Lüneburg, am Montag den 18.08.2025

Senioren übernehmen das Heft des Handelns

von Carlo Eggeling am 07.02.2024


120, 130 Frauen und Männer, alle 60 und älter, sitzen an sechs Tischen in der Ritterakademie, geordnet nach Stadtteilen. Sozialdezernent Florian Forster sagt, alle können mit allen reden und sind "aufgefordert die Tische zu wechseln". So könne man alle kennenlernen, die Delegierte für die Wahl zum Seniorenbeirat werden wollen. Eine Frau meldet sich und sagt. "Wir sind doch Delegierte für alle Senioren." Forster sagt, das sei richtig, gewählt werde für die gesamte Stadt. Helfer tragen mehr Stühle in den Saal, denn die Plätze reichen nicht. Es wirkt ein wenig konfus am Mittwochnachmittag.

Einzelne lassen Streuselkuchen und Kaffee stehen und gehen nach vorne, wo Forster und drei Mitglieder des aktuellen Beirats sitzen. Die Menschen wollen wissen, wofür der Beirat zuständig ist, was er macht. Unruhe, was sollen wir hier? Wortmeldungen. Es stünden bekannte Namen auf den Listen, doch was sei mit denen, die man nicht kenne? Wo ist ein Overhead-Projektor, der Gesichter auf eine Leinwand werfe? "Ich würde nicht gern jemand wählen, der wie ein Griesgram aussieht", sagt ein Mann. Eine Frau nennt Themen: Aus den Liegestühlen der Grünen Oasen komme man gar nicht mehr heraus. Und: "In wie vielen Ausschüssen des Rates ist der Beirat vertreten?" Forster antwortet: "Mehrere." Von der Seite schallt: "Zwei!" Es sind Verkehrs- und Gesundheitsausschuss, ergibt ein Blick auf die Internetseite der Stadt. Forster: Fragen würden die Kolleginnen des Senioren-Stützpunktes auf Nachfrage beantworten.

Der Dezernent gibt keinen Ablauf vor. Nicht nur einer aus dem Publikum spricht an, was naheliegt: Aus den von der Stadt verschickten Wahlunterlagen gehe nicht hervor, was die Kandidaten beruflich oder ehrenamtlich gemacht haben oder machen. Sinnvoll wäre es, wenn jeder sich vorstellte. So geschieht es auch, rund 60 Männer und Frauen berichten, warum sie kandieren. 75 stehen mit Namen und Adresse auf der verschickten Liste. Aus den 60 Delegierten werden fünf zu Sprechern gewählt.

Elke Ermler, eine aus dem bestehenden Beirat, gibt einen Überblick über die Arbeit des Gremiums. 20 000 Bürgern können die Vertretung wählen, ein Viertel der Einwohner Lüneburgs. Man arbeite in mehreren Beiräten zum Thema Mobilität mit, da gehe es beispielsweise um Buslinien und Schwierigkeiten, die Ältere mit dem Kopfsteinpflaster hätten, regelmäßig veranstalte der Beirat gemeinsam mit der Scala Filmnachmittage, biete Sprechstunden an, man habe kein eigenes Büro und einen Etat von 800 Euro im Jahr. Ein Teil gehe schon für Fahrkarten drauf, wenn man zum Landesseniorenrat nach Hannover reise. Staunen im Publikum. Auch wenn es hier keiner erwähnt: Anfügen kann man, dass die SPD im Rahmen der Haushaltsdebatte 2024 gefordert hatte, den Betrag auf 12 000 Euro aufzustocken, auch um Veranstaltungen finanziell zu unterstützen. Die Ratsmehrheit lehnte ab.

Es ist der zweite Anlauf zur Wahl, darüber verlor die Verwaltung kein Wort. Ende vergangenen Jahres stellte man im Sozialdezernat fest, dass Hunderte Senioren keine Wahlbenachrichtungen erhalten hatten, die Abstimmung wäre anfechtbar gewesen. Notbremse, Absage, das nötige politische OK holte sich Forster allerdings erst Wochen später ein. Ein Fehler in der IT, lautete die Erklärung Forsters. Nicht einmal die 75 Kandidaten erhielten Post, dass die Wahl wiederholt werden müsse.

Lediglich Alt-Beiratsvorsitzender Manfred Stark gab eine kurze Erklärung: "Die erste Wahl ist leider schief gelaufen, deshalb sind wir noch im Amt." Er hoffe, dass die Neuen im April übernehmen könnten.

Bis zum 28. Februar müssen die Stimmzettel abgegeben sein, am 4. März sollen sie ausgezählt werden. Jeder Wähler hat eine Stimme. Ob man erfahre, wer zum Delegierten gewählt worden sei?, wollte ein Zuhörer wissen. Mit Amtlichen Bekanntmachungen habe man seine Pflicht erfüllt, entgegnete Forster. Man könne auch eine Presserklärung an die Landeszeitung geben. Die wiederum ist nicht verpflichtet, die Namen zu veröffentlichen. Eine Anzeige schalten, selber ins Internet gehen? Er danke für die Anregung, sagte der Dezernent, der sich selber als IT-Fachmann beschrieben hatte, als er sich im Rat zur Wahl gestellt hatte.

Wie groß das Interesse der LZ an der Versammlung war, der Altersdurchschnitt der Leser soll bei Ende 60 liegen, war augenscheinlich: Es war kein Journalist aus der Redaktion im Saal zu sehen. Carlo Eggeling

© Fotos: ca


Kommentare Kommentare

Kommentar von Räbiger
am 12.02.2024 um 18:22:44 Uhr
Senioren werden wach. Müssen sich einbringen! Dem Rat die begründeten Vorlagen zur Abstimmung vorlegen.
Die Corona-Pandemie hat die Pflegekatastrophe aufgezeigt. In der Politik und den Medien werden Lobbyinteressen aufgenommen. Über die 85 % der Pflegebedürftigen müssen in der Häuslichkeit von An- und Zugehörigen gepflegt werden. Ihre physische und psychischen Not muss gesehen, darf nicht länger verschämt verschwiegen werden.
Senioren müssen eine Lobby bilden. Statt Beruhigungspillen annehmen, müssen wir Senioren uns auch gegen Widerstände zur eigenen Sicherheit einbringen. Aufstehen, aktiv werden. Nicht länger die schweigende Mehrheit bilden. Ratsfraktionen zum Handeln auffordern. "aktiv altern"


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