Meine Woche
von Carlo Eggeling am 31.12.2022Meine Woche
Einen Knall
Tausende suchen eine Wohnung, die Stadt verteilt üppige Prämien an Vermieter, die Flüchtlingen für ein paar Monate ein Dach über dem Kopf geben. Die Verwaltung hat fürs Prämieren extra eine Kollegin eingesetzt. Man könnte also auf die Idee kommen, dass es Flächen fürs Bauen braucht. Zumal der Vorschlag, den die Oberbürgermeisterin, wie auch andere, im Wahlkampf machte, zerplatzte: Bis zu 2000 Wohnungen könnten unter Dächern entstehen. Seitdem Claudia Kalisch nunmehr ein gutes Jahr im Amt ist, wurden aber kaum bis keine Bauanträge dafür gestellt, antwortet die Verwaltung auf Nachfrage.
Ihr alter Parteifreund, ehemals Ortsvereinschef der Grünen, hat mal wieder einen Leserbrief geschrieben: Großes Risiko, das Baugebiet am Wienebüttler Weg trotz eines Normenkontrollverfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht quasi vorzeitig erschließen zu lassen. Politiker, die dafür plädierten, würden Millionen in den Sand setzen, wenn das Ganze gekippt werde. Was ja erst einmal abzuwarten ist.
Der Mann leitet eine große Wohnungsgenossenschaft in Lüneburg, was der Leser ebenso wenig erfährt wie die grüne Verbundenheit. Er liest den Ratspolitikern eine Messe: "Bei fehlender Sach- oder Rechtskenntnis müssen Auskünfte bei externen Fachleuten eingeholt werden." Tja, zum einen folgten die Politiker einem Beschlussvorschlag der Verwaltung, zum anderen beschäftigt das Rathaus Baufachleute und obendrein mehrere Juristen, die sich im Baurecht auskennen. Überdies vergisst er, dass Frau Kalisch den Beschlussvorschlag hätte stoppen können. Hat sie nicht, sondern sich bei der Abstimmung im Rat der Stimme enthalten. Ob es ihr daran mangelt, Entscheidungen treffen zu können?
Ob die beiden mal darüber sprechen? Und vielleicht darüber, wo Baugebiete entstehen können? Egal. Wer in einem großzügigen Haus in Wilschenbruch lebt, ist sicher gern bereit, sein Dachgeschoss auszubauen und es günstig einer Familie zur Verfügung zu stellen. Es ist ja schlimm, wenn ansonsten Flächen versiegelt werden müssten. Ob wir von den Baufortschritten in einem Leserbrief erfahren?
Entsiegelt wird an der Hindenburgstraße. Das ist mal was. Im Rathaus musste die Pressestelle gestern verlautbaren: "Was in jedem Fall notwendig ist, um sowohl Fuß- wie Radverkehrssituation auf dem vorhandenen Geh- und Radweg zu verbessern und sicherer zu gestalten, ist der Rückbau von Parkplätzen auf der Südseite der Hindenburgstraße. So können z.B. Dooring-Unfälle -- also Zusammenstöße zwischen Radfahrern und sich öffnenden Autotüren parkender Autos -- verhindert werden. Radfahrer werden nicht dazu verleitet, auf den Gehweg auszuweichen, um eben jene Unfälle zu verhindern. So werden Konflikte zwischen Fuß- und Radverkehr verringert."
Wie fürsorglich, dass Pedalos in der Verkehrswende-Abteilung die Dooring-Unfälle ins Visier nehmen, Türunfälle. Allerdings gibt es die laut Polizei dort gar nicht. Es ist immer gut, wenn uns jemand vor Gefahren bewahrt. Selbst vor theoretischen an einer der sichersten Radpisten der Stadt, die nun auf die Straße verlegt werden soll. Es ist übelwollend zu glauben, Radfahrer, Lkw, Busse und Autos gingen künftig eher auf Tuchfühlung. So wie am Moldenweg, wo eine schwungvolle rote Piste regelmäßig vom "motorisierten Individualverkehr" genutzt wird. Aber so was optisch Tolles gibt es sonst nirgends in der Region. Das muss uns mal einer nachmachen.
Kleine Ladenzeilen in den Stadtteilen haben in Lüneburg Seltenheitswert. Am Thorner Markt gibt es sie noch: Supermarkt, Post-, Papier-, Lotto-, Zeitungsgeschäft, Apotheke, Sparkasse, Dönerladen, Kneipe und ein Blumengeschäft. Dessen Betreiberin hat jetzt nach vier Jahrzehnten die Tür endgültig abgeschlossen. Eine Abschiedsgeschichte wollte die freundliche Frau nicht, die so viele auf dem Kreideberg kannte und mit blühenden Farbtupfern versorgte. Leider.
In anderen Quartieren sind die kleinen Geschäfte schon länger Vergangenheit, am Bockelsberg, in Hagen, im Moorfeld. Verschwunden ist damit jedesmal ein Stück Persönlichkeit der Viertel. Hoffentlich findet der Vermieter am Kreideberg eine Nachfolgerin.
Nachher feiern wir den Jahreswechsel. Selbstverständlich nicht ohne Diskussion, ob man Böller und Raketen abfeuern darf. Moral darf heutzutage nicht fehlen. Krieg in der Ukraine, darf es dann rummsen? Ich würde meinen, die Frage müsste man sich seit Jahrzehnten stellen, es gab kein Jahr, in dem nicht irgendwo auf der Welt Krieg, Not und Elend herrschten. Sei's drum. Immer gut, sich aller Leiden bewusst zu sein, um den Zeigefinger zu heben.
Vielleicht darf um Mitternacht wenigstens ein Sektkorken knallen, weil's Spaß macht. Gegen einen Wunsch kann niemand etwas haben: Ein frohes neues Jahr. Wünsche ich Ihnen und Euch auch. Carlo Eggeling
Kommentare
Zu diesem Artikel wurden bisher keine Kommentare abgegeben.