LoCarlo: Wird's besser oder schlechter? Rettungsdienstmitarbeiter in Sorge
von Winfried Machel am 04.10.2022Aufgrund eines Gutachtens sollen nachts in Lüneburg statt drei nur noch zwei Rettungswagen stationiert werden. Praktiker halten das für gefährlich. Der Landkreis sagt, letztlich werde das Angebot verbessert
Wer auf der Straße Dienst schiebt, kommt oft zu einer anderen Einschätzung als Fachleute, die aufgrund von Zahlen ein Gutachten schreiben. So läuft es gerade im Rettungsdienst in Stadt und Kreis. Dort stehen Änderungen an, Grundlage ist eine aktuelle Expertise. Die Kritik der Praktiker: Nachts sollen künftig in der Stadt nur noch zwei Rettungswagen stationiert sein, bislang sind es drei. Der Ausgleich, den die Wachen im Kreis im Fall der Fälle nach Lüneburg schicken sollen, brauche zu lange. Zudem seien dann die Regionen quasi "blank". Anders die Argumentation aus dem Kreishaus, die Behörde zeichnet für den Rettungsdienst (RTW) und Krankentransport (KTW) verantwortlich, Fachbereichsleiterin Sonja Sachse antwortet schriftlich: "Es werden sich die KTW- und RTW-Vorhaltestunden voraussichtlich erhöhen."
Regelmäßig beleuchten Gutachten die Versorgungslage im Rettungsdienst, um auf neue Herausforderungen zu reagieren. In der Vergangenheit wurden deshalb Wachen im Landkreis verlagert oder erweitert, weil Zahlen zeigten, dass sich der Bedarf verschoben hatte. Frau Sachse formuliert es so: "Der Rettungsdienstbedarfsplan wird im Landkreis Lüneburg nach den gesetzlichen Vorgaben regelmäßig fortgeschrieben. Im Bedarfsplan ist der notwendige Bedarf an Einrichtungen des Rettungsdienstes zur Sicherstellung des Rettungsdienstes im Rettungsdienstbereich darzustellen. Dazu gehören u.a. die für den Rettungsdienst erforderlichen Rettungswachen, eine Rettungsleitstelle einschließlich einer örtlichen Einsatzleitung und die Rettungsmittel. Die Fortschreibung des Rettungsdienstbedarfsplanes erfolgt unter Berücksichtigung eines externen Gutachtens."
Mehrere Kollegen aus dem Rettungsdienst bemängeln allerdings, dass die Gutachter vor allem die Corona-Zeit zu Grunde gelegt haben. "Da hatten wir aber viel weniger zu tun", sagt einer, der seit langen Jahren dabei ist. "Die Menschen hatten Angst, ins Krankenhaus zu gehen, weil befürchtet haben, sich dort zu infizieren." Ein anderer sagt: "Wir haben viele Nächte gehabt, in denen wir in der Bereitschaft durchschlafen konnten." Eben das hätte man vor Corona nicht erlebt und nun sei das auch wieder vorbei. Namentlich wollen sich die Beschäftigten nicht zitieren lassen, da sie Sorge vor Konsequenzen haben.
Aus dem Kreishaus heißt es, dass die Gutachter Zahlen über die Hochzeit von Corona hinaus ausgewertet hätten. In der Stellungnahme von Sonja Sache liest sich zudem der Satz: "Der Abschlussbericht dieses Gutachtens zur Bedarfsplanung liegt jetzt vor. Zurzeit organisieren wir die Umsetzung des Gutachtens." Das klingt danach, als ob es noch einige Änderungsmöglichkeiten bestünden. Daran haben die Praktiker allerdings Zweifel: Sie zeigen Pläne, wie die Wachen künftig mit Personal und Material belegt sein sollen. Diese Aufstellungen sein von ihren Chefs an die Mitarbeiter gegeben worden.
Die Kollegen sagen, sie begrüßen, dass der Krankentransport seit Anfang des Monats verstärkt wird. Das sei eine Reaktion darauf, dass ein privater Anbieter vor einigen Monaten Knall auf Fall gekündigt habe, die Rettungsdienste von DRK und ASB waren eingesprungen unter anderem mit Ehrenamtlichen. Im KTW fahren Mitarbeiter Patienten unter anderem zur Dialyse, verlegen sie in andere Kliniken oder bringen sie nach Hause. Manchmal, so heißt es, mit sehr langen Wartezeiten.
Kritisch sehe es im Rettungsdienst aus. Im Kreis bestehen vier Wachen, in Ellringen, Bockelkathen und Drögennindorf sowie im Amt Neuhaus. Es sei auch richtig, dass es in Drögennindorf für bestimmte Stunden künftig einen zweiten Rettungswagen geben soll, nämlich von Montag bis Sonnabend von 7 bis 19 Uhr. Freitags allerdings nur bis 15 Uhr und an Sonn- und Feiertagen sei der Wagen nicht besetzt. Aus ihrer Sicht geht es um die Zeit zwischen 23 und 7 Uhr morgens und da bestehe ein Mangel: "Das ist gefährlich."
Die Beschäftigten schildern es plastisch: Wenn sie nachts einen Patienten nach Hamburg verlegen müssten, seien sie Stunden unterwegs. Der Wagen fehle in der Stadt. "Wenn dann einer aus Bockelkathen oder 'Dröge' in die Stadt muss, ist der trotz Blaulicht zwanzig Minuten unterwegs", sagt einer. "Braucht ein Patient in Amelinghausen Hilfe, fährt beispielsweise ein Wagen aus Ellringen einmal durch den Kreis." Lange Wege, lange Zeiten, dramatisch etwa bei einem Herzinfarkt oder Schlaganfall.
Aus den Rettungsdiensten selber heißt es offiziell, das Gutachten sei die Grundlage. ASB-Geschäftsführer Harald Kreft sagt: "Dem vertrauen wir. Wir sind Dienstleister für den Landkreis, diese Aufgabe nehmen wir wahr." Bei Roten Kreuz erklärt Rettungsdienstleiter Christian Köller: "Das Gutachten basiert auf Daten", und umfasse eben nicht nur die Spitzenzeiten von Corona.
In anderen Gesprächen in der Vergangenheit hatten Verantwortliche allerdings auch erklärt, dass die Krankenkassen, die den Rettungsdienst bezahlen müssen, in Verhandlungen mit dem Kreis immer stärker versuchten, Kosten zu reduzieren. Eben darin vermuten die Praktiker auch jetzt den Grund für die Veränderungen. Aufs Geld zu achten, sei völlig richtig, sagt einer, aber er sorge sich um die Sicherheit für die Patienten. Carlo Eggeling
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