Protest gegen die A 39 — es in unklar, wann der Bau überhaupt beginnt
von Carlo Eggeling am 24.12.2025Am vergangenen Sonntag herrschte wieder ein bisschen Castor-Stimmung in Lüneburg. Demo und Polizeieinsatz. Die Beamten gingen gegen eine Gruppe vor, die im Lüner Holz Seile gespannt und so etwas wie freischwebende Zelte in die Wipfel gehängt hat. Allerdings richtete sich der Einsatz gegen die Bodentruppen des Widerstands. In einer detailreichen Erklärung der Staatsmacht heißt es, man habe bereits vor Tagen gemeinsam mit der Stadt befunden, "die beiden Plattformen als Bauten u.a. aufgrund des Waldgesetzes und der Nds. Bauordnung als rechtlich nicht zulässig und somit als "Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung" einzuordnen. Die wolle man jedoch weiter "beobachten".
Als Demonstranten anfingen, weiteren Hausbau zu betreiben, habe man "den anwesenden Personen den Weiterbau von möglichen weiteren Bauten oder Plattformen" untersagt und "den Abtransport des Materials" veranlasst. Zur Hilfe rief die Polizei Feuerwehr und die städtische Servicegesellschaft AGL. Die Polizei: "Die bereits installierten Plattformen sowie zwei vermeintliche Personen in den Bäumen waren von diesen Maßnahmen nicht betroffen."
Die Partei Die Linke schickt gleich zwei Pressemitteilungen zum Thema, auch das KlimaKollektiv äußert sich. Zusammengefasst: Der Polizeieinsatz sei eine "völlig unangemessene Aktion" gegen "das Protestcamp im Lüner Holz gegen den geplanten Bau der A39". Zwanzig Polizisten seien angerückt und: "Zusätzlich kamen Feuerwehrkräfte mit Kettensägen und Werkzeug, um eine Plattform zu zersägen. Ein Kletterseil wurde durchtrennt, persönliche Materialien der Aktivist:innen wurden mitgenommen und auf die Teilnehmenden Druck ausgeübt."
Vor Ort erklärte einer der Demonstranten am Montagmorgen. Der von der Polizei genannte Anlass einer Mahnwache sei nicht stichhaltig, die gebe es alle Wochen. Vom Markt würden Teilnehmer in der Wald radeln und über den aus ihrer Sicht schädlichen Bau der A39 informieren. Die Polizei habe mit Absicht am Sonntag derart reagiert, um "schlechte Stimmung" gegen den Protest zu schüren. AGL und Feuerwehr hätten schließlich an diesen Tagen frei. Was zumindest bei der Feuerwehr so nicht stammt, denn die besteht überwiegend aus Ehrenamtlichen, die eh in ihrer Freizeit ausrücken -- egal ob Nacht oder Wochenende.
Die Linke Ratsfrau Marianne Esders hat eine Ratsanfrage an die Oberbürgermeisterin geschickt, darin geht es unter anderem darum, warum städtische Einrichtungen die Polizei begleitet hätten. Die Stadt habe den Besetzern zugesagt, "die Baumhäuser zu dulden, andererseits jedoch mit der AGL und der Feuerwehr aktiv an der Räumung beteiligt war". Diese Sicht widerspricht der Pressemitteilung der Polizei, in der es heißt, dass Stadt und Polizei die Besetzung nicht als rechtmäßig erachten.
Im Rathaus schätzt Erster Stadtrat Markus Moßmann die Lage so ein: „Aktuell ist noch eine Klage gegen den Autobahnbau anhängig, es ist kein Baustart absehbar und es sind keine Mittel dafür freigegeben. Uns liegt bislang kein konkretes Interesse der Autobahn GmbH an dem betreffenden Grundstück und einer Nutzung des Grundstücks vor. Wir sehen daher aktuell keinen akuten Handlungsbedarf.“
Die Demonstranten wollen mit ihrer Aktion gegen den Aus- und Weiterbau der A39 protestieren, die sei klimaschädlich und unnötig. Für den Bau müssten Bäume fallen. Allerdings geht es in diesem Bereich eher darum, die bestehende Ostumgehung zu erweitern, anderswo im Verlauf stehen weitergehende Eingriffe bevor, dort wurden bereits Bäume gefällt. Die Strecke soll bis Braunschweig reichen und 105 Kilometer lang sein. Sie soll unter anderem die Bundesstraße 4 entlasten -- dort klagen Anlieger seit langem über Lärm und Krach und einen nicht endenden Verkehrsfluss. Viele hoffen auf den Bau der A39
Die Baumhaus-Gruppe nennt sich Flederhörnchen und verkündet „Lüni bleibt!“ Sie definiert sich als "antiableistisch, queerfeministisch und anarchistisch". Knapp übersetzt meint das, man sei gegen Feindlichkeit gegen Behinderte, lehne die Geschlechterordnung in männlich und weiblich sowie Machtstrukturen ab.
"Lüni bleibt" klingt groß und reiht sich ein in ähnliche Aktionen, die aufs i setzten. "Danni bleibt" meinte beispielsweise den Dannröder Forst im Ohmtal in Hessen. Dort wurde Wald für den Bau der A49 gerodet. 2019 besetzten Umweltschützer Bäume und bauten Hütten. Ende 2020 räumte die Polizei das Gelände in einem Großeinsatz mit Tausenden Beamten. Mehrere Personen wurden damals teils schwer verletzt. Danni blieb nicht, heute zieht sich dort die Autobahn entlang.
Die A39 ist umstritten. Die Wirtschaft und Verbände wie die IHK argumentieren, dass die Verbindung zwischen Braunschweig und dem Hamburger Hafen verkürzt, zudem die A7 entlastet werde. Die Gemeinden entlang der B4 würden deutlich weniger Verkehr verkraften müssen. Die IHK hatte im Sommer 2021 das Institut Forsa mit einer Umfrage beauftragt. Ergebnis: 71 Prozent der Bevölkerung sprachen sich für den Bau der Schnellstrecke aus. Die große Mehrheit der Bürger habe kein Verständnis dafür, dass die Umsetzung von Infrastrukturprojekten wie der Bau der A39 so lange dauert: „Knapp 80 Prozent halten den Zeitraum von der Planung bis zur Fertigstellung für zu lang.“
Die Kritiker, die sich in Bürgerinitiativen zusammengeschlossen haben sowie Umweltgruppen vor Ort, dazu der BUND, der VCD und die Grünen zweifeln am propagierten wirtschaftlichen Nutzen. Es sei günstiger, Ortsumfahrungen entlang der B4 zu bauen, ökologisch betrachtet sei der Flächenverbrauch nicht zu verantworten. Carlo Eggeling
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