Lüneburg, am Donnerstag den 18.04.2024

LoCarlo: Lüneburger Gesichter

von Winfried Machel am 15.09.2022


Lüneburger Gesichter (34)
In einer lockeren Reihe stelle ich unbekannte Bekannte vor

Der Sound von Lemgrabe
Hans Seelenmeyer ist aufs Land gezogen, um ein Wohnprojekt zu verwirklichen. Aus einem Ziegenstall machte er einen Raum für Konzerte. Das nächste läuft am Sonnabend

Man muss es schon mögen, am Arsch der Welt zu leben. Lemgrabe. Ganz weit draußen zwischen Dumstorf, Seedorf und Dahlenburg, mit einem Bahnhof in Richtung Wendland und noch mehr menschenleerer Landschaft. Dafür jede Menge Natur. Ein Öko-Hof mit regem Treiben. Und Hans Seelenmeyer, der vor drei Jahren aus Lüneburg 23 Kilometer weit rausgezogen ist und nun eine Mischung aus Wohnprojekt und Bühne lebt. Am Sonnabend, 17. September, 19 Uhr spielen Mathis & Fabrice im Alten Ziegenstall. Ein Auftritt in einem ganzen Reigen von Kulturangeboten. Es wirkt ein bisschen, als besucht die weite Welt die Abgeschiedenheit.

"Lüneburg kommt mir vor wie ein überdachtes Altenheim", sagt Hans. Eben das habe er verlassen wollen. "Ich habe einige Zeit geguckt, in Dänemark zum Beispiel." Bornholm sei ein Herzensort. Schon mit dem Vater, Freunden und Familie ging und geht es seit Jahrzehnten dort hin. Aber das war es nicht. Lange Strecken zu Freunden und Familie. "Dann kam Lemgrabe, das ist nicht so weit weg von meinen Kindern. Und Dahlenburg war noch bezahlbar." Ein alter Resthof. "Ich habe viel selber gemacht, ich kann jetzt Mauern und Verputzen." Klar, auch Handwerker haben mit angepackt.

Gut 300 Quadratmeter Wohnfläche. Er hat Wohnungen eingerichtet, in einer Remise sollen noch zwei Appartements entstehen. Es muss passen mit dem generationsübergreifenden Wohnen, "mit Kind und Kegel", dem Bewirtschaften des 3100 Quadratemter großen Grundstücks mit Obstbäumen und Gemüsebeeten. "Es ist die Idee vom gemeinsamen Altwerden." Hans hat die 60 überschritten.

Doch es geht nicht immer auf. Ein Paar aus Hamburg sei eingezogen, arbeiten mit Laptop und Co im Grünen. Idyllisch. Langweilig, wenn die quirlige Metropole mit Cafés, Clubs und Coolness fehlt. "Die sind nach einem Jahr wieder gegangen. Zurück nach Hamburg.Die Bilanz: "Man kann sich nicht über den Bauern beschweren, die Familie ist seit 150 Jahren da, der Trecker ist laut, Hühner stinken. Ist so. Hier ruckelt es sich zurecht." Andere kommen. Die Zeit zeigt, ob sie bleiben.

Mit Kultur ist Hans aufgewachsen. Der Vater Kunsterzieher und engagierter Jugendpfleger, zehn Geschwister, Musiker, Fotografen darunter. Hans hat früh das Schlagzeug entdeckt, Lüneburger Bands. In einer der ersten hat er mit dem Gitarristen Massoud Godemann zusammen gedaddelt. Massoud gehört zu den besten Jazzern Hamburgs, neulich hat er mit einem Freund in Lemgrabe gespielt. "Für den Hut, wie alle."

Freunde und Wegbegleiter kommen aufs Land. Viele kennt Hans aus seiner Zeit in der Musikindustrie, damals als noch LP und CDs verkauft wurden. Noch heute verdient er bei Streamingdiensten Geld mit Musikrechten. Geht selbst fernab. "Es sind Wohnzimmerkonzerte, 30, 40 Leute." Mal draußen, mal im Ziegenstall, den Hans zu einem Übungs- und Tagungsraum ausgebaut hat.

"Alle sieben, acht Jahre ist Zeit für etwas Neues", glaubt er. Neben Arbeit für die Musikbranche hat er mit seinem Bruder Sven die Bonbon-Manufaktur gegründet und aufgebaut. Erst am Alten Kran an der Ilmenau, dann erweitert in der ehemaligen Bäckerei Fritzke am Spingintgut. "Acht Jahren waren das inklusive Vorbereitung. Ich habe 2017 gemerkt, das war's. Keine Lust mehr auf das versiffte Wasserviertel mit Dreck, zerschlagenem Glas, Erbrochenem, fehlenden Toiletten. Dazu neue Auflagen, Schwierigkeiten mit dem Personal. Ich war damit durch." Verkauf. Neues Projekt.

Musik und Lesungen. Das passt eigentlich gut hin nach jwd, janz weit draußen. "Das Wendland mit der Kulturellen Landpartie ist nicht weit weg, aber da ging zwei Jahre nichts wegen Corona." Es gebe zudem den Kunstraum Dahlenburg, den Kunstraum Tosterglope, das E-Ventschau von Steffen Thiele. "Hier wohnen viele Engagierte, die die Fahne hochhalten."

Es sind eben doch nur 23 Kilometer von Lüneburg. Bus und Zug rollen in die Weite. Schon die Fahrt macht etwas mit dem Reisenden. Es wirkt, als laufe die Zeit ein wenig langsamer, wenn am Fenster der Triebwagen Felder und Wiesen vorbeiziehen. Irgendwo Vieh auf der Weide steht, ein paar Rehe der Bahn nachblicken. Landpartie, Kulturpartie. Bands, die gegen und mit dem langsamen Takt der Abgeschiedenheit einen Rhythmus setzen. Vielleicht ist Hans angekommen. Vielleicht nicht, es geht nach sieben, acht Jahren wieder etwas Neues. Wie das so ist im Leben. Carlo Eggeling

Die Bilder zeigen Hans Seelenmeyer, den Ziegenstall vor und nach dem Umbau und weisen auf das Programm hin. Fotos: ca / Seelenmeyer

© Fotos: Seelenmryer


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