Rückkehr ins modernisierte Mittelalter
von Carlo Eggeling am 15.11.2024Alles sollte viel schneller gehen, zwei, drei Jahren hieß es, nachdem das Heiligengeiststift im April 2019 bis auf die Grundmauern niederbrannte. Es wurden reichlich fünf Jahre. Denn als die Fachleute anrückten, um zu sanieren und restaurieren, erkannten sie schnell, dass das Gebäude, dessen Geschichte bis ins 13. Jahrhundert zurückreicht, eine Menge mehr brauchte, um weitere Geschichte schreiben zu können. Nun rückten Bauarbeiter und Handwerker ab. Im Dezember ziehen die ersten Mieter in die 13 Wohnungen ein. Am Freitag stellte die Stadt das Ergebnis vor. Es ist gelungen.
Für die Stadt nahm Projektleiterin Lena Westermann Stellung, für das Hamburger Architektenbüro PMP Eva Westphal. Ein Mieter hatte den Brand damals verursacht. Binnen Minuten stand der Dachstuhl in Flammen, die Feuerwehr mit Großaufgebaut vertreten, konnte den Wohntrakt nicht retten, aber die benachbarte Grundschule. Die Helfer setzten Zehntausende Liter Wasser zum Löschen ein -- es ging gar nicht anders. Aber Feuer und Nässe hatten gewaltige Folgen.
Man habe letztlich nur ein Gerippe stehen lassen können, um tragende Balken austrocknen zu lassen, Sand als Bodenbelag musste entfernt werden. Stein für Stein entnahmen Maurer aus den Gefachen, um sie aufzuarbeiten. Denn das Stift steht selbstverständlich unter Denkmalschutz. Doch damit nicht genug. Tragende Konstruktionen waren so angegriffen, dass Handwerker sie austauschten und durch ein Stahlgerüst ersetzten, das den Druck nun auf Randberiche verlagert. Schließlich setzten die Fachleute das Stift, das 1929 um ein Geschoss aufgestockt wurde, wieder zusammen.
Der Gebäude-Komplex "hospitalis sancti Spiritus", erstmals 1277 erwähnt, mit dem prägenden Dachreiter war einst die Heimat für Arme und Bedürftige, denn eine Sozialversicherung gab es vor sieben Jahrhunderten nicht. Reiche Patrizier, die ihren Reichtum mit dem weißen Gold, dem Salz der Saline, verdienten, wollten etwas für ihr Seelenheil tun -- die Hoffnung auf einen Fensterplatz im Himmel. Also gaben sie Geld um vor allem Salinenarbeitern als sogenannten Prövnern eine Unterkunft und Versorgung zu geben. Zu erkennen ist das noch heute an der Zellenstruktur, die an ein Kloster oder Krankenhaus erinnert. Heute wurden aus mehreren Kammern Wohnungen zwischen 30 und 50 Quadratmetern groß.
Geblieben ist, dass die Unterkunft wie im Mittelalter unter dem Dach einer städtischen Stiftung geführt wird. Für die sagt Lars Tammen, das wieder Bedürftige in die Wohnungen ziehen. Es sei kein Altenheim, Pflege sei nicht möglich. Barrierearm habe man gebaut, mehr ließ das mittelalterliche Gebäude nicht zu. Einen Fahrstuhl gibt es nun, um das obere Stockwerk zu erreichen.
Die Kosten beziffert die Verwaltung mit 9,5 Millionen Euro, acht Millionen erstattete die Versicherung, 1,5 Millionen fließen aus Stiftungsmitteln. Sieben der alten Bewohner kehren zurück. Sie haben sehnsüchtig darauf gewartet, wieder in ihr altes Zuhause zu ziehen -- sie kamen während der Bauarbeiten immer wieder vorbei, um zu gucken, wann es soweit ist. Carlo Eggeling
Fotos: Lena Westermann und Eva Westphal erklären, wie die Arbeiten liefen. Bilder geben einen Eindruck von den Räumen und vom Zustand nach dem Brand.
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