Nachbarschaft macht nicht immer Spaß — weiß auch ein Amtsrichter
von Carlo Eggeling am 27.05.2025Nähe kann das Leben verdammt schwierig machen. Vor allem, wenn der eine Nachbar bauen will, dem anderen das nicht passt und er die Umwelt in Gefahr wähnt. Der Landkreis soll Bäume und Bewuchs retten, tut es aber aus Sicht des Kritikers nicht richtig, die Baumaschinen rollen. Recht haben, Recht bekommen, recht schwierig. In Saal 125 des Amtsgerichts kocht die Melange auf. Viel Schaum auf dem Kaffee. Richter Wolfgang Pfleger lässt ihn am Ende zusammenfallen.
Irgendwo im Kreis Lüneburg hat Nachbar A den Wunsch, ein unbebautes Grundstück zu nutzen. Alte Bäume stehen an einem Teich, ein Idyll, dessen Anblick Nachbar B ans Herz gewachsen ist. Auch ökologisch, wie er vor Gericht betont. Der Wandel von Idyll zu Haus und Garten passe nicht mit dem Landschaftsschutzgebiet zusammen. Er hat sich kundig gemacht im Netz. Also ein Hinweis, selbstverständlich mit viel Wissen untermauert, an den Kreis mit der Frage darf der das?
Nachbar B wendet sich zudem an Anwälte, er will's wissen. Enttäuschung: Bei einer Bestimmung eines Landschaftsschutzgebiets besteht kein sogenannter Drittschutz, kurz, B kann keine persönliche Betroffenheit ins Spiel bringen. Gleichwohl, die Natur besitzt einen hohen Rang, also muss der Kreis prüfen. B erzählt von kleinen Erfolgen, konstruktiven Gesprächen, versteht gleichwohl: "Keine Chance." Ein Bagger rollt, bewegt vieles, Bäume müssen ihren Platz wechseln.
Bauherr A macht all das wohl wenig Freude. Zumal sich Nachbar B an die Zeitung wendet, die, so schildert B es, sich alles angehört aber nicht berichtet. B erklärt dem Bauherrn nebst Gattin, so erzählt er, seine Bedenken, wünscht auch "einen guten Restsonntag". Gut scheint es nicht geworden zu sein. Die Polizei besucht B, eine Anzeige, nicht wie die Beamten zuerst erzählt haben sollen, des Nachbarn sondern des Landkreises wegen übler Nachrede.
Denn irgendwie, es wird nicht recht klar wie, soll B behauptet haben, A habe Landkreismitarbeitern Bares gegeben, sodass die Behörde den Bauarbeiten zustimme. Beim Kreis reagiert man empört: Bestechlichkeit! Nie und nimmer. B bestreitet die Causa, ein Strafbefehl folgt. Das meint, eine Entscheidung der Justiz ohne Prozess. Selbstverständlich legt B Widerspruch ein, die Vorwürfe träfen nicht zu.
Nun also Saal 125. Bäume und Teich, Richter Pfleger hört zu. Ja, B habe sein Recht genutzt und auf die Bedenken hingewiesen, das Gesetz sei an dieser Stelle aber formal begrenzt. Nachbar A müsse damit leben, auch wenn es anstrengend sei. Doch das sei nicht Sache der Verhandlung. Zeugen will der Richter nicht mehr hören, ihm scheint alles klar.
Was kann Pfleger also tun, um die übergekochte Melange vom Feuer zu nehmen? Es lässt sich nicht klären, ob die Behauptung je und so gefallen ist. Und wie wirkt B? Ein sehr korrekt scheinender Mann mit vorbildlich gebügeltem weißen Hemd, schwarzer Weste und einem Vollbart, den eine silberne Röhre bändigt, er ist unbescholten. Auf einen Beistand hat er verzichtet, das könne er selber, das Geld sparen: "Ein Anwalt ist keine Garantie, dass ich gewinne. Einen Pflichtverteidiger bekomme ich nicht." Ist das richtig m Rechtsstaat? Na ja, anderes Thema.
Richter Pfleger ist als Amtsrichter ein Mensch, der weiß, das Paragraphen endlich wirken, wenn es um das Zusammenleben geht. Keine eindeutigen Beweise, dazu diese Geschichte. Er stellt das Verfahren nach einer halben Stunde mit Zustimmung der Staatsanwältin ein: Das Vergehen sei allenfalls geringfügig, ein öffentliches Interesse bestehe nicht. Es wird salomonisch: "Das war's, kurz und schmerzlos. Leben Sie gut Seit an Seit." Das ist eine Aufgabe, für beide Seiten. Carlo Eggeling
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