Lüneburg, am Mittwoch den 02.07.2025

Stellung beziehen gegen rechts

von Carlo Eggeling am 20.01.2024


Meine Woche
Die Nazis von nebenan

Heino F. galt als netter Kerl. Kellner in einem Lüneburger Lokal. Er hatte seltsame Ansichten, wenn es um rechts und Ausländer ging. Das sahen ihm viele nach. Gequatsche. Im April 1995 verurteilte ihn das Landgericht Schwerin zu vier Jahren Haft wegen versuchten Mordes, schweren Landfriedensbruchs und versuchter Brandstiftung. "Das Gericht sah den 68-jährigen Rechtsradikalen als maßgeblichen Drahtzieher des Überfalls auf das Heim in Bahlen nahe Boizenburg an, das rund 30 Jugendliche im Juli 1992 mit Molotowcocktails, Schlagwerkzeugen und Schreckschußwaffen angegriffen hatten. Einige der Jugendlichen gehörten der NPD an", schrieb die taz damals.

Gequatsche. Wann wird aus Gequatsche eine Tat? Wie weit weg davon ist jemand, der die Ampel-Regierung und vor allem die Grünen an Galgen hängt? Es wird so schnell vergessen. Nur drei Beispiele. 1992 starben drei türkische Frauen bei einem Brandanschlag in Mölln, fünf Menschen kamen 1993 einem weiteren Attentat in Solingen ums Leben. Zehn starben 1996 in einem Heim in Lübeck.

Heute hören wir von Remigration, ein technischer Begriff für einen Irrsinn. Alle Menschen mit Wurzeln im Ausland und dazu kritische Geister irgendwohin verfrachten? Das fordern AfD-Vertreter und andere nicht erst seit ihrer Konferenz. Gequatsche? Das meinen die nicht so? Sicher?

Heute Nachmittag demonstrieren mehr als 40 Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und andere Organisation für "Demokratie und Menschlichkeit". Mal sehen, ob viele kommen. Es gibt ein Vorbild. Am 1. September 2000 hatten Initiatoren dazu aufgerufen: "Lüneburg zeigt Gesicht", zweieinhalbtausend Menschen reihten sich in einer Menschenkette rund um den Sand, mehr als tausend hatten in der Landeszeitung mit ihrem Namen bekannt, wofür sie einstehen: „Angesichts der jüngsten Fälle von Gewalt und Bedrohung gegen ausländische Mitbürger erklären wir: Wir wollen nicht länger schweigend zusehen. Mit der bundesweiten Initiative 'Gesicht zeigen' rufen wir auf zu einer aktiven Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus und allen Formen von Hass und Gewalt. Wir rufen auf zur Kundgebung in Lüneburg vor der Industrie- und Handelskammer und der anschließenden Menschenkette für ein sicheres und friedliches Miteinander."

Gesicht zeigen. Das bleibt. Genauso bleibt, kritisch, aber konstruktiv auf Politik der Ampel und der Opposition zu schauen.

Die Bildergeschichte um Alt-OB Mädge dreht sich weiter. Inzwischen haben die lokalen Medien das Thema aufgegriffen, das Rathaus hatte nach dem Bericht von Lüneburg aktuell eine verärgerte Pressemitteilung herausgeschickt, in der von "Unterstellungen" die Rede war. Angeblich hatte man ja zu Beginn kaum etwas gewusst, was mit dem Portrait für die Ahnengalerie zusammenhing. Nun räumt die Verwaltung auf meine Frage: Ist es richtig, dass das Ratsbüro die Künstlerin bereits vor geraumer Zeit angeschrieben und um einen Kostenvoranschlag gebeten hat, der auch vorliegen soll? ein: "Ja, das ist richtig."

Kann alles mal durchgehen, wenn viel zu tun ist.

Viele finden es völlig unangemessen, dass Künstlerin Carina Linge für ihre Arbeit 10 000 Euro haben möchte. Kann man so sehen, man kann allerdings auch sagen, es gibt eine Welt neben dem Selfie mit dem Handy. Eine Komposition ist etwas anderes und nicht in zehn Sekunden erledigt. Wer Lust hat, fährt in die Deichtorhallen in Hamburg und genießt Fotografie.

Ein Freund mit hervorragendem Blick und guter Kamera hat mich zudem an Andreas Gursky erinnert. Dessen Werk Rhein II, eine völlig reduzierte Aufnahme, die bei Düsseldorf entstand, ist 2011 in New York bei einer Auktion von Christie’s für 3,1 Millionen Euro versteigert worden, es galt zeitweise als teuerste Fotografie der Welt. Mein Freund findet den auch bei Fotografen umstrittenen Preis für angemessen.

Bleiben wir optimistisch. Ich habe gerade einen Satz der ehemaligen US-First-Lady Michelle Obama gelesen: "Man kann in der Welt leben, wie sie ist, aber das hindert uns nicht daran, alles zu tun, um die Welt so zu gestalten, wie sie sein sollte." Gutes Wochenende. Carlo Eggeling

© Fotos: ca


Kommentare Kommentare


Zu diesem Artikel wurden bisher keine Kommentare abgegeben.



Kommentar posten Kommentar posten

Ihr Name*:

Ihre E-Mailadresse*:
Bleibt geheim und wird nicht angezeigt

Ihr Kommentar:



Lüneburg Aktuell auf Facebook