Sie wollen an die Spitze — lustige Sülfmeistertage
von Carlo Eggeling am 01.10.2025Aufgespießt
Immer vorne weg. Nur wer?
Pose kann Posse werden. Die Sülfmeistertage bieten sich dafür als Schauspiel mit Verkleidungen an. Es gibt Erzählungen und eine offizielle Version. Vorhang auf. Es ist fast eine Tradition, dass der nimmermüde Vorsitzende der Händlervereinigung LCM, Heiko Meyer, mit seinem Sohn vor dem Festumzug herläuft, um für die nötige Durchlässigkeit zu sorgen. Lautstark. Wie ein Ausrufer in der Renaissance.
Am vergangenen Sonntag, war das nicht mehr gewollt. Teilnehmer sagen, die Oberbürgermeisterin habe sich daran gestört. Meyer werde zu viel Raum gegeben. Angeblich habe die Chefin des Stadtmarketings, Veranstalterin des Drei-Tage-Spektakels, Meyer die Spitzenfunktion nehmen sollen. Der zeigte sich nicht einsichtig, wollte voranschreiten. OB Claudia Kalisch soll das sehr gestört haben, sie habe, so berichten Ohrenzeugen, angeblich einen "Ratsbeschluss" herbeigeführt, Meyer gehöre nicht an die Front. Beim Ratsbeschluss soll es sich um eine Befragung der Anwesenden Ratsherren und -damen gehandelt haben. Beschlussfähig als Gremium dürften sie formal kaum gewesen sein. Stichwort Ladungsfristen.
Meyer, der vor vier Jahren als parteiloser OB-Kandidat angetreten war und ins Finale kam und der möglicherweise im nächsten Jahr wieder antritt, musste weichen. Wieder Hörensagen: Weil man keinen Wahlkampf wolle.
Nun ja, so gab es strahlende Bilder der Oberbürgermeisterin umrahmt von Kostümträgerinnen und der Stadtwache, die ALA-Mitglieder stellen. Im Arbeitskreis Lüneburger Altstadt nehmen einige diese Pose als Posse wahr, ergaben Telefonate -- der Verein verstehe sich als überparteilich. Ach ja, Claudia Kalisch, immer sehr fotoaffin, will für die Grünen im Herbst 2026 erneut als OB-Kandidatin antreten. Das hat natürlich nichts mit einander zu tun.
Warum die ALA-Herren mehr rechtliche Kompetenz und Vermögen aufweisen als der -- ohne ihm zu nahe treten zu wollen -- kräftig gebaute Heiko Meyer, wissen das Stadtmarketing und die Oberbürgermeisterin samt ihrer nickenden Ratsmitglieder sicher zu beantworten.
Eine Nachfrage an die Pressestelle mit der Bitte um eine Stellungnahme der Oberbürgermeisterin ergab folgende Stellungnahme:
"Die Organisation des Umzugs liegt in den Händen der Lüneburg Marketing GmbH (LMG). Von dort gab es die Vorgabe, dass die Stadtwache den Festumzug anführt und mit Abstand vorwegläuft, um den Weg für die Umzugsteilnehmenden frei zu halten. Die Oberbürgermeisterin hat vor Ort die Position der LMG unterstützt. Seitens Heiko Meyer gab es den Wunsch, diese Aufgabe zusammen mit zwei Jugendlichen zu übernehmen. Ein Anliegen, das weder die Oberbürgermeisterin noch die anwesenden Ratsmitglieder unterstützen konnten. Es gab auch keinen Auftrag an die LCM, hier offizielle Sicherheitsaufgaben wahrzunehmen, wofür sie auch nicht qualifiziert wären.
Wenn die LMG hier Bedarf gesehen hätte, hätte sie entsprechendes Sicherheitspersonal – sprich KOD und Polizei – hinzugezogen. Die LMG hat stattdessen den Umzug bewusst durch die Stadtwache anführen lassen. Diese hat durch ihr Auftreten eine besondere Autorität und gibt dem Umzug zugleich vom ersten Anblick an eine mittelalterliches Ansehen.
Die Stadtwache hat ihre Aufgabe sehr erfolgreich umgesetzt, der Umzug hat zwischendurch pausiert oder das Tempo verlangsamt, das ist aber für Umzüge dieser Größe völlig normal. Die LMG hat viel positives Feedback bekommen und wird die Anführung durch die Stadtwache auch künftig so beibehalten."
Zum Thema Erfolg wäre anzumerken, der Umzug hatte deutliche Verspätung, weil er trotz der überzeugenden Stadtwache nicht an parkenden Autos vorbeikam und weitere Widrigkeiten Probleme bereiteten. Der Handel monierte das, denn die Geschäfte schlossen ihre Türen um 13 Uhr zum verkaufsoffenen Sonntag auf.
Abzuwarten bleibt, wie die Wahlen im kommenden Jahr ausgehen. Da die Sülfmeistertage alle zwei Jahre stattfinden sollen, könnte eine Trachtengruppe dann den/die künftigen König/Königin begleiten. Verzeihung, OB selbstverständlich. Das Fest der Historie hat manches mit Gaukelei zu tun. Wie schön, wenn sich Pose und Posse treffen. carlo
Kommentare
Zu diesem Artikel wurden bisher keine Kommentare abgegeben.