Lüneburg, am Montag den 18.08.2025

LoCarlo über Kommunikation auf Augenhöhe !?

von Winfried Machel am 04.08.2022


Von Idealen und Realität
Der etwas andere Umgang der Stadtverwaltung mit einer Anfrage zur Nachbesetzung einer Dezernatsleitung

Manchmal lohnt es sich, zurückzublättern und auf ältere Glaubenssätze zu schauen. Habe ich mal gemacht und eine gute Aussage der damaligen Oberbürgermeisterkandidatin Claudia Kalisch im Wahlkampf gefunden: „Damit sich was dreht.“ – spricht für sich. Ich stehe für einen kooperativen Führungsstil und Kommunikation auf Augenhöhe – mit allen: Den Mitgliedern des Rates und der Verwaltung und natürlich mit den Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt." Nun ist sie Oberbürgermeisterin und damit auch verantwortlich für die Pressestelle in ihrem Rathaus. "Kommunikation auf Augenhöhe", sicher eine Interpretationssache. Sie hat Urlaub und Corona. Mutmaßlich gingen meine Anfragen daher über den Tisch ihrer Stellvertreterin. Oder man kennt im Rathaus gar nicht, wofür die Chefin stehen möchte.

Der Blick zurück hat mit meiner Anfrage zu tun, wie es denn nun mit der Neubesetzung einer Dezernentenstelle ausschaut, die seit Monaten verwaist ist. In mehr als drei Jahrzehnten als Journalist in dieser Stadt bin ich gelinde gesagt verwundert, wie mit einem Anruf und der Bitte um Auskunft umgegangen wird. Das kenne ich so nicht. Ich kann mich gut an harsche Töne, gar einen brüllenden Oberbürgermeister erinnern. Aber es gab Antworten.

Jetzt hat sich was gedreht. Da nimmt die Führungsspitze offenbar das Interesse und damit das Recht der Bürger auf Auskunft nicht mehr ernst, wenn die Richtung missfällt und man versucht sich mal in Heiterkeit. Das bei einem Thema, bei dem man im Rathaus und auch die Oberbürgermeisterin Schiffbruch erlitten haben. Es geht um die Nachbesetzung der Sozialdezernentin. Eine sicher geglaubte Kandidatin, die als einzige antrat, zog im Juni überraschend ihre Bewerbung zurück -- kurz vor der sicheren Wahl und einem, wie die Oberbürgermeisterin mitteilte, "vertrauensvollen Gespräch" mit der Frau OB. Irgendwas lief dann da wohl anders, sodass es einen Rückzug aus persönlichen Gründen gab. Sei's drum. Leben bedeutet Veränderung.

Ich hatte damals eine Anfrage gestellt und ausweichende Antworten erhalten. Mehr als einen Monat später habe ich einen neuen Anlauf gestartet. Das Ergebnis gebe ich wider:

++ Die Frage: Die Stadt hat eine Agentur für die Suche der Nachbesetzung des Dezernats für Soziales, Bildung, Sport und nun zusätzlich Kultur eingeschaltet. Wie erfolgreich war die Agentur, nachdem eine von dort empfohlene Kandidatin auf den letzten Metern abgesagt hat? Wie geeignet ist die Agentur bei diesem Ergebnis? Damals hieß es, es gebe 30 Bewerbungen, kommt jemand aus diesem Pool in Frage? Übrigens waren es bei der Wahl davor 80 Bewerber. Auf der Seite der Agentur ZFM in Bonn findet sich die Ausschreibung weiter.

Die Antwort:
Die Hansestadt als öffentliche Verwaltung ist verpflichtet Ausschreibungen auch öffentlich zu machen. Die Ausschreibung läuft weiter, erscheint also deswegen auch weiter auf den verschiedenen Kanälen. Sie ist aber nicht neu.

++ Wie sieht es mit den Kosten aus, die von Insidern auf 60 000 bis 80 000 Euro geschätzt werden? Ist die Agentur verpflichtet, weitere Bewerber zu benennen? Wie viele Kandidaten und wie lange geht der Prozess?

Die Antworten :
Es gibt Vereinbarungen zum Preis, die weiter gültig sind.
So vielfältig die Bewerber:innen-Lage ist, so vielfältig sind auch die Gründe, die jeweils für oder gegen einzelne Bewerber:innen sprechen. Wichtig ist, dass wir uns die Zeit nehmen, um die Suche zu einem guten Ergebnis zu führen.

++ Bislang gab es eine Findungskommission, in der auch Vertreter des Rates saßen. Das soll nun anders sein. Ist dem so? Es geht um ein politisches Amt, keine reine Verwaltungsstelle. Die letzte Sozialdezernentin kam auf Vorschlagsrecht der Grünen in das Verfahren und wurde gewählt. Der Rat ist ja das entscheidende Gremium, welches der Verwaltung Aufträge erteilt. Wie ist die Politik nun eingebunden?

Die Antwort:
Das Vorschlagsrecht für die Besetzung liegt bei der Oberbürgermeisterin. Die neue Dezernatsleitung für Bildung, Jugend, Soziales und Kultur wird dann vom Rat für eine Amtszeit von 8 Jahren gewählt.

++ Gabriele Lukoschek leitet die Kämmerei, das Finanz- und Personalressort des Rathauses. Ihre Wahlzeit läuft im Januar aus. Frau Lukoschek kann andere Ziele haben oder der Rat möchte den Posten neu besetzen. Nach der Erfahrung, die Sie gerade gemacht haben, wie läuft das Verfahren für diesen Posten ab? Sollte es auch da Probleme geben, entstünde im Fall der Fälle die zweite Lücke in der Verwaltungsspitze, zumal Frau Lukoschek und Frau Kalisch im Moment das Sozialressort kommissarisch mitleiten.

Die Antwort:
Vielen Dank für die Erinnerung an die Zeitschiene. Wir haben diese durchaus im Blick.

Fazit. Bei der letzten Antwort höre ich das Gelächter im Rathaus. Nur eine Antwort ist das nicht. Auch die anderen Auskünfte sind ausweichend. Mit dem Anspruch einer "Kommunikation auf Augenhöhe" hat das kaum etwas zu tun. Journalisten fragen nach, um Bürger zu informieren.

Noch ein Zitat von Frau Kalisch aus dem Wahlkampf: "Bei allen Unterschieden in der Sache sind mir Respekt und Wertschätzung aller Menschen wichtig. Nur so kann es gelingen, am Ende gemeinsam etwas zu bewegen. Starre, hierarchisch strukturierte Verwaltungen bieten wenig Raum für tieferen Wandel. Umso wichtiger ist mir ein sinnstiftender und kooperativer Führungsstil."

Das hört sich wirklich klasse an. Aber es war Wahlkampf. Der ist vorbei. Nun haben wir die Regierungszeit. Da bleibt der Dichter Bert Brecht und sein Stück Der gute Mensch von Sezuan: "Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen // Den Vorhang zu und alle Fragen offen." Carlo Eggeling
Foto: ca

© Fotos: Carlo Eggeling


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