Lüneburg, am Montag den 02.06.2025

Lüneburgs dunkle Seiten

von Carlo Eggeling am 21.03.2023


Rund 640 Mitarbeiter beschäftigt Polizeichefin Stefanie Lerche in den drei Landkreisen Lüneburg, Uelzen und Lüchow-Dannenberg. Bevor sie kürzlich auf den Stuhl Auf der Hude wechselte, war sie quasi Personalchefin der Polizeidirektion mit ihren acht Landkreisen. Deshalb ist eine bemerkenswerte Aussage, dass es ein Erfolg sei, in der Abteilung Forensik zwei neue Stellen zu schaffen. Zwei. Für IT-Spezialisten. Das sei mühsam gewesen, in der Vergangenheit habe das Land eher Personal abgebaut. Die Neuen sollen voranbringen, was für die Polizei mühsam ist: den Kampf gegen die Kriminalität im Netz verstärken und verbessern.

Am Dienstagmittag stellte die Polizei ihre Kriminalstatistik für die Region vor. Ein paar Schlaglichter.



Tatort Internet. Zum einen steigt die Zahl der Fälle der Cyber-Kriminalität an, das meint unter anderem Betrug, von 2021 auf 2022 von 244 auf 268 Fälle in der PI. Die Polizei verfolgt zudem auch den Handel und Austausch mit Kinderpornografie. Immer mehr Delikte, die in der Fläche verfolgt werden müssen. In den USA decken Behörden Strukturen auf, Informationen gehen an Bundes-und Landeskriminalämter weiter, die wiederum binden die lokale Polizei bei der Strafverfolgung ein. Lüneburgs Kripo-Chef Holger Burmeister sagt, dass er damit rechnet, dass durch die Arbeit der internationalen Kollegen rund 30 Prozent mehr Fälle zu bearbeiten seien. In diesem Bereich sei zudem eine Ermittlungsgruppe eingesetzt, die Daten auswerte, es dauere noch, bis man Ergebnisse präsentiere.



Intern hat die Behörde sich schon unter ihren alten Chefs umstrukturiert und Abteilungen mit insgesamt 22 Kollegen im Kommissariat Forensik unter der Leitung von Ines Stellberger gebündelt. Es geht weiter um klassische Tatortermittlung, aber eben auch darum, Daten auszuwerten. In Computern finden Ermittler abertausende Filme und Fotos. Daten im Tera-Bereich, zum Vergleich ein Tera-Byte das würde dem Inhalt von weit mehr als 800 000 Büchern entsprechen. Handys verraten, wer mit wem in Chats verbunden ist, wer mit wem telefonierte, wo man sich aufhielt. Ähnliches gilt für Datensysteme in Autos oder beispielsweise Smart-Watches.

Mitarbeiter zu gewinnen sei nicht einfach, räumt Stefanie Lerche ein. "Mit dem, was in der Wirtschaft gezahlt wird, können wir nicht mithalten." Man setze auf ein gutes Team und familienfreundliche Bedingungen. Ob das reicht, die Besten zu gewinnen?



Zu einigen Zahlen im Kreis Lüneburg. In den vergangenen Jahren hatten Corona und viele Beschränkungen Auswirkungen auf die Kriminalität. Zählte die Polizei 2021 insgesamt 11 915 Taten, waren es 2022 rund 800 mehr. Die Aufklärungsquote ging leicht zurück, liegt bei gut 63 Prozent.



Die Zahl der "Straftaten gegen das Leben" verdoppelte sich auf 20. Allerdings, wie es im Polizei-Deutsch heißt, nur zwei vollendete. Allerdings kein Mord, so starb ein Mann bei Baumfällarbeiten. Das Delikt: fahrlässige Tötung. In Scharnebeck kam es im vergangenen Frühjahr zu einem versuchten Mord: Ein Mann drang ins Haus der Schwägerin seiner Ex ein, schlug ihr mit einem Hammer gegen den Kopf. Das Opfer überlebte. Hintergrund der Attacke soll eine Räumungsklage gewesen sein. In Lüneburg nicht erwähnt ein dramatischer Fall aus Bardorf im Kreis Uelzen: Dort hatte ein 85-Jähriger vergangenen Juni bei einem Nachbarschaftsstreit eine Ehepaar und dann sich selbst erschossen.



Eine Zunahme um rund 27 Prozent auf 1488 Taten verzeichnet die Statistik bei Rohheitsdelikten, also etwa Körperverletzung. Schlägereien und Raub zählen dazu. Wenn draußen wieder mehr möglich ist, kann man auch eher aneinander geraten. Oftmals spielte Alkohol eine Rolle. Bei den Sexualdelikten ging die Zahl um 18 auf 293 Fälle zurück. Darunter aber Delikte von Sexting, also dem unter Jugendlichen verbreiteten Versenden und Empfangen selbstproduzierter, freizügiger Aufnahmen mit dem Smartphone.



Die Zahl der Einbrüche sank erneut, von 178 auf 152 Fälle, hier sieht die Polizei einen Erfolg ihrer Präventionsarbeit, Menschen schützen Wohnungen und Häuser besser. Ein üppiges Plus bei den Kfz-Aufbrüchen um 61 auf 215 Delikte. Der Hintergrund: Ein Mann soll allein für 150 Taten verantwortlich sein. Seitdem er in U-Haft sitzt, herrscht fast Ruhe.



Bei den Fahrraddiebstähle gab es eine Zunahme um knapp 230 auf gut 1300 Fälle. Gern genommen E-Bikes. Interessant die Episode: Ein Jugendlicher aus Hamburg wurde mehrmals beim Klauen von Velos in Lüneburg und Uelzen geschnappt. Lüneburg erließ ein Aufenthaltsverbot gegen den Minderjährigen. Inzwischen sitzt er wegen anderer Delikte in Hamburg in Untersuchungshaft.



Erfolge verbuchte die Polizei bei ihrem Vorgehen gegen den Drogenhandel. Die vielen Kontrollen -- wie auch heute wieder -- in der Stadt sollen nicht nur den Kleinhandel unter Wind halten. Die Polizei erfährt so einiges über die Strukturen der Dealer. Die Erkenntnisse fließen ein in die Arbeit einer Ermittlergruppe, die im Hintergrund Strukturen ausleuchtet. Mehrmals schlugen die Beamten in den vergangenen zwei Jahren zu, um an Händler heranzukommen, die im Kilobereich Marihuana, Kokain und Amphetamine absetzten. Aktuell stehen zwei Männer vor dem Landgericht, die zu den Köpfen der Szene zählen. Bleibt die zuständige Kammer ihrer Linie treu, dürften am Ende mehrjährige Haftstrafen stehen.



Veränderungen habe es gegeben, da das Land Strukturen der Justiz verändert habe. Hannover richtete Schwerpunktstaatsanwaltschaften gegen sogenannte Clan-Kriminalität ein, unter anderem in Stade. Die Ankläger arbeiten eng mit den Ermittlungseinheiten der Polizei zusammen und die wiederum mit anderen Behörden wie der Steuerfahndung. Man wolle die Drogenhändler "nachhaltig verunsichern", sagte Burmeister. Das sei gelungen. Allerdings, auch das gehört zur Wahrheit, die Lücken schließen sich schnell.

Die Bekämpfung der Clan-Kriminalität findet zudem ganz profan im Alltag statt: Aggressive junge Männer, die in großen Autos gern über den Sand fahren und bei Kontrollen sehr martialisch auftreten, werden gestoppt. Die Vorgesetzten lobten die Streifenbeamten, die Ruhe bewahren und gegen Respektlosigkeiten vorgehen nach dem Motto: Regeln gelten für alle. Carlo Eggeling

Die Fotos zeigen eine Durchsuchung in der Innenstadt, Polizeichefin Stefanie Lerche in Holger Burmeister sowie die Leiterin des Kommissariats Forensik, Ines Stellberger.

© Fotos: ca


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