. Der Leerstand bleibt nach wie vor hoch. Wo haben Sie Initiativen angeschoben, das zu verändern? Vom Innenstadtbeirat ist nichts zu vernehmen. Der Marienplatz sieht so trostlos aus, dass man sich beinahe einen Parkplatz zurückwünscht, wenn das die Alternative ist. Bei den Sülfmeistertagen gab es kein Programm, lediglich vier Tage Schausteller-Meile auf dem Sand. Sie haben den Vorsitz im Aufsichtsrat der LMG übernommen. Welche Akzente haben Sie gesetzt? Womit können wir rechnen?

"Echte und dauerhafte Bürger*innenbeteiligung" ist Ihnen wichtig. Sie schreiben: "Es genügt nicht, eine Zukunftsstadt theoretisch zu denken. Nur die echte Beteiligung aller relevanten Akteurinnen und Bürgerinnen führt zu umsetzbaren und akzeptierten Ergebnissen." Wie viele von Ihnen sehr oft angesprochene Bürgersprechstunden gab es binnen des vergangenen Jahres? Wo sind Bürger in Prozesse eingebunden. Neulich hat Ihnen der Zukunftsrat vorgeworfen, er fühle sich eben nicht eingebunden.

In die gleiche Richtung geht Ihre Ankündigung, dass Sie die Verwaltung bis zur Sachbearbeiterebene aufsuchen wollten. Was ist daraus geworden? Wie weit sind Sie da gekommen bei 1400 Mitarbeitern?

Die Gesundheitsholding steckt in Schwierigkeiten. Herr Sauer hat ein Defizit von 25 Millionen Euro prognostiziert. Wie steht die Stadt als Trägerin des Gesundheitskonzerns dazu? Überlegen Sie, den Bereich möglicherweise zu verkaufen?

Der Haushaltsentwurf für die Stadt erwartet ein Minus von 40 Millionen Euro. Was ist ihr Konzept? Was wird nicht gebaut und umgesetzt? Wo liegt Ihre Linie?

Mir fallen noch mehr Fragen zur Entwicklung der Stadt ein, aber es würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen. Zudem würde mich darüber hinaus auch interessieren, wie es Ihnen persönlich geht. Sie stehen in der Kritik, Ihnen wird Entscheidungsschwäche vorgeworfen. Im Rat bezeichneten Sie neulich Nachfragen als "Frechheit", was ein Indiz dafür sein könnte, dass Sie "dünnhäutiger" werden. Ist dem so? Wie hatten Sie sich den Umgang im Rat und in und mit Medien vorgestellt?

​​​​​​​Sie verhandeln über die Regierungsbildung von SPD und Grünen in Hannover mit. Wie schätzen Sie Ihre Rolle auf Landesebene ein? Bleibt es bei Ihrer Aussage, dass Sie Ihre Amtszeit in Lüneburg bis zum nächsten regulären Wahltermin erfüllen?

Es gibt viele Themen, die ich journalistisch für relevant halte und von denen ich denke, dass es nach einem Jahr eine gute Zeit für eine vorläufige Bilanz ist. Sie sehen das offenbar anders. Warum?

Ich freue mich auf eine Rückmeldung.

Mit freundlichem Gruß,

Carlo Eggeling

© Fotos: Hansestadt Lüneburg


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