Lüneburg, am Montag den 18.08.2025

Nachrichten aus der Provinz

von Carlo Eggeling am 17.02.2024


Meine Woche
Puppenstube. Lüneburg

Ich bin gestern Abend extra durch die Schlägertwiete geradelt, weil mir ganz im Vertrauen aus meinem supergeheimen Netzwerk von Informanten Ungeheuerliches zugetragen wurde: Im Büro-Fenster des SPD-Bundestagsabgeordneten Jakob Blankenburg sei ein schimmernder Bildschirm mit seinem Foto zu sehen. Geschäftsleute in der Stadt dürften ihre Schaufenster nicht mit derartiger Lichtverschmutzung staffieren, so der Vorwurf. Der Sozi solle sich einen Vorteil verschafft haben. Puhh, dachte ich, was für eine Geschichte. Die stellt selbst Schlagloch-Grusel in den Schatten. Ein lokales Investigativ-Team sei an der Story dran. Mir war klar, keine Chance mehr für mich. Doch ich konnte aufatmen.

Als ich durch die Fußgängerzonen fuhr -- es war nach 18 Uhr --, leuchteten jede Menge Schaufenster samt Bildschirmen. Alltag. Das Ausmaß von Skandalen zeigt, wo man lebt, in der Provinz oder noch ein Stück weiter weg. Im Wendland haben sie Blankenburg übrigens vor ein paar Tagen einen Misthaufen vor sein Büro gekippt, als Zeichen, was mancher Bauer von der Koalition in Berlin hält.

Auf meinem Weg nach Hause habe ich die ersten Trecker auf dem Markt gesehen, Landwirte wollen eine Woche lang allabendlich ihren Unmut kundtun. Ein Plakat gibt die Losung vor: "Wer Bauern quält, wird abgewählt". Wahrscheinlich läuft irgendwo die Dauerschleife: "Die Ampel muss weg". Eine Anhängerin der Bewegung hat mir geschrieben, die Presse fehle, sei aber nicht schlimm, sie könne den "Einheitsbrei der grünen Stasi" nicht mehr lesen. Den Artikel in der Zeitung hatte sie vermutlich übersehen. Na dann.

In den Nachrichten der Systemmedien läuft gerade ein großartiges Beispiel dafür, wie großartig frei es in anderen Teilen der Welt zugeht: In Russland stirbt der Regierungskritiker Nawalny in einem Straflager. Ob es eine internationale Untersuchungskommission zur Todesursasche geben darf? Der Mann hat bekanntlich 2020 einen Giftanschlag überlebt. Wer dort auf die Straße geht, um für seine Anliegen einzutreten, muss damit rechnen, dass er von der Polizei verprügelt wird oder im Knast landet. Hier ist es viel schlimmer. Wir leben zwischen Ostsee und Bodensee in einem Unterdrückungsstaat. Oder?

Die Diskussion um den Zuschnitt von Wahlkreisen zur nächsten Landtagswahl geht weiter. Das niedersächsische Politikmagazin Rundblick berichtet darüber. Wenn in Gebieten abweichend vom Durchschnitt 25 Prozent mehr oder weniger Wahlberechtigte eben, müssen die Bezirke neu zugeschnitten werden. Das ist in einigen Regionen der Fall. Das bedeutet, man müsste Landstriche zusammenfassen, um den Ausgleich hinzubekommen. Das finden Parteien nicht immer gut, weil sie in bestimmten Kreisen seit Jahren gut abschneiden, mal die CDU, mal die SPD. Die Landeswahlleiterin hatte schon vor der vergangenen Wahl reagiert und will es dem Bericht zufolge wieder.

"Aus diesem Grund hat der Landtag vor der vergangenen Landtagswahl den Wahlkreis Seesen aufgelöst und den Wahlkreis Lüneburg zweigeteilt", schreibt der Rundblick. "Lüneburg-Land (Philipp Meyn, SPD) und Soltau (Karl-Ludwig von Danwitz, CDU) kratzen auch an der 25-Prozent-Marke, aber sie näheren sich stark der Untergrenze, da es dort zu wenige Wahlberechtigte gibt." Würde man in der Region Celle, Walsrode und Soltau etwas ändern, könnte das Auswirkungen für Lüneburg Land bedeuten, "die Gemeinden Munster, Schneverdingen oder Bispingen (könnten) an einen Nachbar-Wahlkreis gehen, etwa an Lüneburg-Land". Ich vermute mal, da wird noch kräftig diskutiert werden -- in Hannover und vor Ort. Hat übrigens etwas mit Demokratie zu tun.

Die angebliche Dauerkatastrophe der flackernden Berliner Ampel, ausfallende Züge und Busse, die Langeweile leerer Schaufenster in der Innenstadt samt des Liedes "Alles nicht so schlimm" und obendrein die passende Tristesse des Himmels in Nuancen von Grau -- es schlägt ein wenig aufs Gemüt. Deshalb braucht es frische Luft für den Kopf, die Beat-Show in der Kulturbäckerei, Caspar-David-Friedrich-Gemälde in der Hamburger Kunsthalle, die Ausstellung Chronorama im Berliner Museum für Fotografie, die 300 Arbeiten des Foto-Journalismus des New Yorker Verlages Condé Nast beispielsweise für Blätter wie die Vogue zeigt, darunter die Meister Helmut Newton, Edward Steichen und Chris von Wangenheim.

Es hilft, die Provinz ab und an zu verlassen. Puppenstuben-Lüneburg könnte das gut vertragen. Was machen Sie am Wochenende? Meins beginnt jetzt mit einem Schlusspunkt, einem Zitat des Spiegel-Gründers Rudolf Augstein: "Schreiben ist nicht schön. Schön ist es, geschrieben zu haben." In diesem Sinne, Carlo Eggeling

© Fotos: ca


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