Lüneburg, am Samstag den 20.12.2025

Späti. Nie zu spät

von Carlo Eggeling am 20.12.2025


Meine Woche
Wirtschaftswunder. Späti

Lüneburg kann sich über einen neuen Erfolg freuen. Eine Lücke im Leerstand hat sich geschlossen. Ein neuer Späti bietet eine kunterbunte Warenwelt. Auch optisch eine Bereicherung an der Ecke Am Berge/Rosenstraße. Leuchtend neben einer winterverschlafenen Baustelle, Containergerödel und einem Schwung Fahrradbügel. Undenkbar die Speichen-Oase zu kappen und dem angrenzenden Café ein paar mehr Außenplätze zu gewähren. Oder dem schönen Heidkrug ein ansprechendes Entrée.

Dieser Dreiklang mit zwei weiteren Läden samt ähnlichem Sortiment ist ein Beispiel gelungener sozialer Marktwirtschaft. Drei Läden bedeuten Wettbewerb, sozial erfüllt sich der Versorgungsauftrag: genug Hoch- und Flachgeistiges für einen (be)rauschenden Flug durch die Nacht.

Diese Kombi belebt das Wasserviertel samt Grenzgebieten noch weiter. Das Karree vibriert durch Attraktionen. Neulich hat mir ein Geschäftsmann erzählt, fahre er ins Parkhaus Am Berge, bekomme er diverse Pulver angeboten von Schwarzhändlern, die nach dem riechen, was zuvor in seiner Duftabteilung abhanden kam. Zufall. Wirtschaftskreislauf.

Besonders geht es im Viertel weiter. Die Conventstraße zieht sich gerade und olfaktorisch wie eine Pissrinne zur Ilmenaustraße. Am Fluss spielt die Polizei mit Dealern Fang mich. An der Ecke zum Bergström-Komplex mutet eine Garagenanlage an wie eine Außenstelle eines Hochsicherheitstrakts: Nato-Draht und schwere Tore. Notwehr der Eigentümerin, die es leid war, Dreck, Lärm und Beschwerden der Anwohner zu ertragen, wie sie mir erzählte.

An den Versorgungseinrichtungen für Partygänger und Kampftrinker ist abends ein kulturelles Programm mit Wummerboxen und Poetry Slam zu beobachten – oder hat das nix mit Kunst zu tun, wenn Rhetoriker lautstark ihre Meinung sagen?

Nachbarn erzählen, wie Gäste, von denen sie nichts haben, auf Simsen und Stufen sitzen, wie sie Verpackungen, Scherben, Ausscheidungen in jeglicher Form, Farbrichtung und Ausdünstung vorfinden, wenn sie morgens ihre Läden aufschließen. In der Nacht kommen die, die vorgeglüht haben an die Türen der Nachtlokale am Stint und wollen mitfeiern. Tanzen und Klo gehören zum konsumbeschränkten Konzept der Individualisten irgendwie dazu. Ein Späti kann nicht alles bieten. Und eine Stadt nicht alles regeln, was der Staat der Gastronomie vorschreibt.

Dieses nachschwärmerische Verständnis konsumfreier Orte findet wiederum bei Wirten erstaunlich wenig Verständnis, die Türstehern pro Nase und Nacht rund 150 Euro zahlen, um Besucher abzuwehren, die den aufrechten Stand am Pinkelbecken schwer bewältigen sowie Einzelhändlern, die ambulant bewusstseinserweiternde Stoffe gern im Lokal lokal absetzen wollen.

Ich habe bei Ratssitzungen gelernt, man soll nichts schlecht reden. Positiv: Das veränderte Treiben macht Alltag und Stadtbilder vielfältiger. Egal, ob Lüneburg, Landau oder Lüdenscheid, es gibt ein reiches Angebot, um sich ein Handy zu besorgen, für den Haar- und Bartschnitt braucht Mann nicht weit zu laufen, Obst- und Gemüseläden beleben farblich die Innenstädte. Wenn nachts der Durst sticht – Späti. Soziale Marktwirtschaft für alle.

Schon ein bisschen gemein und kontraproduktiv, dass ab und an Zoll und Fahnder des Finanzamtes ausrücken, um diesen trotz oftmals wenig Kunden florierenden Wirtschaftszweigen in Kassen, Regale und auf Frisierstühle zu schauen. Das gefährdet ein Wirtschaftswunder.

Hausbesitzer haben völlig recht, wenn sie dem Meistbietenden ihr Ladenlokal geben, so funktioniert die Maxime Eigentum verpflichtet – also, mehr persönliches Eigentum zu haben. Wer denkt schon zehn Jahre weiter, um zu erkennen, dass ein Viertel, eine Stadt, die den Charme einer abgewetzten Handtasche besitzt, weniger Wert ist als die Tasche, die regelmäßig gepflegt wird.

In Stabsstellen samt Wirtschaftslotse im Rathaus, bei der Marketinggesellschaft und der Wirtschaftsförderung sitzen kluge Köpfe, es gab Stadtkonferenzen der Oberbürgermeisterin. Jetzt überlegt sich ein Bürgerrat, wo und wie er konsumfreie Spielplätze in der Stadt schaffen könnte.

Das ist gut so, denn wenn die üblichen Geschäfte für Kleidung, Klimbim und Ko. angesichts Gleichförmigkeit und der Konkurrenz des Internets samt des Verteildienstes schließen, ist es fein, wenn wir nichts konsumieren müssen. Das Portemonnaie ist schließlich leer. Nicht verzagen, dafür schaffen die klugen Köpfe selbstverständlich einen Arbeitskreis.

In diesem Sinne, gute Nacht. Am Späti. Carlo Eggeling

© Fotos: ca


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