Lüneburg, am Sonntag den 01.12.2024

Schwul. Na und?

von Carlo Eggeling am 30.11.2024


Meine Woche
Streit. Wie gut

Endlich gab's mal wieder Streit im Rat, wie schön. Es ging um Grundsätzliches, wie schnell setzt Lüneburg ein verändertes Verkehrskonzept um? Zu langsam, fanden Grüne und Linke. Zu pauschal und ohne ausreichende Mitsprache der Politik, meinten SPD, CDU und FDP. Am Ende setzten sie sich am Donnerstag durch, das Dreier-Bündnis nutzte seine Mehrheit. Die Empfehlung zum Nachhaltigen urbanen Mobilitätsplan nehme man lediglich zur Kenntnis, bei den Schritten, die folgen, muss sich die Verwaltung nun die Zustimmung der Politik einholen.

Das bremse, finden die Kritiker. Es gehe nur um Empfehlungen, Einfluss sei möglich. Für die andere Seite formulierte SPD-Ratsfrau Hiltrud Lotze es so: "Wir nehmen uns das demokratische Recht heraus, eine andere Meinung zu haben. Wir halten es für nicht vertretbar, diesen Strauß von Vorschlägen mit einem Blankoscheck zu versehen."

Zum Ergebnis kann man stehen wie man will. Interessant ist der Weg. Denn das Thema stand schon bei der vergangenen Ratssitzung auf der Tagesordnung. Der grüne Stratege Ulrich Blanck hatte die Abstimmung geschickt unmöglich gemacht, um einen Monat lang zu mobilisieren. Vor der Tür der Sitzung demonstrierten 40, 50 Vertreter der Umwelt- und Radlerverbände, um Druck zu machen. Da stehen dann meist dieselben Menschen, die sich vielfältig engagieren und daher in mehreren Gruppierungen aktiv sind, das scheint in der Aufzählung der Organisationen viel. Zusammengezählt schrumpft die Massenbewegung bei mehr als 75 000 Einwohnern.

Politisch kassierten die Grünen und die Verwaltungsspitze der grünen Oberbürgermeisterin eine Niederlage. Ob die zeitweilige Dreier-Koalition daraus lernt und auch an anderer Stelle andere Akzente setzt? Könnte Lokalpolitik interessanter machen.

Ernstes Thema mit Kapriolen. In Kaltenmoor haben Unbekannte binnen eines Tages zwei Homsexuelle zusamengeschlagen, die sich über das Internet dort mutmaßlich für ein Tête-a-Tête verabredet hatten. Eines der Opfer gehört dem Vorstand der Jungen Union an. Die Polizei weiß zwar noch nicht, wer die Täter sind, die Junge Union schon: "Die innere Sicherheit in Deutschland und auch bei uns in Lüneburg ist stark gefährdet. Auch, und das muss man in aller Deutlichkeit sagen, durch mangelnde Integrationsbereitschaft von gewissen Menschen mit Migrationshintergrund, die vor brutaler Gewalt gegen deutsche Mitbürger nicht zurückschrecken. Um dies klarzustellen, wir stellen niemanden unter Generalverdacht."

Doch, das tut die JU. Das ging der lokalen CDU offenbar zu weit, die äußerte sich in einer umfangreichen Erklärung differenzierter. Ein Ratsherr kam am Donnerstag an den Pressetisch und versuchte zu erklären, dass Journalisten die JU-Worte nicht so ernst nehmen sollten. Es soll innerhalb der Partei Protest gegeben haben -- von Parteimitgliedern mit Migrationshintergrund.

Zudem stellt sich die Frage, warum die JU in ihrer Mitteilung so verdruckst ist und nicht erwähnt, dass ihr Freund homosexuell ist und damit die queere Gemeinschaft der Stadt vor einer möglichen Gefahr warnt. Eben das wäre der Mut, den die JU fordert: Schwul und lesbisch sein ist ganz normal. Hat sie irgendwie vergessen in ihrer Weltoffenheit.

Vergangenen Sonntag saß ich im Tunten-Express, mit dem Historienzug tuckerten wir mit der der queeren Gemeinschaft nach Amelinghausen, Freunde hatten mich eingeladen. War sehr lustig. Mir gegenüber saß ein schwules Paar, einer aus Ulm, der andere aus Eutin. Kennengelernt hatten sich beide vor kurzem über ein Portal im Internet. Wie das inzwischen bei vielen passiert, egal, wie sie lieben. Wunderbar, wie glücklich die beiden waren, wunderbar wie normal das war.

Mal sehen, ob die JU-Vertreter am Samstagmittag um 11 Uhr auf dem St. Stephanus-Platz dabei sind, wenn es gilt, Solidarität mit der Queeren Gemeinschaft zu zeigen und gleichzeitig gegen Rassismus einzustehen.

Gutes Wochenende, egal, wie Sie lieben. Carlo Eggeling

© Fotos: ca


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