Lüneburg, am Montag den 18.08.2025

Reden ist so schön — auch ohne viel zu sagen

von Carlo Eggeling am 25.11.2023


Meine Woche

Was für ein Spaß



Es ist immer schön, wenn wir etwas mitnehmen können. Das klingt sicher, behaglich und persönlich. Wenn ich die Ergebnisse der zweiten Lüneburger Stadtkonferenz Wirtschaft mit Themen wie Fachkräftemangel, Leerstand und Digitalisierung lese, nehme ich mit: Wir müssen mehr reden. Meint besser vernetzen, am besten in einem Workshop, sonst kommt noch jemand auf die Idee, an den alten Spruch zu denken: "Und wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründe ich einen Arbeitskreis." Ich muss gestehen, ich war nicht da, aber habe mit einigen Bekannten gesprochen, die sich "einbringen" wollten. Bestimmt alles Miesepeter, wenn sie bilanzieren, es sei unkonkret und so wenig inhaltsvoll gewesen, dass sie nach dem ersten Workshop gegangen sind.

Gucken wir auf die erste Stadtkonferenz von vor einem Jahr. Da ging's kurz gesagt darum, dass wir uns nicht den Arsch abfrieren, Gaskrise und Co, Sie erinnern sich. Wärmehallen waren im Gespräch. Ich meine, es gab keine. Zum Glück. Als ich jetzt bei den Kollegen der Lünepost ein paar Sätze zur Bilanz des Vorjahres dazu las, hatte ich ein Déjà vu und Mitleid mit den Pressesprechern, die nach Rücksprache mit ihrer Chefetage solche Antworten geben müssen: "Die Konferenz diente vor allem auch dazu, verschiedene Akteure aus der Stadtgesellschaft miteinander zu vernetzen. Durch diesen zum Teil auch bilateralen Austausch einzelner Personen konnten wichtige Erkenntnisse gewonnen werden. So steigerte die Premiere zum einen die Resilienz für einen tatsächlichen Krisenfall, zum anderen war die Informationslage in Lüneburg vermutlich besser als in anderen Kommunen." Man hat sich unterhalten, bilateral, meint ein Zwiegespräch einer mit dem anderen, das schafft Resilienz, übersetzt Abwehrkräfte, und vermutlich ist man deshalb besser informiert.



Dankbar nehme ich noch eine Sentenz unser Oberbürgermeisterin mit, die vermutlich wie die Sätze davor aus dem Satzbaukasten "Passt auf alles" stammt: "In den vergangenen Jahren haben wir gezeigt, dass wir in Zeiten großer Herausforderungen als Stadtgesellschaft zusammenstehen, solidarisch, vielfältig und bunt sind. Darauf können wir stolz sein. Denn nur gemeinsam werden wir die großen Herausforderungen unserer Zeit meistern." Aha. Warum bloß vermisse ich das Ich der Frau Oberbürgermeisterin? Ich habe die Idee, dass wir künftig… Aber gab mal wieder ein schönes Foto.

Ich würde sagen: Endlich mal etwas, womit sich die Führung des Rathauses für den Deutschen Comedy-Preis bewerben kann.

Das ist genau so lustig wie das Schauspiel in Berlin. Die vielen Nebenher-Schulden in Fonds seien nicht statthaft, hat das Bundesverfassungsgericht geurteilt. Angekommen ist bei Akteuren nicht, ihr brecht den den Grundsatz der Schuldenbremse, sondern welche legalen Steuertricks basteln wir uns jetzt zusammen, um weiter Geld auszugeben, das wir nicht haben, um alle versprochenen Wohltaten zu verteilen. Vermutlich besuchen viele den gleichen Kreativ-Workshop, der sie resilient durch die Krisen gehen lässt. Sie leben nach der Devise des Komikers Karl Valentin: "Ein Optimist ist ein Mensch, der die Dinge nicht so tragisch nimmt wie sie sind."



Natürlich muss man sagen, so viel Krise wie jetzt war noch nie. Egal ob im Rathaus oder im Kanzleramt und den Ministerien, die haben's nicht leicht. Flüchtlingskrise 2014, zusammenbrechende Wirtschaft in Griechenland, Terrorattacken unter anderem gegen die Twin-Towers in New York 2001 -- alles pille palle gegen heute.



Wieder zurück in die mehr als tausend Jahre alte Salzstadt, die den Sturm des Herzogs, den 30-jährigen Krieg und den gewaltigen Flüchtlingsstrom nach dem Zweiten Weltkrieg gemeistert hat, die von einer Garnisons- zur Uni-Stadt wurde. Pille palle. Deshalb freut ein positives Signal aus dem Rathaus: 120 000 Menschen laufen pro Woche über die Kleine Bäckerstraße, die Stadt ist voll trotz aller Unkenrufe, dass Parken so gar nicht mehr geht. Die Stadt hat nun das achte Lasergerät aufgebaumelt, dass die Frequenz misst. Ist klasse, wenn wir bei rund verwaisten 40 Läden in der Innenstadt immer noch sagen können: Lüneburg ist beliebt.

Das war beim verkaufsoffenen Blaulichttag zu beobachten, von den Strategen des Handels hoch gelobt. Die Bilanz der Kaufleute fiel nüchterner aus. Wer von Markt zum Sand und zurücklief, traf zwar viele Menschen, blickte aber in fast leere Läden. Einen eigenen Sinn erhält ein Satz aus der Pressemitteilung der Stadt zu den neuen Zählapparaten: "Wir merken, dass die Händler:innen die Zahlen häufig nutzen. Sie können stündlich genau erfassen, wie viele Personen an ihrem Geschäft vorbeigehen." Ich hätte gedacht, es wäre gut, wenn die Personen in die Geschäfte hineingingen. So kann man sich täuschen. Nochmal Karl Valentin: "Hoffentlich wird es nicht so schlimm, wie es schon ist."

Der Mann war Komiker, der hat's nicht so gemeint. Oder doch? Egal, bleiben Sie heiter. Irgendwas geht immer. Carlo Eggeling

© Fotos: ca


Kommentare Kommentare

Kommentar von Ingo Gihl
am 25.11.2023 um 17:07:41 Uhr
Sorry, aber wenn die Leute, die in der Kleinen Bäckerstr unterwegs sind, nicht in die Geschäfte gehen, liegt es vllt am Angebot? Oder soll die Stadt in der Bäckerstraße zurück ins Mittelalter, und eine Landwehr zum Zwangsgang durch die Läden erzwingen?


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