Lüneburg, am Mittwoch den 17.09.2025

MUTIG ERINNERN – Sonderausstellung eröffnet

von Gesundheitsholding Lüneburg GmbH am 17.09.2025


Wie viel Mut brauchte es, sich der NS-Verbrechen zu erinnern? Wie hat das Wissen um das NS-Verbrechen an Angehörigen das eigene Leben verändert? Darauf gibt seit 14. September 2025 eine Open-Air-Ausstellung in der Lüneburger Innenstadt Antworten.

Magda Wajsen wollte nur Hilfe bei der Übersetzung von in Deutsch verfassten Listen, die ihre Cousine aus dem Archiv in Arolsen über den gemeinsamen Großvater zugeschickt bekommen hatte – er hatte das KZ Neuengamme überlebt. Wenige Monate später stand sie vollkommen unerwartet vor dem Grab seines Bruders Franciszek Wajsen, von dem die Familie bis dahin nicht wusste, was ihm nach seiner Verschleppung nach Deutschland passiert war. Magda Wajsen gehört zu denjenigen, die erst vor wenigen Monaten über den Krankenmord in der eigenen Familie aufgeklärt wurden. Nach über 80 Jahren erfuhr sie, ihr Großonkel Franciszek Wajsen wurde als ausländischer Erkrankter in der sogenannten »Ostarbeiterabteilung« der damaligen Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg ermordet. Sie ist wütend, fassungslos, gelähmt. Uta Wehde hat die eigene Ohnmacht überwunden. Sie hat seit zehn Jahren Gewissheit darüber, dass ihr 5-jähriger Großneffe Fritz Wehde Opfer der »Kinder-Euthanasie« wurde. Aber so richtig konnte sie erst im Juni dieses Jahres Frieden finden, als sie für ihn in Horst/Garbsen bei Hannover einen Stolperstein verlegen ließ. Diese und 13 weitere individuelle Wege der Aufarbeitung von NS-Verbrechen in der eigenen Familie zeichnet die Sonderausstellung MUTIG ERINNERN nach, die am Sonntag, 14. September 2025, bei der St. Nicolai-Kirche in Lüneburg eröffnet wurde. Viele, die zur Ausstellung beigetragen hatten, waren gekommen, um MUTIG ERINNERN mit zu eröffnen – so auch Friedrich Buhlrich aus Delmenhorst.

Der Fotograf Mathias Mensch porträtierte die Angehörigen aus 15 Familien, fing mit seiner Kamera den Schmerz, aber auch die Erleichterung ein, die die Menschen bei der Aufarbeitung der eigenen Geschichte begleiteten. Die Protagonist*innen der Sonderausstellung sind nicht nur Verwandte von Opfern, sondern auch Angehörige von Tätern und Tatbeteiligten. Doch nicht nur diese Gleichzeitigkeit macht die Sonderausstellung so einzigartig. Eine weitere Besonderheit ist, dass die von NS-Gewalt Betroffenen selbst zu Wort kommen. Sie geben ganz persönliche Antworten auf die Frage, was sie von ihren Mitmenschen in Zusammenhang mit der NS-Vergangenheit erwarten. Sie beschreiben mit ihren eigenen Worten, wie sie mit dem Schicksal umgehen. Wer mehr über die jeweiligen Opfer und Täter wissen will, wird über einen QR-Code auf die Internetseite www.mutig-erinnern.de geleitet, auf der historische Hintergrundinformationen niedrigschwellig sowie alle Ausstellungstexte auch barrierefrei verfügbar sind.

Die Sonderausstellung ist bis zum 31. Oktober 2025 auf dem Pastor Harry-Kügler-Platz und Bei der St. Nicolai-Kirche zu sehen. Ab 1. November 2025 zieht die Ausstellung auf das Gelände der Psychiatrischen Klinik Lüneburg um, auf die Wiese vor dem neu eröffneten Dokumentationszentrum der »Euthanasie«-Gedenkstätte Lüneburg (Haus 34, Am Wienebütteler Weg 1). Die dokumentarischen Ausstellungstexte wurden mithilfe von mehr als 40 Pflegeschüler*innen des Abschlussjahrgangs 2026 der beiden Lüneburger Berufsfachschulen für Pflege unter Federführung der »Euthanasie«-Gedenkstätte Lüneburg verfasst. MUTIG ERINNERN entstand in Kooperation zwischen der »Euthanasie«-Gedenkstätte Lüneburg, dem Studio Mensch und der Kirchengemeinde St. Nicolai und wird gefördert von

© Fotos: »Euthanasie«-Gedenkstätte Lüneburg, Fotografin: Carola Rudnick


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