LoCarlo: Angst um die eigene Wohnung
von Winfried Machel am 12.09.2022Was passiert, wenn ein Sozialhilfeempfänger die steigenen Kosten für Wärme und Energie nnicht zahlen kann? Adam Jaques versucht, seinem Mieter zu helfen
Adam Jaques gehören mehrere Immobilien in Lüneburg, und er findet es wichtig, auch an Menschen zu vermieten, die ein geringes Einkommen haben. Doch das stellt ihn und mindestens einer seiner Mieter an der Hindenburgstraße vor ein großes Problem: Der 62-Jährige lebt von Transferleistungen des Staates. Zuschüsse, die er bekommt, decken nicht die steigenden Heiz- und Stromkosten ab. Damit ist er nicht allein. Aus dem Rathaus heißt es, dass allein in der Stadt rund 2000 Haushalte betroffen sein könnten, die Beihilfen laut Sozialgesetzbuch beziehungsweise als Asylbewerber erhalten. Zusätzlich seien Bezieher, die Leistungen über die Arbeitsverwaltung erhalten, betroffen.
Adam Jaques hat sich überlegt, dass er gemeinsam mit seinem Mieter der Stadt die zu erwartenden höheren Kosten mitteilt, und sie einen entsprechend höheren Betrag überweist. Sollte sich am Ende ein Plus ergeben, würde er das selbstverständlich zurückzahlen. "Ich rechne mit einer Verdopplung, wenn nicht Verdreifachung", sagt Jaques. Eben das teilt der Vermieter seinem Mieter unter der Überschrift "Freiwillige Erhöhung der Heizkosten wegen Alarmstufe Gas" mit. Statt 115 Euro pro Monat solle der Mieter künftig 185 Euro zahlen.
Doch die Stadt weist die Forderung zurück. In einer Antwort heißt es: "Die neuen Abschläge für Heizkosten übersteigen jedoch die aktuell sozialhilferechtlich angemessene Grenze für Heizkostenabschläge von 2,80 Euro pro Quadratmeter." Für 46 Quadratmeter könnten also maximal 128,80 Euro geltend gemacht werden.
Der Mieter sagt: "Da bleiben für mich rund 60 Euro übrig. Jeden Monat. Das Geld habe ich einfach nicht." Der 62-Jährige, der aufgrund einer schweren Krebserkrankung Frührentner ist, erzählt, dass er sich kaum noch einschränken könne, denn seine Kosten für Lebensmittel und anderes seien auch gestiegen. Ein Leben am Minimum.
Im Rathaus antwortet Sprecherin Suzanne Moenck, dass die Stadt an die Gesetzeslage gebunden ist: "Zum 1. August wurde die monatliche Heizkostenpauschale auf 2,80 Euro pro Quadratmeter angehoben. Damit ist die Heizkostenpauschale identisch mit der, die das Jobcenter an SGB II-Leistungsbeziehende gewährt."
Was an Mehrkosten auf die Stadt zukommen dürfte, sei unklar. Bislang hätten sich wenig Betroffene im Sozialamt gemeldet. Für das Rathaus sei es ein durchlaufender Posten, da sie das Sozialamt quasi für den Landkreis betreut. "Sämtliche von der Stadt erbrachten Transferleistungen, also SGB XII-Leistungen sowie Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz werden aufgrund Heranziehung durch den Landkreis Lüneburg von diesem 1:1 erstattet." Zudem verweist die Verwaltung auf den Härtefonds, den das Land aufgelegt hat.
Wann können Betroffene mit mehr Geld rechnen? "Die Frage, ob und in welchem Umfange Zuzahlungen übernommen werden, orientieren sich an den Besonderheiten des Einzelfalles. Liegt beispielsweise eine gesundheitliche Einschränkung vor, bei der ein ärztlich nachgewiesener und anzuerkennender erhöhter Wärmebedarf besteht, so wird dies anders zu beurteilen sein, als bei einem Fall ohne anerkennenswerte Besonderheiten."
Adam Jaques und seinen Mieter beschäftigt die Frage, was passiert, wenn der 62-Jährige mit Mietschulden dasteht. "Eigentlich müsste ich ihm dann kündigen, damit ich nicht auf den Kosten sitzen bleibe", sagt Jaques. Am Ende könne eine Räumungsklage stehen, etwas, was er gar nicht will.
Wie sieht das die Stadt? Dort gebe es ein Team, das sich bemühe, Wohnungslosigkeit zu verhindern und Ansprechpartner sei: "Die Mitarbeiterinnen der Präventionsstelle unterstützen die betroffenen Menschen mit Rat und Tat. Dies bedeutet, dass die Mitarbeiterinnen bei der Formulierung von Anträgen wie die Übernahme der Mietschulden, unterstützen, mit Vermietern ins Gespräch gehen, zu Ämtern beziehungsweise dem Jobcenter begleiten."
Zudem verweist Sprecherin Moenck auf die Stadtkonferenz, die sich kürzlich gemeinsam mit der Oberbürgermeisterin getroffen habe, um eben auf Notlagen vorbereitet zu sein. Inwieweit das alles Adam Jaques und seinem Mieter hilft -- da haben die beiden viele Fragezeichen. Letztlich müssen Bund und Länder klären, wie sie mit der Lage umgehen. Denn Adam Jaques und sein Mieter sind eben kein Einzelfall, es dürfte sie zu Hunderttausenden zwischen Ostsee und Alpen geben. Carlo Eggeling
Das Foto (ca) zeigt Adam Jaques vor dem Eingang seines Hauses an der Hindenburgstraße.
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