LoCarlo: Der Druck wird größer
von Winfried Machel am 02.08.2022+ + Wasserviertel: Jugendorganisationen fordern Lösungen und Hilfe von Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch
+ + Parteien sind sich einig: Der Kultursommer soll fortgesetzt werden. Auch hier erwarten sie Rückenwind aus dem Rathaus
Die Macher des Kultursommers hatten Ratspolitiker neulich zum Konzert auf die Sülzwiesen eingeladen. Es war lohnend für beide Seiten: Parteiübergreifend gibt es Unterstützung für den Konzertreigen auf den Sülzwiesen. In diesem Jahr konnten die Veranstalter um die Campus-Gesellschaft, Klaus Hoppe, Paul Reichwaldt, Max Giesler und andere nur an zwei Wochenenden Künstler auf die Bühne schicken. Die Konzerte waren unterschiedlich besucht, auf jeden Fall laut Campus ein Zuschussgeschäft. Beschwerden von Anwohnern machen fraglich, ob das Fest eine Wiederholung findet. Reichwaldt und Giesler wünschen sich mehr Unterstützung durch die Stadt. Man habe den Eindruck, dass Auflagen in dieser stark gekürzten Saison strenger gehandhabt wurden als in den beiden vergangenen Jahren, in denen zudem viel mehr Auftritte möglich waren.
Nicht das einzige Thema, das auf Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch zukommt. Zehn verschiedene Jugendorganisation vom AStA über Jusos, Linke Jugend, Stadtjugendring und auch die Grüne Jugend, der Partei Kalischs, fordern die Verwaltungschefin auf zu handeln. Sie kritisieren in einem offenen Brief Musikverbote von 21 Uhr an am Stint und auf der Mensa-Wiese der Uni. Auf der Juso-Seite ist zu lesen: "Wir erwarten, dass wir als junge Menschen aktiv in Prozesse miteinbezogen, und nicht nur durch Verbote aus dem öffentlichen Raum verdrängt werden. Es bedarf auch Orten ohne Konsumzwang, um gemeinsam in geselliger Runde den Abend in Lüneburg ausklingen lassen zu können." Der gesamte Brief hängt am Text.
Dort findet sich auch die STellungnahme von Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch im Wortlaut.
Laut Polizei war es am vergangenen Wochenende eher ruhig rund um die Kaufhausbrücke. Das liege wahrscheinlich auch an der Ferienzeit -- viele junge Leute seien gar nicht in Lüneburg.
Auch in Sachen Kultursommer engagiert man sich über politische Lager hinweg. Kurz: Es könne nicht sein, dass ein paar Anwohner, die sich gestört fühlen, ein kulturelles Fest für viele quasi verstummen lassen. Wie berichtet, hat Campus inzwischen Lärmgutachten vorliegen, die bestätigen, dass sich alles im gesetzlichen Rahmen bewegt. Campus hat sich zwar nach Alternativen umgeschaut, eine wäre der Flugplatz, doch die Macher sagen auch, der Standort am Fuße des Kalkbergs sei bewährt und gut: Es gibt Asphaltbahnen, über die Laster mit Technik und Co. rollen können, dazu Strom, Wasser- und Abwasserleitungen, zudem liege der Ort recht zentral, sei gut mit Rad und zu Fuß, aber auch mit dem Auto zu erreichen.
Andrea Schröder-Ehlers sagt für die SPD, ihre Fraktion wolle versuchen, gemeinsam mit der CDU eine Lösung zu finden, "dass es weiterläuft. Es hat sich ja herausgestellt, dass es für Anlieger gar nicht so störend ist, wie von der Verwaltung mitgeteilt". Darüber hinaus gelte auch mit dem Blick auf das Wasserviertel, "es ist schade, dass die Verwaltung so restriktiv agiert".
CDU-Fraktionschefin Monika Scherf sagt: "Der Kultursommer muss weiterhin möglich sein." Selbstverständlich müsse sich eine Verwaltung an gesetzliche Vorgaben halten, aber "dabei müssen wir die Kirche im Dorf lassen". Sie setzt darauf, dass "wir mit der Verwaltung zusammenarbeiten, wir stehen zum Kultursommer".
Ähnlich sieht es Vivienne Widawski, sie steht der Gruppe Linke/Die Partei vor. Wie Monika Scherf verweist sie auf mehr als 60 Zuschriften von Nachbarn an Campus, die sich für den Kultursommer aussprechen. Sicher müsse man die Anlieger im Blick haben, gleichwohl würden viele "vom Kultursommer profitieren".
Eike Freitag von der FDP plädiert ebenfalls für einen weiteren Kultursommer in 2023: "Wenn die Regularien eingehalten werden und die Veranstaltung genehmigt ist, müssen das Anwohner hinnehmen." Freitag, der mit Partnern einen Club an der Großen Freiheit nahe der Hamburger Reeperbahn betreibt, weiß um die Problematik im Wasserviertel und an anderen Orten. Auch er sieht einen Zusammenhang mit geschlossenen Discos wie der Garage und dem Vamos: "Die Frage ist, wo geht ein Club in Lüneburg? Wenn etwas qualitativ gut ist, würde es laufen. Da mache ich mir keine Sorgen." Die Stadt könne unterstützen, in dem sie beispielsweise, ein Anliegen der FDP, die Vergnügungssteuer streiche.
Es gehe grundsätzlich um eine Haltung im Rathaus: "Möchte ich es möglich machen oder nicht? Wenn die Stadt es will, wird es auch stattfinden. In Hamburg werden Veranstaltungen einmal geprüft und genehmigt. Dann laufen sie." Ob der Flugplatz als Festivalgelände taugt, bezweifelt Freitag. "Da wollten wir vor fünf, sechs Jahren etwas machen. Das ging wegen Vögeln nicht." Bekanntlich hat die unter Schutz stehende Haubenlerche dort für Bauten auf dem Uni-Campus ein Ausweich-Refugium erhalten.
Eben darauf macht auch der Fraktionschef der Grünen aufmerksam. "Der Luftsportverein hat uns in der Vergangenheit erklärt, was dort aus ökologischen Gründen alles nicht möglich ist", sagt Ulrich Blanck. Auch seine Partei wolle den Kultursommer unterstützen: "Wenn der Rummel dort jedes Jahr bis 23 Uhr und länger möglich ist, muss das für Konzerte auch gelten." Was alles möglich ist, müsse politisch diskutiert werden, auch in seiner Fraktion. Er ist sich allerdings sicher, dass seine Parteifreundin Claudia Kalisch und die Verwaltung hinter dem Kultursommer stehen: "Aber wir haben noch Sommerpause, danach wird es auch Rückenwind aus dem Rathaus geben." Aber selbstverständlich müsse alles "rechtssicher" sein.
Von der AfD gab es keine Antwort auf eine entsprechende Anfrage. Carlo Eggeling
Die Fotos (ca) zeigen Paul Reichwaldt und Max Giesler von Campus auf den Sülzwiesen und geben einen Eindruck aus dem Wasserviertel aus dem vergangenen Jahr sowie den Offenen Brief der Jugendorganisationen.
Der Text, den das Rathaus schickt, im Wortlaut:
Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch ist aktuell corona-bedingt nur eingeschränkt erreichbar. Sie lässt zum Offenen Brief ausrichten, dass sie das Thema durchaus schon aufgegriffen habe. So sind Studierende, ganz unabhängig von Parteipolitik und Presse, mit ganz ähnlichen Fragen direkt auf sie zugegangen. Mit diesen ist Frau Kalisch bereits im Gespräch. Daneben gebe es schon länger die Idee, eine größere Gesprächsrunde nach den Sommerferien, wenn alle wichtigen Akteur:innen wieder da sind, einzuberufen. Auch Vertreter:innen des offenen Briefes sind herzlich eingeladen daran teilzunehmen.
Zu den ganz praktischen Vorschlägen, die in dem Brief geäußert werden, verweist die Oberbürgermeisterin auf die jüngste Ratssitzung. Dort hat der Rechtsdezernent, Markus Moßmann, bereits einen Ausblick auf Möglichkeiten und Grenzen des städtischen Handelns gegeben. So sei man sich einig, dass Jugend Plätze braucht, wo sie sich aufhalten kann, wobei wichtig ist, dass es ein rücksichtsvolles Miteinander gibt. Und niemand könne der Verwaltung die Verpflichtung abnehmen, für die Einhaltung der gültigen gesetzlichen Vorgaben etwa in punkto Lärmschutz zu sorgen.
An einzelne praktischen Schritten sei die Verwaltung bereits dran, auch das habe Moßmann im Rat skizziert: Zusätzliche Mülltonnen und Sammelstellen für Mehrwegbehältnisse sollen aufgestellt werden. Schritt für Schritt könne man auch andere Punkte prüfen. Soweit zu kurzfristigen Schritte. Auch die mittelfristige Ebene habe man im Blick.
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