Lüneburg, am Montag den 19.05.2025

Lüneburgs neues Leuchten an der Ampel

von Carlo Eggeling am 17.05.2025


Meine Woche
Ampelmännchen

Wenn ich Isabelle Ankauf von Gold treffe, rattenscharf als Dragqueen zurecht gemacht, nehmen wir uns in den Arm. Eigentlich heißt Isabelle Eike Kuhse, ist Künstler, der berührende preisgekrönte Bilder malt, und sein Geld in einem ganz bürgerlichen Job verdient. Eike-Isabelle ist eines der schönen Gesichter des queeren Lüneburg, also derer, die sich anders als die meisten definieren. Dirk Ahrens, Mann für alles im Paul-Gerhardt-Haus, gehört dazu, er organisiert mit anderen die Wahl des Schwulen Heidekönigs. Alexander Tesmer, der Schwuler Heidekönig war, übte sein Amt politisch aus, klug und kritisch, Eric Böttcher, aktuelle Majestät, engagiert sich seit Jahren, um Anliegen öffentlich zu machen. Beide arbeiten im öffentlichen Dienst. Und und und. Viele Leute. So gut, so normal.

Jeder von ihnen hat irgendwann gemerkt, dass er anders liebt. Es dauert, das zu akzeptieren, es dauert, es anderen zu sagen, es öffentlich zu leben. Ein paar Coming outs kenne ich, ich bewundere sie für ihren Mut, ich mag sie sehr, weil sie sich dafür einsetzen, so zu leben wie sie es wollen, wie es selbstverständlich ist.

Fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung definieren sich -- je nach Quelle -- als queer, meint schwul, lesbisch, trans und so weiter. Es ist alltäglich. Toleranz ist das Mindeste, Akzeptanz wäre angemessen, kein Gewese darum zu machen, normal. Weil die Welt allerdings nie so ist, wie sie sein sollte, werden meine Freunde beschimpft, andere angegriffen und verprügelt. Völlig daneben. Deshalb ist es gut, dass es den "Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit (IDAHOBIT)" gibt, der heute gefeiert wird. Ich habe die Jungs auf dem Markt bei einer Currywurst getroffen auf dem Weg zur Feier.

Lange Vorrede, bisschen besinnlich, ich weiß. Aber kein Sonnenaufgang ohne Morgenröte. Denn nun wird's lustig. Der grüne Ratsherr und Landtagsabgeordnete Pascal Mennen hat für seine Fraktion den Antrag gestellt, "Ampelpaare in verschiedenen Geschlechterkombinationen einzusetzen". Das soll Mut machen, denn "Studien zeigen deutlich, dass insbesondere junge queere Menschen ein Outing lange verheimlichen und dass die daraus resultierende Unsichtbarkeit der eigenen Identität schwere psychische Folgen hat".

Ok, eine "Lichtzeichensignalanlage" besitzt demnach therapeutische Kräfte; schaltet die Ampel auf grün, ist Zweiflern klar, mein Weg ist richtig? Für den "Queer-Sprecher in der Stadtratsfraktion" schon. Die LZ zitiert Mennen: „Mir selbst hätten solche Zeichen in meiner Jugend sehr geholfen, mich anerkannt und respektiert zu fühlen und mich dadurch schlussendlich auch selbst akzeptieren zu können.“ Was eine grüne Leuchte so alles vermag.

Das muss man zu Ende denken, Dicke erhalten per Ampel Abnehmsignale; Rassisten bekommen signalisiert, dass ihre Haltung Blödsinn ist; wer faul ist, braucht keinen Druck vom Arbeitsamt, sondern Motivation durch die Ampel. Die gibt es natürlich immer bei Grün. Doch Moment mal. Erleben wir verdeckten Wahlkampf? SPD-Rot steht für Stillstand, FDP-Gelb fürs zögerliche Sowohl als auch? Im Herbst nächsten Jahres haben wir Kommunalwahlen. Entschuldigung, war Grünen-Bashing.

Wie wär's mit Leuchtsignalen ans Rathaus: Plant nicht alle Baustellen parallel. Oder: Könnt ihr aus einem Dialograum einen Raum machen, in dem die, die der Sozialstaat nicht erreicht, einen Dialog führen statt promillestark am Sand anstrengend zu sein. Oder: Könnt ihr nicht den Glockenhof, letztes Jahr bereits eine aufgewühlte Sandkiste, als Dauerbaustelle endlich abschließen, an dem seit Anfang Mai ohne erkennbares Wasserspiel-Ergebnis einsam Bauzäune Wege blockieren.

Kann es sein, dass andere Themen diese Stadt umtreiben und die Grünphase nur bemüht bis beliebig wirkt? Wenn man in Landau in der Pfalz in Richtung Zoo geht, zeigen an Ampeln Kamele dem Flaneur, ober er gehen oder stoppen muss. In Flensburg habe ich ein verliebtes Paar gesehen. In Schwerin spukt das Schlossgespenst, in Friedberg schwingt Elvis die Hüften, in Mainz leuchten Mainzelmännchen. Trier erinnert mit einem Augenzwinkern an den rauschebärtigen Karl Marx. Dessen Ideen verändern die Welt bis heute. Ein Lächeln, die Welt ist bunt.

Viel Aufhebens für eine Selbstverständlichkeit. So oft wie der Rat ohne Diskussion bei wichtigen Themen nur die Hand hebt -- machen und gut ist. Dabei und auch fürs Wochenende an den Bauhaus-Architekten Walter Gropius denken: „Bunt ist meine Lieblingsfarbe.“ Carlo Eggeling

© Fotos: ca


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