Museen als Standortfaktor
von Carlo Eggeling am 17.08.2025Meine Woche
Träume fürs Museum oder warum Apfelschorle perlt
Museen sind ein Zuschussgeschäft. In Lüneburg ist es nicht anders als anderswo. Für das Museum am Wandrahm und das Salzmuseum soll ein Gutachten neue Wege aufzeigen. Der Ansatz: Wie werden sie attraktiver, ziehen mehr Besucher, generieren mehr Einnahmen? Nun liegt die Expertise vor, unter der Hand auch Lüneburg aktuell. Am Ende ist es wie beim Theater: Kultur in öffentlicher Hand funktioniert nur mit Zuschüssen. Wer weniger ausgeben will, muss streichen. Beim Theater soll es ein großer Teil des Orchesters sein, was unter anderem weniger Oper in bekannter Form bedeuten würde.
Bei den städtischen Museen könnte man sich fragen, ob es beide braucht. Die Vorschläge des Gutachters, den Andenkenhandel auszubauen, eine bessere Führung durch das verschlungene Haus an der Ilmenau hinzubekommen sowie es zur Altenbrückertorstraße einladender zu gestalten, mag ein wenig Verbesserung erzielen. Viel dürfte es nicht sein. Die Eintrittspreise um zwei Euro zu erhöhen, bringt ein paar Zehntausend Euro. Am Wandrahm begrüßen die Mitarbeiter im Durchschnitt 30 000 Besucher pro Jahr, in der alten Saline rund 55 000. Doch nicht alle zahlen den vollen Preis.
Andere Ideen leben die beiden Direktorinnen mit ihren Crews bereits: Sie kooperieren mit der Uni und dem Schubz, dem Schulbiologie- und Umweltbildungszentrum; Nachhaltigkeit, Natur und Schüler spielen längst eine Rolle. Die Roten Rosen sollen die Kulisse nutzen, um die Geschichtsstätten bekannter zu machen – machen die schon seit langem und drehen immer wieder dort. Der einladende Eingang soll kommen, der Kiosk zieht vom Salzmuseum an die Ilmenau, Süßes und Leckeres als Kundenfänger. Die Terrasse an der Ilmenau bewirtschaftet mit der Lebenshilfe ist eine der lauschigsten Adressen der Stadt. Inklusion.
Das Museum als Treffpunkt, ein sogenannter dritter Ort der Stadtgesellschaft, ist ein weiterer Vorschlag. Es gibt an jedem Wochenende besondere Angebote, dazu tagen Vereine und Organisationen im Haus, Modenschauen wurden in der Vergangenheit gezeigt. Jedes Jahr eine besondere Ausstellung empfiehlt die 20 000 Euro teure Expertise. Zu recht. Erlebt das Haus am Wandrahm gerade mit der Schau zum Ende des Zweiten Weltkriegs am Timeloberg bei Wendisch Evern.
Träger der beiden Häuser ist die Museumsstiftung, besetzt unter anderem mit Politikern aus dem Rat. Einige von ihnen wurden dem Vernehmen nach eher selten bei Veranstaltungen oder gar bei einer Führung gesehen.
Vorschläge aus dem politischen Lager, einen Teil des Wandrahm-Museums in Wohnungen umzuwandeln, lesen sich lediglich auf den ersten Blick pragmatisch. Beim zweiten Mal inkonsequent. Soll man die Hütte dicht machen, wen interessiert der alte Plunder?
200 000 Exponate besitzt das Museum am Wandrahm. Es werden mehr, weil Lüneburger ihre Sammlungen zur Verfügung stellen. Das erlebt übrigens auch das Stadtarchiv, das Fotos und Dokumente erhält. Scheint, dass Bürger verstehen, was sie am Gedächtnis der Stadt haben. Wer weiß, woher er kommt, findet den Weg ins Neue besser.
Schätze lagern am Wandrahm wie die Ebstorfer Weltkarte, die das Weltbild des mittelalterlichen Menschen erklärt. Uralte Bibeln und Drucktechnik, mit welcher die schwarze Kunst der ältesten Familiendruckerei der Welt anschaulich wird -- vier Jahrhunderte der Familie von Stern. Aber muss man, wie vom Gutachter empfohlen, die Hanse beleuchten, wenn in Lübeck ein ganzes Museum dazu steht?
Am Wandrahm liegen sie ab vom Trubel und der Nähe zur Westlichen Altstadt, dem Magneten für Stadtführungen. Im Katalog der Marketinggesellschaft taucht das Haus nur einmal auf. Warum? Warum macht eine zu 75 Prozent städtische Gesellschaft nicht mehr Werbung für andere Töchter der Stadt, warum entwickelt augenscheinlich niemand einen Rundgang, der eben das Museum mit einbezieht?
Was ist mit dem zerbröselnden Salzmuseum, das dringend Handwerker braucht, dazu nach drei Jahrzehnten eine inhaltliche Überholung? Wann steht endlich ein Konzept samt Baubeginn, Millionen Euro an Fördermitteln aus Berlin liegen bereit, drohen sie wieder zu verfallen? Wie soll eine Konzeption greifen, eine Kooperation der Häuser, wenn nicht klar ist, wann man in der neuen Zeit angekommen ist? Was ist mit den Eintrittsgeldern, die über Jahre ausfallen, wer gleicht aus?
Manchmal trinke ich Apfelschorle mit diesem und jenem aus der Kulturszene, dann kreisen die Gedanken. Selbst wenn wir wissen, Träumer mögen keinen Plan besitzen, aber angebliche Realisten verstellen sich ihre Träume ständig durch ein Aber.
Träumen wir mal. Die Marketinggesellschaft LMG, die den touristischen Auftritt samt Abwicklung in der Stadt betreut, schnürte anders als bisher ein -- völlig utopisch -- Kultur-Wochenende. Wie wäre es mit Freitagnachmittag ankommen, einem Ausflug ins Rathaus und abends einem Konzert im One-World in Reinstorf, im Café Klatsch oder etwas Klassischem? Am Samstag nach dem Frühstück einen Kaffee oder einen Saft auf dem Markt, los zur Stadtführung mit einem Abstecher in eins der Museen. Am Nachmittag bietet sich die Kulturbäckerei mit ihren Ateliers und immer wieder wunderbaren kostenlosen Ausstellungen an? Darf's alternativ die Kunst-Etage über dem Café im Glockenhof sein? Abends ist das Theater ein Muss. Am Sonntag das Ostpreußische Landesmuseum mit Abstecher in die Brauereigeschichte und demnächst unbedingt die Kant-Ausstellung.
Wie wäre es mit einer weiteren Vernetzung für Gäste, die für eine Woche als Familie kommen? Zusammenarbeit mit den Ausstellungsorten in der Elbtalaue oder in Richtung Heide samt Fahrradangebot. Heide-Park, Kiekeberg-Museum, wenn es weitergehen darf nach Hösseringen hinter Uelzen oder nach Lübeln bei Lüchow, um Leben auf dem Land von anno dunemals zu besichtigen. Dazu baden im SaLü oder einem der Freibäder der Region. Wie wäre es einem magischen Besuch der verträumten Schwinde-Quelle? Gern alles verbunden mit einem Nahverkehrsticket und dem Heide-Shuttle-Fahrrad-Bus.
Völlig illusorisch. Apfelschorle steigt perlend zu Kopf. Genauso wie der Blick zurück. Bevor das Museum für zehn, elf Millionen Euro mit Fördermitteln der EU erweitert, umgebaut und vor zehn Jahren eröffnet wurde, gab es eine Geschichte der Zukunft. Die scheiterte an Vereinsmeierei, wenig Weitblick und Eigentumsverhältnissen.
Die Vision von einst: Lüneburgs Werden und Schicksal ist das Salz. Der unruhige Untergrund beschäftigt uns bis heute, Patrizierhäuser der Renaissance, das seit dem 13. Jahrhundert gewachsene Rathaus, Reichtum und Niedergang -- das Weiße Gold hatte immer wieder damit zu tun. Damals sollte eben all das am Standort des Salzmuseums, der alten Saline, zusammengeführt werden. Unter einem Dach. Der Supermarkt wäre umgezogen auf das Gelände der benachbarten Post. Wie gesagt, gescheitert. Heute blockiert durch Pachtverträge und wenig inspiriertem Denken. Wäre nach wie vor ein großer Wurf.
Hilfreich könnte es sein, wenn Politik Kultur als Standortfaktor begreift. Wer Fachkräfte ziehen möchte, braucht nicht nur gute Jobs, sondern ebenfalls Kitas, Schulen, Handel, Kneipen und Kultur. Kultur bedeutet Heimat, mein Land, meine Stadt, dafür setze ich mich ein, weil es meine Wurzeln sind. Und in Richtung wohlhabender Lüneburger Unternehmerfamilien: Dafür braucht es finanzielle Unterstützung.
Bisschen Mut und ein Satz Jonathan Swifts, dem Autor von Gullivers Reisen, der mal als Riese und mal als Winzling Abenteuer bestand, könnte helfen: "Vision ist die Kunst, Unsichtbares zu sehen."
In diesem Sinne eine Apfelschorle. Perlt sooo schön. Gutes Wochenende. Carlo Eggeling
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