Lüneburg, am Montag den 18.08.2025

Lüneburg — was für eine Bescherung

von Carlo Eggeling am 23.12.2023


Meine Woche

Arm, sexy und Bescherung



Die Stadt hat einen Haushalt, schöne Bescherung kurz vor dem Fest. Im Rat stimmten Grüne, CDU und FDP und somit die Mehrheit für das Konzept, dass nun genehmigt werden muss. 60 neue Stellen soll's geben, auch wenn gar nicht klar ist, ob man die besetzen kann. Knapp 50 Millionen Euro Defizit weist das Zahlenwerk für 2024 auf, zehn Millionen mehr als für 2023. Ratsfrau Christel John sagte für die CDU, sie habe erst nach langem Nachdenken und Beratungen zugestimmt: "Wir sollten künftig genauer überlegen, wofür Geld ausgegeben wird. Damit wir nächstes Jahr nicht wieder vor einem Dilemma stehen." So ähnlich hörte sie sich ein Jahr zuvor auch an. Mal sehen, was Frau John künftig sagen wird. Denn die Verwaltung prognostiziert für die kommenden Jahre weiteres Minus: für 2025 46,3 Millionen, für 2026 dann 38,8 und für 2027 schließlich 38,1 Millionen Euro.



Wir wollen positiv gestimmt sein, Weihnachten bedeutet Hoffnung, der Heiland kam in die Welt. Und mal ehrlich, wir leben in der schönsten Stadt der Welt, wer will da miesepeterig sein? Denken wir an Berlins Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit zurück, der Ende 2003 befand, das Geld-Thema sei nun wirklich leidig, Berlin sei "arm, aber sexy". Da kann Lüneburg ganz schön sexy werden. Das ist doch was. Wowi liebte Partys und Theater.

Illusionstheater kann Lüneburg auch. Bürgerbeteiligung heißt das gern gegebene Stück. Für einen sogenannten Bürgerrat stehen 25 000 Euro als Zukunftsinvestition im Etat, Sitzunggeld, Beratung, Material. Dafür soll das Gremium bei seiner offensichtlich wohlüberlegten Premiere Ideen entwickeln, was man im Glockenhaus künftig alles aufführen kann. Ganz schön sexy. Der Bürger als solcher engagiert sich gern für die Luftnummer: Ein Merkblatt für den mittelalterlichen Bau weiß, dass durch die Luft des Gemäuers Schadstoffe ziehen; in den oberen Räumen hält man sich am besten nur zwei Stunden pro Woche auf. Handwerker hatten das Skelett des Gebäudes vor einem halben Jahrhundert mit Holzschutzmittel getränkt. Die Stadt ließ vor zwanzig Jahren all ihre Mitarbeiter ausziehen, da die Sanierung Millionen kosten dürfte, deshalb steht der Kasten weitgehend leer.



Arm, aber sexy. Da sprühen bei den Bürgern jede Menge Ideen, was man alles für 120 Minuten so entwickeln kann. Etwa eine Runde Mensch ärgere Dich nicht.

Ein Vorgängerstück der Bürgerbeteiligung spielte auf dem Marienplatz. Was man alles aus dem Flecken zwischen Rathaus und Abbruchkante machen könnte. Holzhackschnitzel und Klangschale. Das Klima-Camp verwandelte den Parkplatz überdies in einen Zeltplatz mit Müllentsorgung durch die Stadt. Die "Zukunftsstadt" präsentierte vor zwei Jahren voller Elan ein Foto mit der damaligen Regionalministerin Birgit Honé und Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch für das Programm Resiliente Innenstädte, knapp vier Millionen Euro Fördermittel für Lüneburg. Leider nun doch nicht für den Marienplatz. Denn für eine Überplanung und Co. mangelt es dem Baudezernat an Kapazitäten. Gestrichen. Die Einsicht in die historische Notwendigkeit kann für den Bürger ungemein sexy sein.



Wir haben so manche Bescherung erlebt. Das Mobilitätsteam samt Politik drückt dem Wasserviertel dem Stempel auf verkehrsberuhigt. Da nutzen die meisten die Einbahnstraßen kreativ, nicht unbedingt regelkonform. Auf den Sülzwiesen gelten Vorgaben, die es für die Anwohner erträglicher machen und für Konzertbesucher so, dass sie sich trotz des Musikreigens auf der Bühne bestens unterhalten können, ohne die Stimme zu erheben. Ist doch gut, wenn Fans für einen rockigen Auftritt nach Luhmühlen oder Uelzen fahren, wo Verantwortliche den Lautstärkeregler offensichtlich großzügiger aufdrehen. Da lernt man das Umland kennen.



Gute Laune machen 14 Weihnachtsmärkte in der Stadt, Masken, Verweilzonen und Abstandsregeln sind fast vergessen, obwohl Corona grassiert. Die Stadtkonferenz des vergangenen Jahres ist ebenfalls vergessen, Wärmehallen brauchten wir nicht, weil die Energiekrise nicht so eintraf. Es gab und gibt Regen, wie gut für Böden und Grundwasser. Im Tagesspiegel habe ich gelesen, dass als ausgestorbene geltende Tierarten wie der Langschnabeligel und der Goldmull doch überlebt haben. Immerhin.



Meine Lüneburg-Bescherung gab es am Nachmittag. Mein jordanischer Friseur hofft, dass er seine Frau und die Kinder nach Lüneburg holen kann. Es geht voran, hat er mir mit dem Übersetzungprogramm auf seinem Handy gezeigt. Er macht gerade einen Deutschkursus, schwierig, aber er wolle die Sprache lernen, weil ja hier leben will. Schließlich hat er mir als Moslem "fröhliche Weihnachten" gewünscht, er hat es geübt. Das ist mein Lüneburg.



Weil bestimmt wieder Reaktionen folgen: Die vielen, die es denen da oben nur mal zeigen wollen und sich dusseligerweise als Protestwähler definieren, behaltet menschenverachtenden Blödsinn für Euch. Kurz mal an den Heiland denken, in dessen Namen das Land ja die nächsten Tage zusammensitzt. In diesem Sinne "Frohe Weihnachten". Carlo Eggeling

© Fotos: ca


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