Lüneburg, am Sonntag den 19.10.2025

Machen, machen, machen

von Carlo Eggeling am 18.10.2025


Meine Woche
Stimmungsaufheller


Einfach machen, das haben Tanja und Davide heute Nachmittag gezeigt und gelebt. Die beiden betreiben zwei Eisdielen, eine im Wasserviertel, die andere an der Nicolaikirche. Die Winterpause steht an, sie wechseln nach Sizilien. Abschied von Kunden und Freunden. Ein Fest, zwei Sänger machen Musik von Oper bis Eros Ramazzotti, Antipasti. Ein paar Stunden gute Laune. Jede Menge Leute bleiben stehen, wippen mit, freuen sich. Lüneburg leicht und launig.

Initiative. Toll. Was für ein Vorbild. Wie wäre es jetzt mit einem Lichter-Abend zum Einkaufen? Windlichte in Papiertüten in den Gassen vor den Geschäften. Wie wäre es mit einer langen Tafel vieler Kneipen wie vor Jahren auf der Heiligengeiststraße. Wie wär's, Frau Lansmann von der Lüneburg Marketinggesellschaft, wie wär's, Heiko Meyer vom Lüneburger Citymanagement, wie wär's, Mathias Schneider von der Stabsstelle der Stadt, mal so etwas anzuschieben?

Die Stimmung bei vielen zwischen Bockels- und Zeltberg fällt nicht heiter aus. So wabert eine Gemengelage von zu wenig Parkplätzen, Dreck, zu vielen Saufnasen, leeren Läden. Das Dagegenhalten bringt augenscheinlich wenig, auch wenn es einen im Rathaus gibt, der immer wieder Lücken in Parkhäusern fotografiert, dann erleben wir die, die Mathematik so kreativ verstehen, dass sie uns vorrechnen, dass 50 Leerstände eigentlich weniger sind als die 40 ein Jahr zuvor. Die Polizei belegt, dass sie weniger Einsätze am Sand verzeichnet, als noch vor Jahren.

Ach ja, Dreck, nicht mehr als in der Vergangenheit. Denn die Kollegen der Stadtreinigung erledigen einen guten Job, um die Folgen der Nächte verschwinden zu lassen.

Bleiben wir beim Gefühl. Kennen Sie bestimmt, man schreibt einen Text, drückt einen falschen Knopf und alles ist weg. Scheiß Technik. Allerdings liegt der Fehler bei dem, der an der Tastatur sitzt. Das Gefühl sucht Schuld gern anderswo, Fakten stören.

Im Spiegel stand jetzt ein Beitrag zum Demokratischen Faschismus, der Begriff klingt widersinnig, beschreibt jedoch packend verkleisterte Weltbilder. Grob zusammengefasst, die Demokratie wird umgedeutet zu einer Gemeinschaft der "Normalen und Einheimischen", die Minderheiten ausgegrenzt, ein Schutz wie jetzt gilt künftig nicht mehr. Der Stärkere muss sich durchsetzen.

Dazu kommt das Gefühl von "Fremdbestimmtheit", man empfindet sich als reglementiert, Gendern, Flugscham, das Schnitzel als Tiermord und Klimakiller, Zuwanderung und Diversität als Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt, die andere bevorzugt, obwohl man gefühlt der Bessere ist. Die Diskussion um diese Themen wirkt oft irrational. Die Wissenschaftler bilanzieren: "Unsere Interviewpartner sind uns mit viel Zynismus begegnet, sobald wir ihnen mit Fakten und der Wahrheit gekommen sind. Wer glaubt, er werde übervorteilt, der ist nur schwer davon abzubringen." Der Computer hat Schuld, nicht mein Unvermögen. Gefühl statt Fakten.

Warum dieser Ausflug? Wer davon spricht, man solle nicht alles schlecht reden, muss gute Geschichten dagegensetzen. Parkplatz-Fotos und das Mantra des glücklich Radfahrers dürfte kaum die überzeugen, die damit leben müssen, dass der Bus kaum oder gar nicht fährt, steigende Zulassungszahlen sprechen nicht dafür, dass man sich massenhaft vom Auto verabschiedet.

Man könnte positive Geschichten schreiben. Davon, dass es vier Parkhäuser mitten in der Stadt Platz bieten, Karstadt, Nordlandhalle, Vierorten, Graalwall. Dort könnte man günstige Tarife anbieten, man könnte über den inneren Ring einen Shuttlebus rollen lassen, der auf Zuruf Ein- und Aussteigen ermöglicht. Man könnte den Radspeicher am Bahnhof sicherer machen, sodass nicht ständig Velos geklaut werden. Eine Parkhaus-Etage als Radspeicher in der Stadt, E-Bike tauglich und sicher. Man könnte endlich Sozialcontainer in einem Park oder am Lambertiplatz aufstellen, um zumindest zu zeigen, dass es mehr gibt als Reden und Vertagen. Es gibt keine Null-Lösung, denn Menschen verschwinden nicht, nur weil man ihnen bestimmte Areale wegnimmt. Sie wandern. Der moserne Einzelhandel könnte sich mit Aktionen beteiligen, um Lust auf Stadt zu machen.

Handeln könnte die Gefühlslage verändern. Beeindruckend, wer Fakten schafft, ändert etwas. Das schafft bessere Laune. So wie Tanja und Davide. Eine Idee umsetzen mit Freude und Einsatz. Hebt die Stimmung ganz ungemein. Danke.

Wusste übrigens auch der Mann, dessen Bücher von den Nazis verbrannt wurden, der analysierte und literarisch eine leuchtende Welt erschrieb – selbst in finsterster Zeit. Erich Kästner: "Es gibt nichts Gutes, außer man tut es." Gutes Wochenende. Carlo Eggeling

© Fotos: ca


Kommentare Kommentare

Kommentar von Arno Nühm
am 19.10.2025 um 01:14:48 Uhr
So isses!
Kommentar von Natascha
am 19.10.2025 um 06:33:10 Uhr
Ganz toll geschrieben! Und: Ja!!

Diesen Artikel sollten wir alle an die Angesprochenen senden.


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