Meine Woche
von Carlo Eggeling am 07.01.2023Meine Woche
Heiter weiter
Das ging daneben: Silvesterböller, Ukrainekrieg und tolle Menschen, die sie kennengelernt habe. Als Bomben fielen? Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hätte die Videobotschaft zum Jahreswechsel mal besser gelassen. Aber so selten sind missglückte Sätze ja nicht.
Erinnern Sie sich noch an Anne Spiegel? Die war ein paar Monate Bundesfamilienministerin. Vorher saß sie auf dem Stuhl der Umweltministerin in Rheinland-Pfalz. Um die Flutkatastrophe an der Ahr hatte sie sich nicht wirklich gekümmert, sie weilte im Urlaub. Als sie nach einigem hin und her zurücktrat, war sie ein Opfer: Denn eigentlich trug ihr Mann die Schuld, der habe 2019 einen Schlaganfall erlitten. Zudem habe ihre Familie samt der vier Kinder die Corona-Plage als "wahnsinnige Herausforderung" empfunden. Also seien im Sommer 2021 vier Wochen Urlaub in Frankreich nötig gewesen: "Weil mein Mann nicht mehr konnte.“ Die an der Ahr konnten zwar auch nicht mehr, weil sie keine Häuser mehr hatten, doch jeder trägt sein Päckchen. Immerhin, Frau Spiegel räumte ihr Amt.
In Lüneburg blieben Lebenshilfe und Behindertenbeirat stumm, als Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch vermutlich lustig und authentisch sein wollte und anlässlich ihres einjährigen Dienstjubiläums im November den üppigen Personalzuwachs im Rathaus rechtfertigte, den brauche die Verwaltung, um Aufgaben zu bewältigen. Ansonsten hieße es: "Keine Arme, keine Kekse." Nichts würde gehen. Konnten alle richtig lachen, die an Contergan leiden, den Folgen eines Medikaments das werdenden Kinder im Mutterleib Gliedmaßen verkümmern ließ. Ob Frau Kalisch noch mehr Behindertenwitze kennt?
Trefflich aufregen können sich viele über Attacken gegen Polizei und Hilfsorganisationen in der Silvesternacht. Die sind selbstverständlich völlig daneben. Nur nicht so neu. Mein Vater erzählt noch heute davon, wie Bill Haley im Herbst 1958 in die Ernst-Merck-Halle nach Hamburg kam und sein Rock 'n' Roll die Jugendlichen so aufwühlte, dass sie die Halle auseinandernahmen. Samt Prügelei mit Polizisten.
Der spätere Außenminister Joschka Fischer gehörte Anfang der 1970er Jahre zur Hausbesetzerszene in Frankfurt. Er bekannte, dass auch er Steine geworfen habe. Wir fanden es in den 1980ern ganz klasse, wie Linke in Hamburg Häuser in der Hafenstraße besetzt hatten. Inklusive brennender Barrikaden und Krawallen mit der Polizei. Zum Gucken war es aus Lüneburg nicht weit.
Man muss keine Gesetze verschärfen, es wäre hilfreich, bestehende anzuwenden. Wenn bestimmt auch Zugewanderte, die zumeist den deutschen Pass besitzen, mitgemacht haben, sollte man ihre Großeltern und Eltern in Neukölln und sonst wo mal fragen, was sie davon halten, dass Sanis und Feuerwehrleute attackiert werden. Die finden sehr deutliche Worte, die über das deutsche Strafgesetzbuch hinausgehen. Abschieben und diese ganzen Blöd-Parolen helfen gar nichts.
Marketing bedeutet vor allem, sich selbst zu verkaufen. Das beweist eine Pressemitteilung der Lüneburg Marketinggesellschaft. Ein Jahr leitet Melanie-Gitte Lansmann die LMG, Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch hat den Aufsichtsratsvorsitz übernommen.
"Mit neuen Ideen und zehn Großveranstaltungen lockte die LMG zehntausende Besucher in die Lüneburger Innenstadt und sorgte mit einem vielfältigen und unterhaltsamen Programm dafür, dass Handel und Gastronomie erfolgreich wiederbelebt wurden", behauptet die LMG. "Zu den besonderen Highlights zählten die vier Erlebnissonntage sowie die Weihnachtsstadt mit ihrer festlichen Atmosphäre."
Das war mal nix Neues, denn all das zelebrierte Lüneburg bereits zuvor. Ebenso wie das Stadtfest, das nun "Lüneburg feiert" heißt und eine Nacht der Clubs. Das Sülfmeisterfest fiel aus wegen Überarbeitung und Personalmangel.
Die Stadt lebt auch vom Tourismus. Die Gäste kommen. Wir können dankbar sein, dass die Stadt eine backsteinschöne Architektur besitzt, engagierte Einzelhändler und Gastronomen, einen gemütlichen Wochenmarkt und den Arbeitskreis Lüneburger Altstadt, der seine Feste ohne die LMG ehrenamtlich auf die Beine stellt. Klug war es, vor langen Jahren mit besseren Bedingungen -- sprich Geld -- gegen die Konkurrenz in Hannover die Roten Rosen als Dauerwerbesendung an die Ilmenau zu ziehen.
Es geht putzig weiter im Marketing-Sprech der Marketinggesellschaft: Im vergangenen Jahr habe man sich strategisch breiter aufgestellt und Arbeitsfelder erweitert: "So konzentrieren sich künftig alle Aktivitäten der Gesellschaft auf Tourismusmarketing, Eventmanagement,
Innenstadtmanagement und Standortmarketing." Wahnsinn! Das ist mal was. Nämlich genau das, was die Gesellschaft seit ihrer Gründung tun sollte. Sollte, wohlgemerkt.
Sie merken, auch das neue Jahr geht heiter weiter. Und wenn Ihnen das alles nicht gefällt, denken Sie an den Schriftsteller und Publizisten Karl Kraus: "Keinen Gedanken haben und ihn ausdrücken können – das macht den Journalisten." In diesem Sinne ein entspanntes Wochenende. Carlo Eggeling
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