Minus-Etat in der Kritik — SPD sucht neue Fraktionsspitze
von Carlo Eggeling am 18.07.2025Erwartungsvoll dürften Politiker am Nachmittag von 15 Uhr an im Finanzausschuss sitzen. Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch und Kämmerer Matthias Rink wollen erklären, wie sie auf das dicke Minus im städtischen Haushalt reagieren. Wie berichtet, soll nun eine Haushaltssperre von 6,5 Millionen Euro greifen. Die hatte der Rat mehrheitlich, aber mit deutlicher Kritik unter anderem der SPD und der Linken mit dem Etat beschlossen. Am Mittag stellte die Oberbürgermeisterin eine Video-Botschaft ins Netz, in der sie erneut betonte, alles im Griff zu haben, "freiwillige Leistungen werden in meiner Verantwortung nicht angetastet. Kultur, Sport und Ehrenamt sind Basis unserer Stadtgesellschaft". Die Stadt sei weiter "liquide und solvent". Allerdings musste die Kämmerei verkünden, dass ihr höhere Pensionskosten sowie ein Einbruch bei der Gewerbesteuer insgesamt ein weiteres Loch in die Tasche brennen – reichlich zehn Millionen weniger. Frage also: Kommt ein Nachtragshaushalt?
Erst auf Nachfrage von LA verkündete das Rathaus jetzt medienöffentlich, dass das Innenministerium den Haushaltsentwurf genehmigt habe – bereits Anfang April und mit Einschränkungen wie der erwähnten Haushaltssperre. Auch die Personalpolitik ist der Prüferin eine Ermahnung wert. Finanzpolitiker wundern sich, wie die Stadt es hinbekommen möchte, die freiwilligen Leistungen nicht antasten zu wollen, denn bei Pflichtleistungen kann sie nach gängiger Auffassung keinen Rotstift ansetzen.
Für die Sondersitzung kommt Kämmerer Rink früher aus seinem Urlaub zurück, in Fraktionen ist man gespannt, ob auch die Oberbürgermeisterin erscheint, die eigentlich in die Ferien starten will.
Interessant ist ein zweiter Aspekt, der betrifft die SPD. Letztlich ein Signal: Denn Sozis schicken nicht ihre beiden Ausschussmitglieder Jörg Kohlstedt und Fraktionschef Uwe Nehring in den Huldigungssaal. Beide sind heute nicht in Lüneburg. Als Vertreter kommen Andrea Schröder-Ehlers und Ratsneuling Thomas Dißelmeyer. Hinter dieser Personalie steckt mehr: Uwe Nehring hat seine Fraktion informiert, dass er sein Amt aus persönlichen Gründen niederlegen und nach Sachsen ziehen will. Möglicher Nachfolger könnte Dißelmeyer werden. Entsprechende LA-Informationen bestätigen beide.
Es dürfte nicht die einzige Veränderung sein. Auch Co-Vorsitzende Hiltrud Lotze möchte aus persönlichen Gründen kürzer treten, berichten Fraktionsmitglieder. Dißelmeyer und Nehring erklären übereinstimmend, dass die Fraktion am 11. August eine neue Doppelspitze wählen wolle. In der SPD gilt Dißelmeyer als kommender Chef. Er führt Gespräche, um eine Co-Vorsitzende zu finden, doch mehrere Kandidatinnen haben bereits abgewunken.
Aktuell wirkt die SPD im Rat oftmals nicht gerade einig. Bei Facebook ist zu beobachten, dass Fraktionsmitglieder ihren Kollegen schon mal in die Parade fahren und deren kritische Haltung kritisieren. Auch fehlt es der Partei an Profil, beispielsweise im Bauausschuss, wo sie den verständnisvollen Vorsitzenden stellt. An anderen Stelle scheint es Ratsmitgliedern eher um Selfies als um Inhalte zu gehen.
Das hat man sowohl in der Führungsebene als auch in Teilen der Fraktion erkannt. Handlungsbedarf, im Herbst kommenden Jahres stehen Kommunal- und Oberbürgermeisterwahlen an. Wie bei der ebenfalls ähnlich konturlosen CDU ist kein OB-Kandidat in Sicht, in beiden Parteien wollen fähige Kollegen aus umliegenden Samtgemeinden bislang nicht in Lüneburg antreten. Zwar gibt es Gewisper über Aspiranten aus benachbarten Landkreisen. Aber eben Gewisper.
Dißelmeyer kündigt für die SPD an, dass die Fraktion sich kompetenter und fachbezogener organisieren möchte: "Ich führe gerade viele Gespräche."
Aus der CDU ist zu hören, dass man mit der Führung der Fraktion nicht gerade glücklich sei. In der Partei wünscht man sich mehr Distanz und Attacke zur grünen Oberbürgermeisterin und der aus CDU-Sicht oftmals wenig wirtschaftsbezogenen Stadtpolitik. Auffällig ist, wie oft sich die Mittelstandsvereinigung mit deutlichen Worten meldet, inzwischen mit ähnlichem Echo der Jungen Union. Das Kraftzentrum ist deutlich erkennbar: MIT-Vorsitzender und web-Netz-Boss Patrick Pietruck, seine Partnerin, die Landtagsabgeordnete Anna Bauseneick, sowie Verbandschef Heiko Eggers, die gern einmal in einer der angesagtesten Bars der Stadt zusammen anstoßen. Wirkt, als ob Veränderungen anstehen. Carlo Eggeling
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