Lüneburg, am Montag den 18.08.2025

Man weiß, was man wählt

von Carlo Eggeling am 08.07.2023


Meine Woche
Bekloppt & heiter

Man muss zuerst das Positive sehen, wenn laut Umfragen zwanzig Prozent die AfD für eine Alternative halten, sehen es achtzig Prozent anders. Gruselig ist es trotzdem. Wer gibt Dauernörglern und Lautsprechern ohne Konzept seine Stimme? Im Spiegel war neulich ein Stück zu lesen über den Bürgermeisterwahlkampf in Schwerin. Der AfD-Mann hatte nichts zu bieten, räumte ein, dass er kaum etwas ändern könne, weil beispielsweise Fragen um Zuwanderung, Asyl und Polizei von Bund oder Land entschieden werden, trotzdem erhielt der Kandidat der AfD mehr als 30 Prozent der abgegebenen Stimmen. Für was bloß?

Ich habe mich neulich mit einem Sportkumpel beim Hanteltraining unterhalten. Der Mann ist Sozialarbeiter, in den mittleren Jahren, Mittelstand. Er wähle nicht die AfD, aber verstehen könne er es: Das vermurkste Heizungsgesetz würde ihn bei Umbauten in seinem Haus gut Hundertausend kosten: "Habe ich nicht. Soll ich die Hütte verkaufen?" Das Hickhack um eine Gaspreisbremse, dann gestiegene Energiepreise, Subventionen für Unternehmen, die viel Strom brauchen, damit sie wettbewerbsfähig bleiben, Deutschland schaltet Gas-, Kohle- und Atomkraftwerke ab, China baut neue Meiler. Inflation. Waffen in Massen für die Ukraine, waren die Grünen nicht mal Anti-Kriegspartei? Der Mann hat auch mit Flüchtlingen zu tun, eine Menge seien "klasse Jungs, aber nicht alle". Das anzusprechen sei schwierig, man stehe sofort im rechten Lager.

Wer ein bisschen unterwegs ist, hört das, was Meinungsumfragen in Zahlen gießen.

Und die Verantwortlichen spielen Schwarzer Peter: Die Politik bezichtigt sich gegenseitig, Medienvertreter meinen, sie machen alles richtig. Auch wenn ihnen die Leser den Rücken kehren, weil sie andere Sorgen haben als die Dauerbeschallung von nötiger (nicht funktionierender) Verkehrswende und angeblichem Rassismus, sich Zuhörer und Zuschauern vom Gender-Sprachstolpern in den Nachrichten genervt fühlen. Haben wir keine anderen Probleme?

Auf all das hat die AfD keine ernstzunehmenden Antworten. Ausländer raus? Jeder vierte besitzt Wurzeln als Zuwanderer. Wie wollen wir in Pflege, Handwerk und Gastronomie ohne Einwanderer zurecht kommen? Den Klimawandel gibt es nicht? Die Wissenschaft sagt etwas anderes, über Details kann man unterschiedlicher Meinung sein. Man darf nicht alles sagen? Die AfD und ihre Mitläufer sagen ständig Unsägliches. Zurück in die Vergangenheit? In welche.

Manche fühlen sich an die Weimarer Republik erinnert, an das Ende der Demokratie. Erich Kästner hat 1932 ein "Marschliedchen" geschrieben. Die letzte Strophe meint die Nationalsozialisten. Doch nachdenlich stimmt sie auch heute:

Wie ihr's euch träumt, wird Deutschland nicht erwachen.
Denn ihr seid dumm und seid nicht auserwählt.
Die Zeit wird kommen, da man sich erzählt:
Mit diesen Leuten war kein Staat zu machen!

Mit ihnen ist kein Staat zu machen. Wer sie wählt, ist nicht unbedingt ein Nazi, aber er gibt seine Stimme Männern und Frauen, die mit Rechtsextremisten auf Du und Du sind. Wenn nicht mehr. Das kann keine Alternative für Deutschland sein. Schon der Anstand verbietet, sich mit Gemeinen gemein zu machen.

Aufregung gibt es um die die anmaßenden Vertreter, die sich letzte Generation nennen. Die wollen am Sonntag ein "Training" im Liebesgrund veranstalten. Was für eine namentliche Bühne für eine so konträre Angelegenheit. Das gehe gar nicht, meinen einige. Sie sehen die "Klimakleber" als Vorstufe zum Terrorismus. Was ein großer Unsinn ist. Um ihnen zu begegnen, reicht der Rechtsstaat völlig aus. Sowie die Einstellung des Kanzlers, der die Patex-Truppe für "bekloppt" hält.

Wer von neuer Qualität spricht, hat ein schlechtes Gedächtnis: Atomkraftgegner probten vor Castortransporten regelmäßig, wie sie sich auf Schienen und Straßen setzen sollten und auf die Polizei reagieren sollten. Nix Neues also. Von der Polizei heißt es auf Nachfrage erwartungsgemäß nüchtern: "Wir haben das im Blick." Kann ja sein, dass es nach dem Training eine erste praktische Übung auf der Reichenbach-Kreuzung gibt. Reine Spekulation.

Am Ende bleiben wir heiter. Was bleibt uns übrig? Mit Karl Valentin wissen wir schließlich: "Früher war selbst die Zukunft besser." In diesem Sinne gutes Wochenende. Carlo Eggeling

© Fotos: ca


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