Ohne sie sähe Lüneburg anders aus — der ALA mit neuer Leitung
von Carlo Eggeling am 27.05.2025Ein konstruktives schlechtes Gewissen +
Steffen Wolter ist Vorsitzender des ALA, er und seine Kollegen blicken auf die Stadt — zwischen Lob und Kritik
Lüneburger Gesichter (76) + In lockerer Reihe stelle ich unbekannte Bekannte vor
Wie kritisch ist der ALA? Wie laut? Hören Politik und Verwaltung auf ihn? Fragen, die Steffen Wolter als neuer Vorsitzender des Arbeitskreises Lüneburger Altstadt sich nicht alleine stellt. Nicht alleine stellen will. Der 58-Jährige sieht sich als Teil eines Teams. Moderieren, motivieren, bündeln, nach außen vertreten, so umreißt er sein Ehrenamt: "Wir unterstützen uns mit mehreren." Der Verein wandelt sich, viele die vor einem guten halben Jahrhundert bei der Gründung dabei waren, sind gestorben, werden leiser oder ziehen sich zurück. Andere Zeiten, andere Antworten.
Als der inzwischen verstorbene Curt Pomp in den 1970er Jahren begann und Gleichgesinnte sich um ihn scharten, ging es im Wortsinne um einen Häuserkampf. An der Grapengießerstraße ließ ein Braunschweiger Unternehmer mit tatkräftiger Unterstützung von Bauunternehmern, Gewerkschaft, Politik und Verwaltung uralte Häuser für einen Kaufhauskomplex abreißen. Der ist umgezogen, stand lange leer, geblieben ist eine Unwirtlichkeit in der Stadt. Heute soll's kleinteiliger, grüner und gemütlicher sein. All das, was der hellsichtige ALA vorhergesagt hatte, trat ein.
Einiges konnte der Verein retten, weil er damals nicht ganz uneigennützige Verbindungen von Wirtschaft und Verwaltung beleuchtete, weil er unbequem war, weil er überzeugte. So wie später an deren Stellen, Lüneburg wäre heute wahrscheinlich nicht der Touristenmagnet, wenn es der angeblichen Moderne gefolgt wäre. Es kam eigenes Engagement hinzu, Mitglieder erhielten alte Gebäude. Der Verein unterstützte über Einnahmen aus Christmarkt und Alter Handwerkerstraße Restaurierungen.
Das ist geblieben. Der Verein gab gerade Geld, um eine Renaissance-Decke im ehemaligen Hotel Scheffler wieder strahlen zu lassen, gewährte einen Zuschuss für den Dach-Hut eines Türmchens an einem Haus an der Reichenbachstraße.
Gleichwohl wissen Vereinsvorsitzender Wolter und seine Crew, dass sie in Reden zwar geschätzt, aber nicht unbedingt eingebunden werden. Die Sitzgruppe vor dem Luna-Brunnen ist ein Beispiel. Angeblich eine Grüne Oase, die allerdings optisch eher an eine Dürre erinnert, hatten der ALA und zunächst das Landesamt für Denkmalpflege als unpassend kritisiert. Es gab Zusagen, dass die Sitzgruppe anderswo einen Platz finden soll. Doch daran kann sich die Verwaltung nicht erinnern und weil sie so gar keinen anderen Standort findet, stehen die Möbel und Blumentöpfe wieder auf dem Marktplatz. Nur weil viele dort säßen, müsse es weder schön noch passend sein, moniert der Verein weiterhin.
Was nun? Steffen Wolter gibt sich diplomatisch: "Wir sind weiter im Gespräch mit der Stadt, ich bin guter Hoffnung, dass wir eine Lösung finden." Mehr will er nicht verraten. Gesprochen wird darüber seit zwei Jahren. Verärgert ist man, weil man seit längerem keine Antwort auf Anfragen an die Denkmalschutzbehörden erhalten hat.
Beim Umbau der Sparkasse An der Münze, der im Sommer beginnen soll, sei man spät eingeschaltet worden. Die Volksbank am Ochsenmarkt soll ein anderes Gesicht erhalten, ein Café und eine Bar sollen Platz finden neben dem Heinrich-Heine-Haus und seinen vielen Gäste versprechenden Hochzeiten. Bei der Fassadengestaltung seien Anmerkungen des ALA berücksichtigt worden.
Für die Themen zuständig sind unter anderem die Vorstandsmitglieder Rainer Netwall und Rainer Haffke, die einen kritischen, aber konstruktiven Blick auf das Geschehen in der Stadt werfen, die im städtischen Bauausschuss für ihre Position werben. Die kann hochpolitisch sein. Etwa wenn es darum geht, dass Ferienwohnungen und Unterkünfte gewaltig zunehmen, während viele Einheimische verzweifelt nach einer Bleibe suchen. Wie geht die Stadt damit um? Tourismus und städtisches Leben, lässt sich das vereinbaren? Ist es gut, dass Millionen Tagesgäste an die Ilmenau kommen, nutzt es wirklich dem Handel, wenn augenscheinlich mehr Geschäftsleute in die Knie gehen und gut 50 Läden mitten in der Stadt leerstehen? Will Lüneburg das?
Wolter ist dankbar, dass sich Kollegen bei diesen Fragen einsetzen. Auch für die, die das Heft Aufrisse als mahnenden Begleiter der Lüneburger Baugeschehens lebendig halten. Für Führungen durch Stadtteile, die eben zeigen, dass sie sich über die Zeit gewaltig gewandelt haben, Ladenzeilen verschwunden sind, sich die Sozialstruktur verändert hat. Erinnern, um die Moderne zu verstehen und neue Akzente zu setzen.
Dazu kommen Arbeitskreise, die Kostüme pflegen und schneidern, die Stammtische organisieren, die das schaffen, die um den Tagungsraum Kapitelsaal an der Michaeliskirche und den Speicher gegenüber kümmern, all das, was dem Verein Heimat gibt.
Wolter, geboren in Lüneburg, ist ein Rückkehrer. Er lebte aus beruflichen Gründen in anderen Städten. Nun ist er in der Ritterstraße zu Hause, da wohnt auch Inga Whiton, seine Vorgängerin, die sich mit viel Kraft und Zeit für den ALA eingesetzt hat. Wolter ist über seinen Sohn und die Stadtwache zum ALA gekommen. Als Junge fand der die mittelalterlichen Märkte toll, die Familie ließ sich anstecken. Inzwischen machen Vater und Sohn in der Truppe mit.
"Ich bin vor 18 Jahren eingetreten", sagt Wolter. Jetzt sei der Zeitpunkt, mehr zu machen -- in Gemeinschaft mit anderen. Er arbeitet als IT-Spezialist für Schulungszentren, die Stellwerkstechnik der Bahn simulieren. Oft hat er in Kiel zu tun, nicht ständig hier, dazu ein voller Tag, es gehe gar nicht anders, als mit anderen zusammenzuarbeiten.
Weitere Fragen treiben den Vorstand um. Kann die Alte Handwerkerstraße, die eh nur noch als zwei Jahre abgehalten wird, erhalten bleiben? "Die Resonanz der Besucher lässt nach, es wird schwieriger, Handwerker zu finden, die alte Techniken präsentieren wollen, und es gibt mehr Mittelaltermärkte", bilanziert Wolter. Du müsse man die rund 60 Stände einlagern, für den Aufbau sorgen, den inzwischen Helfer erledigen, die der Verein bezahlen muss: "Wir überlegen, wie wir weitermachen."
Dazu gelte es, neue, jüngere Leute zu finden, die sich einsetzen wollen. Die Stadtwache könne so ein Eintritt sein. Das Mitmachen und Merken, dass der Verein mehr ist. Den Weg kennt Wolter. Er lacht und sagt: "Es ist ein Ehrenamt und kostet Zeit und Kraft, aber man bekommt eine Menge Spaß und Resonanz dafür, ist mit netten Leuten zusammen." Es hilft, dass zu sein, wo für der ALA steht, wenn es wie am Anfang um den Häuserkampf geht, denn Gedankenlosigkeit ist nicht verschwunden: "Wir bleiben das schlechte Gewissen in der Stadt." Und für die Stadt. Carlo Eggeling
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