Lüneburg, am Sonntag den 25.05.2025

Lüneburg kann lustig

von Carlo Eggeling am 29.07.2023


Meine Woche
Real-Labor, Real-Satire

Als erstes möchte ich an dieser Stelle einen großen Dank aussprechen. Er gilt einem Mann, der in missliche Lage geriet, von der Feuerwehr gerettet wurde und der auf eine bis heute völlig unterschätzte Gefahr aufmerksam machte. Der Radler aus Bosten wollte durch das trockengefallene Bett der Elbe strampeln und steckte tief im Schlamm. All das erinnert an die Radlerin, die, wie sie selber einräumte, vor ein paar Jahren an der Ilmenau entlang fuhr, sich verschätzte und in Höhe des Behördenzentrums von der Kaianlage in den Fluss plumpste.

Sie sehen die Parallele? Ein Bauzaun schützt alle vor den Widrigkeiten -- das muss sich doch an der Elbe wiederholen. Was kann alles passieren, wenn jemand nicht vor unabsehbaren Folgen bewahrt wird. Ein Gitter von Böhmen bis Cuxhaven auf beiden Seiten des Stroms ist das Mindeste. Aber die Verwaltung will nichts tun. Ich habe im Kreishaus angerufen und nachgefragt. Die Antwort: "Es gibt keine konkreten Planungen für einen Zaun." Das geht doch nicht. Gibt es in Lüneburg Stadt und Land unterschiedliche Rechtssysteme?

Ganz anders in Amelinghausen. Da wurde eine angegammelte Schutzhütte am Kronsberg abgegrissen, die Landjugend baute unter großem Beifall binnen drei Tagen eine neue -- und sorgte für eine Umweltkatastrophe. Denn das neue Häuschen ist ein wenig größer, steht samt Bänken ein paar Meter vom alten Standort entfernt und besitzt ein Fundament. Nun könnten zwei Biotop-Typen berührt sein: "Sandiger Offenbodenbereich" und "Trockene Sandheide". Ich gebe zu, keine Ahnung, was der Unterschied ist, aber es klingt ziemlich wichtig.

Ich habe in Amelinghausen angerufen. Da sagt man: Die Hütte habe man ohne Genehmigung bauen dürfen, sofern sie öffentlich zugänglich ist, kritische Flächen seien ausgespart worden, im übrigen: "Da war doch vorher auch eine Hütte. Und wie ist es, wenn Sie in die Heide fahren oder in den Harz? Da gibt es mitten in Naturschutzgebieten Schutzhütten."

Nun haben wir hier Thomas Mitschke, engagierter und kundiger Naturschützer, der sogar mit Wölfen kuschelt. Der hat Anzeige erstattet: schlimmer Verstoß gegen den Naturschutz, zudem sei der "Nutzungsdruck vor Ort, den man nachfolgend generiert" nicht hinnehmbar. Mein Eindruck: Der Nutzungsdruck hängt eng mit Wetter und Wochenende zusammen, weniger mit der Schutzhütte. Übrigens erzählen Amelinghausener, wenn am Kronsberg gefeiert wird, presst der Nutzungsdruck diese Fläche gewaltig: als Parkplatz.

Es scheint sich ein neues Problem aufzutun: Durch die Veränderungen sollen sich seltene Bienen- und Wespenarten angesiedelt haben. Was geschieht, wenn alles wieder verschwinden muss? Die nächste Katastrophe?

Im Kreishaus muss Sprecher Dominik Gerstl die Lage verkaufen. Ein netter und hilfsbereiter Mann. Ich glaube ja des Öfteren, Pressesprecher macht nicht nur Spaß, wenn man Absurdistan erklären und verteidigen muss: Ja, es gebe einen Termin am 24. August, um die Beteiligten zum Gespräch zu holen und eine Lösung auszuhandeln. An der Schutzhütte? "Nein, im Kreishaus." Warum dort; vor Ort würden alle die Lage überblicken. "Die Beteiligten halten das Kreishaus für am sinnvollsten, um in den Akten nachzusehen." Entscheidungen wahrscheinlich -- passend -- am immerhin grünen Tisch. Ich vermute mal, wenn beide Seiten weiter wie Heideböcke aufeinander zurennen, landet der Unsinn vorm Verwaltungsgericht.

Toll ist immer Bürgerbeteiligung, interessant, wie sie im Rathaus definiert wird. "32 Interessierte haben sich aktiv an der Ideenwerkstatt zur Mobilität in der Lüneburger Innenstadt beteiligt", stand in einer Mitteilung. "Studierende und wissenschaftliche Mitarbeitende der Leuphana Universität, Personen aus der Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Politik, ARL (Amt für regionale Landesentwicklung) und Mitarbeitende der Hansestadt Lüneburg."

32 bei fast 80 000 Einwohnern. Die 32 erklären sich laut Rathaus so: "zwei Personen aus der Behörde, eine teilnehmende Person kam aus der Politik. 19 Personen kamen aus NGOs, sieben Personen von der Leuphana (sechs Studierende, ein wissenschaftlicher Mitarbeiter) und drei Personen aus der Wirtschaft. Somit waren insgesamt 29 Bürger:innen dabei." Die NGO, die Nichtregierungsorganisationen sind Verbände, die aus der Wirtschaft Vertreter der Standesorganisationen. Die Uni stellte den Raum. Der Normalo vom Kreideberg, aus Neu Hagen und Rettmer war augenscheinlich nicht da. Welche Bürger entwickeln was?

Das Ergebnis: "Die Themenvielfalt reichte von der Vision einer Lünebahn über flexible Kleinbusse und eine Selbsthilfe-Fahrradwerkstatt als Begegnungsraum bis hin zu Strategien zur Konfliktvermeidung aller Verkehrsteilnehmenden." Wow, das was man immer hört. Noch einmal die Pressemitteilung: "Der Geschäftsführer der Steuerungsgruppe „Resiliente Innenstadt Lüneburg“, Finn Kubisch, war von dem großen Interesse an der Veranstaltung beeindruckt: „Ich freue mich sehr, dass so viele Menschen an dem Workshop teilgenommen haben. Wir haben mit engagierten Akteur:innen einen tollen Austausch gehabt und gute Ansätze entwickelt, um die Mobilität in unserer Innenstadt weiter zu verbessern. Wir sind gespannt darauf, welche Ideen von den Teilnehmenden im Nachgang weiterentwickelt und anschließend als Projektsteckbrief in der Steuerungsgruppe eingereicht werden.“

Schön, dass wir mal drüber geredet haben. Vielleicht nicht mit denen, um die es geht. Wie wäre es, Strategien zu entwickeln, eben die zu erreichen? In Stadtteilhäusern, auf dem Thorner Markt, am ZOB und nicht abgeschottet in der Uni, in die mancher sich gar nicht traut? Kann es sein, dass Menschen, die hier zu Hause sind, anders empfinden als Studenten, die nach vier Semestern ins Ausland gehen und einen Projektschein brauchen?

Es gibt gar keinen Grund für Politikverdrossenheit. Die Uni macht so gern Real-Labore, Lüneburg kann in Stadt und Kreis total gut Real-Satire. Wir können immer wieder herzlich lachen. Carlo Eggeling

© Fotos: ca


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