Lüneburg, am Donnerstag den 14.08.2025

Sie haben die Wahl

von Carlo Eggeling am 08.02.2025


Marco Mätz ist ein praktischer Mann. Er schaut sich im Internet etwa bei Facebook und Instagram Videos in leichter Sprache an, um sich über Programme der größeren Parteien zu informieren. "Die kleinen Parteien findet man bei Tiktok", sagt der 35-Jährige. Lesen kann er die Papiere der Parteien nicht: "Ich bin Analphabet." Trotzdem will er wissen, wofür die unterschiedlichen Kandidaten stehen. Auch wenn er am 23. Februar sein Kreuz macht, weiß er wie es geht: "Ich hole mir einen Wahlhelfer." Der erkläre ihm, wo wer auf dem Wahlschein steht. "Aber mein Kreuz mache ich allein." Mätz arbeitet in den Werkstätten der Lebenshilfe am Vrestorfer Weg. Lüneburg aktuell hat ihn und zwei seiner Kollegen getroffen. Die Frage, wie wählen Menschen mit Behinderungen? Dürfen sie überhaupt ihre Stimme abgeben. Agnes Franosch leitet die begleitenden Dienste. Sie sagt: "Eine Behinderung ist kein Grund, nicht wählen zu dürfen. Nur wer nicht mehr geschäftsfähig ist, darf seine Stimme nicht abgeben." Wer körperlich eingeschränkt ist, weil er etwa mit spastischen Lähmungen lebt, könne einen Assistenten beauftragen, den Wahlzettel auszufüllen. Eine körperliche Einschränkung bedeute ja nicht, dass sich jemand nicht ausdrücken könne. Viele Betroffene nutzten zudem die Briefwahl. Nicht jeder traue sich, in ein Wahllokal zu gehen. Die Unsicherheit und die Sorge, auf wen man dort treffe, seien Gründe. Marco Mätz hat diesen Mut. "Ich sage, dass ich Analphabet bin, damit gehe ich offen um." Dann die Unterstützung zu nutzen, die ihm zusteht, findet er richtig. Er informiert sich regelmäßig über politische Themen, nicht nur im Netz, er schaltet im Fernsehen Nachrichten an. So hält es auch Julia Hosse. Die 21-Jährige weiß, dass Bundeskanzler Olaf Scholz Wirtschaftsminister Christian Lindner entlassen hat und dass die Folge davon vorgezogene Wahlen sind. Aber sie sagt auch: "Es oft schwer zu verstehen, worum es geht." Als sie das erste Mal wählen durfte, "habe ich mich erschrocken, wie lang der Wahlzettel ist". Sie überlege bis zum Schluss, wen sie wähle. Deshalb findet sie gut, was Sascha Ewald organisiert. Der 46-Jährige ist seit acht Jahren Vorsitzender des Werkstattrates, der Arbeitnehmervertretung der Menschen mit Behinderungen. Ewald organisiert gemeinsam unter anderem mit der Leiterin der Werkstattbereiche, Katja Zobel, Informationsveranstaltungen an drei Standorten der Lebenshilfe in den Kreisen Lüneburg und Harburg: "Das haben wir schon zur Europa-Wahl gemacht." Selbstverständlich gebe es keine Wahlempfehlung, sondern eine Vorstellung der Programme der Parteien mit dem Blick auf die Anliegen von Menschen mit Handicaps. Eigentlich habe man Vertreter der Parteien einladen wollen, doch durch die kurze Zeit bis zur Wahl klappe das nicht. Ewald weiß, was Politiker bei den sogenannten sozialen Medien anbieten. Er zieht ein Fazit ähnlich dem vieler Journalisten und Wahlforscher: Die klassischen Parteien sein dort im Gegensatz zur AfD eher schlecht aufgestellt. Die AfD komme mit ihren Auftritten bei vielen Menschen mit Behinderungen gut an, obwohl die Partei Inklusion eher herunterfahren möchte, weil sie zu teuer sei und wenig bringe. Aus Ewalds Sicht braucht es beispielsweise Werkstätten für die, die auch mit Hilfe nicht auf dem ersten Arbeitsmarkt bestehen können. Carlo Eggeling Foto: Julia Hosse, Agnes Franosch und Marco Mätz erklären, wie sie sich informieren. Sascha Ewald ist per Internet dabei. Lüneburg aktuell startet in der kommenden Woche eine Serie, in der Bundestagskandidaten Stellung nehmen, wie sie sich für Menschen mit Behinderungen einsetzen wollen.

© Fotos: ca


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