Man muss es heiter nehmen — die Woche
von Carlo Eggeling am 16.09.2023Meine Woche
Ein gewisser Witz
Wenn man abends die Nachrichtendamen Slomka, Miosga und Co. sieht, geht's so fröhlich zu wie auf einer Station für Gemütskranke. Ukraine, Waffen, Inflation, Rechtsruck. Alles schlimm, keine Frage. Aber es scheint doch eine Frage der Perspektive. Es gibt so viel Lustiges, wenn die Welt schon ständig untergeht, dann bitte mit einem Lachen. Lokal bekommen wir das hin.
Der nächste Laden an der Bäckerstraße schließt. Der Mann, der kein Geschäft mehr in Lüneburg und nach meinem Wissen auch keine Wohnung mehr hier besitzt, gleichwohl Sprecher des ausgemergelten Handels sein soll, Heiko Meyer, spricht vom nächsten "Todesstoß" für Lüneburg. Sterben kann man gemeinhin nur einmal. Ein Stoß und hinfort. Wie viele Tode stirbt die City? Geht es, kriminologisch betrachtet, um eine Übertötung?
Klar, die Mieten sind zu hoch. Möglicherweise ist Meyer deshalb nicht mehr in der Stadt vertreten. Dann fordert er, Verwaltung und Stadt müssten etwas unternehmen. Hört sich gut an. Noch einen Arbeitskreis, dessen Ergebnisse nicht umgesetzt werden? Was macht er eigentlich mit seiner LCM? Vier verkaufsoffene Sonntage sind der Hammer. Mehr geht wirklich nicht. Außer gern Hände schütteln, raunen, wie schlimm alles ist und sich gefühlt noch einmal auf eine Oberbürgermeisterwahl vorzubereiten. Zumindest in der Rubrik Kalauer ist das einen Schenkelklopfer wert.
Wo wir schon bei der Kriminalistik sind, noch eine Erkenntnis. An der Unteren Schrangenstraße hat sich angeblich die Drogenszene eingenistet und klaut. Steht in der Zeitung. Auch hier darf man lächeln, ungläubig. Wer den Polizeibericht verfolgt, kommt zum Schluss, Ladendiebstahl betrifft die gesamte Stadt. Das ergibt auch ein Anruf bei der Polizei, vorsichtshalber, kann sein, dass ich anderswo lebe als die Kollegen. Aber gut, dass es laut Zeitung Hilfe gibt. Wenn man einen Streetworker der Diakonie anruft, verspricht der, sich um Abhilfe zu bemühen. Wahnsinn, dass Junkies unter Suchtdruck auf ihn hören. Der Mann kann offenbar vieles, zaubern auch? Da dürfen wir glücklich lächeln.
Beeindruckend, dass die Oberbürgermeisterin andere niedersächsische Oberhäuptinnen eingeladen hatte, die sich einig sind, für Frauen in Führungspositionen müsse mehr getan werden. Bestimmt. Lüneburg ist, jetzt nicht lachen, beispielhaft: Zwei Stellen von Dezernentinnen wurden von der Oberbürgermeisterin in einem von ihr als ausreichend transparent empfundenen Verfahren mit Männern besetzt -- weil es angeblich keine qualifizierten Bewerberinnen gab. Das feministische Leben ist ab und an gemein. Da nun der Chef des Ordnungsamtes geht, naja, mal sehen.
Tränen in den Augen haben wir, vielleicht nicht jedes Mal vor Lachen, wenn wir auf Busse und Bahn schauen. Verkehrswende klingt so altbacken, wir sprechen heuer von Mobilitätswende. Vielleicht meint das Stillstand. Metronom und KVG fehlt Personal, deshalb dünnten sie den Fahrplan aus, um verlässlicher zu sein. Sind sie: Es fährt verlässlich wenig, andauernd bleibt der Kunde an der Haltestelle stehen oder muss mit Verspätungen vegetieren. Mehr als 5000 Fahrten seien ausgefallen, bilanziert das Busunternehmen. Seit Jahresbeginn. Jetzt verstehe ich auch, warum die Stadt mit einem 40-Millionen-Defizit im Haushalt noch einmal Geld, das sie nicht hat, in das Leihradsystem der Bahn steckt. Kein Zug, kein Bus, da kann man sich abstrampeln. Zumindest wenn's bergab geht, lächelt man.
Toll wird der geplante Bahnausbau Richtung Soltau. Betzendorf und Soderstorf sollen keinen Halt abbekommen oder man streicht den in Rettmer. Vielleicht erleben wir die feine Ironie der Wendeplaner. Aber wir erinnern uns: Fahrrad geht auch. Was glauben Sie, wie lustig es wird, wenn der Landkreis mit eigener Nahverkehrsgesellschaft den Spaß übernimmt. Was man sich politisch im Kreistag so alles zutraut, haben wir beim Bau der Arena erlebt. Nur Miesmacher sehen immer das Negative. Da war zumindest in der Politik viel Bewegung zu erkennen.
Auch der Streit um die Schutzhütte in Amelinghausen köchelt weiter. Juristisch ausgetüfftelt und samt fotografischer Auswertung von Jahreszeit und Vegetation. Samtgemeindebürgermeister Christoph Palesch treibt den Landrat und dessen Crew der wackeren Öko-Streiter weiter vor sich her. Nur wenige verstehen, warum eine verschwundene Bretterbude zuvor niemanden interessierte, der Neubau ein paar Meter weiter hingegen eine Öko-Katastrophe sein soll. So geht Volkstheater. Derb und lustig wie von Ludwig Thoma aufgeschrieben.
Großen Spaß dürfte uns der neue Seniorenbeirat der Stadt versprechen. 78 Betagte bitten um Stimmen, man hat das Gefühl, alle Oldies der Stadt möchten in das Gremium. So viele Bewerber gab es wohl nie. Darunter der ehemalige Oberbürgermeister und viele, die mal im Rat saßen oder sonst in Parteien das ein und andere sagten, was verhallte. Es scheint so eine Art zweites Stadtparlament werden zu wollen. In einigen Ausschüssen hat die Rentnerband Auftrittsrecht, gremiengestählt, da kann manches Solo auf Verwaltung und Politik zukommen. Ich rechne mit Sarkasmus, Satire und Slapstick.
Eine heitere Woche also, wie schön, dass wir leicht ins Wochenende gehen, und regnen soll es auch nicht. Was will man mehr? Carlo Eggeling
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