Millionen-Investition an der Barckhausenstraße
von Carlo Eggeling am 01.04.2025Eigentlich hätten Teile der Kühnauschen Gründung an der Barckhausenstraße längst abgerissen sein und die Arbeiten der Neubauten beginnen sollen -- augenscheinlich verzögert sich das gesamte Projekt deutlich, das die Verantwortlichen vor drei Jahren mit einem großen Auftritt angekündigt hatten. Waren die Kosten damals auf rund acht Millionen Euro geschätzt worden, sollen es dem Vernehmen nach nun neun bis zehn Millionen Euro sein. Man verfolge die Pläne "konsequent weiter", heißt es vom Geschäftsführer der Lüneburger Einrichtung, Stefan Kosubek. Den Bauantrag habe man bei der Stadt eingereicht.
Im Komplex zwischen Barckhausenstraße und Wilschenbrucher Weg leben Menschen mit Behinderungen. Der alten Stiftung Kühnausche Gründung, in der sich unter anderem die damalige Leitende Superintendentin Christine Schmid engagiert hatte, war klar, dass das Vorhaben aus eigener Kraft nicht zu stemmen war, da waren bereits 400 000 Euro in das Haus investiert worden. Gebäude ist alt, der Brandschutz entsprach nicht mehr den nötigen Standards. Die Lüneburger gingen eine Kooperation mit dem diakonischen Sozialkonzern Rotenburger Werke ein.
Vor drei Jahren gab es folgenden Stand: "Die Rotenburger Werke betreuen mit 2000 Beschäftigten mehr als 1200 Bewohner in 110 Wohngruppen. Sie betreiben Häuser in Rotenburg, Scheeßel und Visselhövede im Landkreis Rotenburg, so wie in Harsefeld im Landkreis Stade und Falkenburg im Landkreis Oldenburg. Dazu kommen Gruppen in einer Tagesförderstätte mit gut 440 Plätzen sowie Einrichtungen für Rentner und Kinder. Ihr Jahresumsatz liegt mehr als 100 Millionen Euro. Die Beschäftigten werden nach einheitlichem Tarif der Diakonie bezahlt, keine Veränderungen für die 60 Lüneburger Kollegen."
Als die Rotenburger und Lüneburger im April 2022 ihre Pläne vorstellten, waren sie optimistisch, zügig durchstarten zu können. Es kam anders. Dem Vernehmen nach, kletterten die Kosten, dazu soll eine Nachbarin mit den Ausbauplänen nicht einverstanden gewesen sein. Die sind ambitioniert: Im laufenden Betrieb sollte, wie berichtet, ein Neubau entstehen, dort hätten dann 52 statt bisher 44 Menschen eine Bleibe. Steht der neue zwei- und dreigeschossige Riegel, sollen weite Teile des alten Komplexes abgerissen werden. Das ursprüngliche, 1874 eröffnete Gebäude an der Barckhausenstraße bleibt erhalten. Der charakteristische Turm wird stärker betont. Für den ersten Bauabschnitt, also den Neubau, rechneten die Verantwortlichen mit Kosten von rund acht Millionen Euro. Die Stiftungen der Stadt wollten als Unterstützung 1,5 Millionen Euro dazugeben.
In zwei weiteren Bauabschnitten, die Rede war von den Jahren 2025/26, war der Abriss der alten Teile geplant sowie die Errichtung einer Förderstätte, dann entstünde quasi spiegelverkehrt auch der Garten zwischen Barckhausenstraße und Wilschenbrucher Weg auf dem rund 3500 Quadratmeter großen Grundstück neu.
Nun sagt Geschäftsführer Kosubek: "Das Bauvorhaben wird weiterhin konsequent verfolgt. Wie bei Projekten in der Sozialwirtschaft üblich, sind umfassende Abstimmungen mit Genehmigungsbehörden erforderlich. Diese sind nunmehr weitgehend abgeschlossen. Ein wichtiger Meilenstein wurde mit der Einreichung des Bauantrags erreicht. Damit befinden wir uns nun in der behördlichen Prüfungsphase und erwarten die weiteren Genehmigungsschritte. Trotz der aktuellen Herausforderungen im Bauwesen sind wir zuversichtlich, das Projekt planmäßig umzusetzen." Nur eben eindeutig später.
Wie 2022 dargestellt, sei die Kühnau Plus gGmbH als Trägergesellschaft gegründet worden, um das bestehende Angebot für Menschen mit Behinderung am Standort Lüneburg "zu modernisieren und zukunftsfähig zu gestalten. Die Kühnausche Gründung hat ihren Geschäftsbetrieb in die Kühnau Plus gGmbH übertragen und existiert weiterhin am Standort in der Barckhausenstraße. Die Gesellschaft wird von den Rotenburger Werken als Mehrheitsgesellschafter und der Kühnauschen Gründung als Minderheitsgesellschafter getragen."
Der Standort an der Barckhausenstraße ist aus Sicht der Einrichtung ideal: Durch die Nähe zur Stadt könnten die Bewohner am Leben teilnehmen, beispielsweise zu einem Spaziergang aufbrechen und einen Kaffee trinken oder ein Eis essen gehen.
Der historische Hintergrund:
Die Kühnausche Gründung geht auf Sophie Catherine Marie Kühnau und ihren Bruder zurück. Die beiden wollten im 19. Jahrhundert durch pflegerische Hilfe das Schicksal von Kindern verbessern, die nicht auf der Sonnenseite des gesellschaftlichen Lebens standen. Sie fanden Unterstützung bei den Wohlhabenden der Stadt: Neben einer großzügigen Zustiftung der Stadt engagierten sich die "Damen Fressel, Barckausen, Wellenkamp, Thöne und die Äbtissin von Meding“ für das Projekt.
Am 3. Dezember 1874 ging es los, zwei Jahre später stellten Arbeiter einen Hospitalneubau fertig. Laut Statuten kümmerte sich die 1931 vom preußischen Staat als gemeinnützig anerkannte Stiftung um „die angemessene Behandlung und Verpflegung kranker, schwacher und vornehmlich skrupulöser (ängstlicher) Kinder vorzugsweise aus der ärmeren Volksklasse in Stadt und Umgebung".
45 Jahre später wurde sie auf Wunsch der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche als kirchliche Stiftung anerkannt. Ende der 1980er-Jahre änderte die Stiftung ihr Konzept, die stationäre Langzeiteinrichtung für geistig und mehrfach behinderte Minderjährige wurde eingestellt. Seither kümmert sie sich um Volljährige, das Ziel: Mit professioneller Hilfe sollen Bewohner mit seelischen und geistigen Behinderungen ein möglichst eigenständiges Leben führen können. Carlo Eggeling
Die Fotos zeigen die Kühnausche Gründung, das Modell und die Präsentation vor dem Pavillon der Einrichtung. Der soll erhalten bleiben.
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