Schlappe für ehemalige Ratsvorsitzende
von Carlo Eggeling am 29.11.2023Der Vorfall ist vier Jahre her: Die damalige Ratsvorsitzende Christel John entzog dem Linken Ratsherrn Michèl Pauly das Wort. Er hatte Politiker der AFD als Mitglieder einer „rechtsextremen Fraktion“ bezeichnet. Die CDU-Frau entzog ihm das Wort, es sei beleidigend und ein Verstoß gegen die Geschäftsordnung. Dagegen ging Pauly vor, der inzwischen nicht mehr im Rat sitzt und aus der Partei ausgetreten ist. Pauly gewann jetzt vor dem Verwaltungsgericht. Das Foto zeigt Pauly, der inzwischen Sitzungen des Kommunalparlaments filmt und im Netz veröffentlicht.
Das teilt das Verwaltungsgericht mit:
Klage eines ehemaligen Ratsmitglieds der Hansestadt Lüneburg auf Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Wortentzugs erfolgreich
Die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Lüneburg hat mit Urteil vom heutigen Tag (Az. 1 A 30/20) der Klage auf Feststellung, dass ein in der Ratssitzung im Jahr 2019 gegenüber dem Kläger ausgesprochener Wortentzug rechtswidrig war, stattgegeben.
Der Kläger war Mitglied und Vorsitzender der Fraktion der Partei Die Linke im Rat der Han- sestadt Lüneburg. Am 29. September 2019 fand eine Sitzung des Rates statt, in der die Be- klagte den Ratsvorsitz ausgeübt hat.
Die Kammer erachtete die Feststellungsklage als zulässig. Insbesondere sei ein berechtigtes Interesse des Klägers weiterhin gegeben, auch wenn er nicht mehr Mitglied im Rat der Han- sestadt Lüneburg und aus der Fraktion der Partei Die Linke ausgeschieden sei. Weiter sei die Klage auch begründet. Der Wortentzug habe gegen die Geschäftsordnung des Rates der Hansestadt Lüneburg verstoßen. Zwar leite nach dem Niedersächsischen Kommunalverfas- sungsgesetz (§ 63 Abs. 1 NKomVG) die Vorsitzende die Verhandlungen und sorge für die Aufrechterhaltung der Ordnung in den Sitzungen. Die Voraussetzungen für den Wortentzug nach der auf der Grundlage des § 69 Satz 2 NKomVG erlassenen Geschäftsordnung des Rates, konkret nach deren § 17 Abs. 2, hätten jedoch nicht vorgelegen. Es habe an den Vo- raussetzungen, die kumulativ erfüllt sein müssten, gefehlt. Der eindeutige Ruf „zur Ordnung“ unter Nennung des Namens des Klägers sowie dessen nochmalige Verwarnung seien nicht erfolgt.
Auf die weitere, zwischen den Beteiligten strittige Frage, ob die vom Kläger verwandte For- mulierung der „rechtsextremen Fraktion“ einen Verstoß gegen die Geschäftsordnung darge- stellt habe, komme es damit nicht mehr in entscheidungserheblicher Weise an.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Beklagte kann innerhalb eines Monats nach Zu- stellung des Urteils einen Antrag auf Zulassung der Berufung beim Niedersächsischen Ober- verwaltungsgericht stellen.
Verwaltungsgerichtsbarkeit Niedersachsen
§ 63 NKomVG – Ordnung in den Sitzungen
(1) Die oder der Vorsitzende leitet die Verhandlungen, eröffnet und schließt die Sitzungen, sorgt für die Aufrechterhaltung der Ordnung und übt das Hausrecht aus.
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Katharina Brunotte
Kim Corinna Rosenstock
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§ 69 NKomVG – Geschäftsordnung
1Die Vertretung gibt sich eine Geschäftsordnung. 2Diese soll insbesondere Bestimmungen über die Aufrechterhaltung der Ordnung, die Ladung und das Abstimmungsverfahren enthalten.
§ 17 Geschäftsordnung des Rates der Hansestadt Lüneburg i.d.F. v. 1.11.2016
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(2) 1Persönliche Angriffe und Beleidigungen sind von der/dem Ratsvorsitzenden sofort zu rügen. 2Verstößt ein Ratsmitglied gegen die Bestimmungen der Geschäftsordnung, so kann die/der Ratsvor- sitzende das Ratsmitglied unter Nennung des Namens „zur Ordnung“ rufen. 3Folgt das Ratsmitglied dieser Ermahnung nicht, kann die/der Ratsvorsitzende ihm nach nochmaliger Verwarnung das Wort entziehen. 4Ist einem Ratsmitglied das Wort entzogen, so darf es nach zu diesem Punkt der Tages- ordnung nicht mehr sprechen.
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