Mehr Ordnung durch Ordnungsdienst
von Carlo Eggeling am 23.08.2024Der Oberbürgermeisterin ist ein politischer Aufschlag gelungen: Claudia Kalisch kündigte im Rat an, dass sie den Ordnungsdienst der Stadt gern aufstocken und ihm mehr Kompetenz zubilligen möchte. Angesichts von gefühlt mehr aggressiv auftretenden Drogen- und Alkoholabhängigen im Stadtbild, dazu psychisch auffällige Menschen und scheinbar obdachlose Bettler, dürfte ihr Applaus sicher sein. Es gebe viele Beschwerden bei der Verwaltung, sagte die OB. Es sei Zeit zu handeln, auch bei Menschen, die keine Hilfe annehmen wollen. Parallel möchte die Verwaltungschefin die Streetwork stärken. All das sagte sie, nachdem am Donnerstagmorgen ein Runder Tisch mit Vertretern von Behörden, Polizei und Organisationen getagt habe.
Zustimmung bekommt sie von Christian-Tobias Gerlach, er ist Vorsitzender der regionalen Polizeigewerkschaft DPolG und Ratsherr der CDU: "Wir begrüßen diese Entscheidung von Oberbürgermeisterin Kalisch ausdrücklich und fordern die im Rat vertretenen Fraktionen auf, die erforderlichen Stellen freizugeben." Damit komme die OB auch einer Forderung der DPolG nach, die so ein Vorgehen bereits 2015 angeregt habe.
Verwundert reagierte Gerlach allerdings auf eine weitere Aussage der OB, sie setze sich bei Innenministerin Daniela Behrens dafür ein, dass ein für Herbst 2025 geplanter "Aufwuchs" bei der Polizei früher vollzogen werde. Gerlach: "Nach aktuellem Stand müssen wir auch in den nächsten Jahren mit einer Abnahme des Personals, bei gleichzeitiger Zunahme der Aufgaben, rechnen. Die Personalsituation ist also trotz anders lautender Aussagen weiterhin prekär."
Auch im Haus der Polizei Auf der Hude sollen viele verwundert sein. Denn erst einmal gehen einige Beamte in Pension, in der Regel wird das Minus mehr oder weniger ausgeglichen. Und kommen neue Beamte, werden die in der gesamten Direktion mit ihren acht Landkreisen verteilt. Für Stadt und Kreis sei kein großes Plus zu erwarten -- das zeigt die Erfahrung der vergangenen Jahre.
Da Frau Kalisch mit Platzverweisen reagieren möchte, empfiehlt sich ein Blick auf die Rechtslage. Platzverweise dürfen in der Regel nur für Stunden verhängt werden, etwa wenn die Arbeit von Polizei und Feuerwehr behindert wird. Geht es um längere Zeiträume, bedarf es einer richterlichen Anordnung. Sie kündige selber an: Es werde keine schnelle Lösung geben, zu erwarten seien "kleine Schritte".
In einer Mitteilung der Stadt heißt es: "Anders als der jetzige zentrale Außendienst der Hansestadt können Mitarbeitende eines Kommunalen Ordnungsdienstes hoheitliche Vollzugsaufgaben übernehmen: Sie zeigen Präsenz auf Streife im Stadtgebiet und verfolgen und ahnden Ordnungswidrigkeiten. Sie tragen Uniform und stehen gut erkennbar als kompetente städtische Ansprechpartner:innen zur Verfügung, auch präventiv und beratend. In seinem Einsatzgebiet ist der Kommunale Ordnungsdienst für die Einhaltung von städtischen Verordnungen, Satzungen sowie Allgemeinverfügungen und einschlägigen Gesetzen zuständig. „Der Kommunale Ordnungsdienst hat besondere Befugnisse und kann im Rahmen der Gefahrenabwehr selbständig z.B. Personalien feststellen, mündliche Verwarnungen erteilen, Platzverweise aussprechen und durchsetzen, Gegenstände sicherstellen oder Fahrzeuge abschleppen lassen“, erklärt Susanne Twesten, Fachbereichsleiterin Ordnung bei der Hansestadt. Dafür bedürfe es einschlägiger Kenntnisse im Verwaltungsrecht, Kenntnisse über die Organisation und Zuständigkeiten in der Kommunalverwaltung sowie Qualifikationen in Kommunikations- und Einsatztechniken, insbesondere zur Deeskalation. Die Zuständigkeiten der Polizei bleiben davon unberührt."
Die Oberbürgermeisterin sprach im Rat davon, dass Polizei, Ordnungsamt und Streetwork eng zusammenarbeiten sollen, es klang wie eine Art gemeinsame Streife. Was sagt die Lüneburger Polizei dazu? Die Aussage der Pressestelle: "Kein Kommentar."
Allerdings ist hinter vorgehaltener Hand zu hören, was man sich auch in sozialen Organisationen fragt: Wo bleiben die, die man verdrängen möchte? Denn nur weil eine härtere Gangart gefahren wird, sind die Betroffenen ja nicht weg. Sie suchen sich andere Orte.
Schon vor Monaten war aus dem Diakonieverband zu hören, man könnte sich den Park am Museum als Alternative etwa zum Sand vorstellen. Ob so ein Umzug gelingt, was sagen Anwohner?
Eine andere intern diskutierte Idee soll der Reichenbachplatz sein, an dem schon heute ein Treffpunkt liegt. Toilette vor Ort, innenstadtnah, ein Laden für Nachschub liegt vis-à-vis, die Polizei ist zu Fuß ruck zuck da.
Aber was ist mit Bettlern, die mitten in der Stadt campieren? Wo sind die Unterkünfte, die statt der Arkaden am Rathaus, am Glockenhof oder an der VHS genutzt werden sollen? Gehen die Menschen da hin?
Viele Fragen, Antworten sollen in den entsprechenden Gremien gesucht und gegeben werden, sagte Claudia Kalisch. Wenig Hoffnung machte eine Aussage von Sozialdezernent Florian Forster. Dessen Ressort möchte ein Szene-Café einrichten. Seit Monaten findet die Verwaltung aber keinen Vermieter, der Räume zur Verfügung stellt. So konnte Forster auf Nachfrage im Rat keinen Erfolg vermelden. Carlo Eggeling
Kommentare
am 24.08.2024 um 18:38:10 Uhr
Ich weiß gar nicht, warum mir gerade der alte NPD-Slogan "Sicherheit durch Recht und Ordnung" einfällt.