Lüneburg, am Freitag den 06.06.2025

Theorie und Taktik

von Carlo Eggeling am 02.11.2024


Meine Woche
Teuflisch

Meine Enkel haben am Freitagabend stolz ihre mit Mama und Papa gebastelten Laternen ausgeführt, ein paar Hundert Kinder und Erwachsene liefen bei der Feuerwehr mit von der Wache zum Kloster Lüne. Nichts Besonderes, aber etwas ganz Schönes. Seit Jahrzehnten bietet die Feuerwehr den farbenfrohen Lichterlauf an, so wie der MTV und zig andere Vereine und Organisationen. Finden Sie langweilig? Ich nicht. Denn es steht für Engagement.

Die Klage von der kälter werdenden Gesellschaft, von zu wenig Einsatz für andere, von angeblich immer mehr Gewalt. Eine Dauerschleife. Schlägt manchmal aufs Gemüt. Vor allem ein großer Blödsinn. Gestern hat es in Neetze gebrannt, 100 Feuerwehrleute im Einsatz, vor ein paar Wochen Feuer auf der Mülldeponie in Bardowick -- 850 Einsatzkräfte. Neulich die Suche nach dem vermissten Studenten bei Melbeck, über Tage waren Aberdutzende Freiwillige draußen. Leider konnten sie nur noch seine Leiche bergen.

Essen bei der Tafel, Angebote für Jugendliche in der Kirche, Müll sammeln in den Stadtteilen. Ohne Ehrenamtliche wäre das alles nicht möglich. Vor kurzem habe ich mich mit dem Rad auf die Nase gelegt. Ein paar fuhren vorbei, aber einer hielt an und fragte, ob er helfen könne. War nicht so schlimm, ich kam allein zu recht.

So kalt ist das Land nicht -- bei allem Elend. Sich daran zu erinnern hilft, zum einen, weil es Mut macht, zum anderen weil es Orientierung schenkt, sich einzusetzen, hinzugucken, wo es nicht so gut läuft, Ideen und Kraft für Alternativen zu entwickeln.

Klar, klingt alles ein bisschen wie das Wort zum Sonntag, aber den haben wir ja morgen. Es schenkt aber auch eine gewisse Heiterkeit beim Blick auf die Politik und die Verwaltung.

Was zu erwarten war, wird wahrscheinlich: Die Baustelle an der Roten Straße dürfte vermutlich nicht bis Ende November fertig werden, verkündete der Erste Stadtrat Markus Moßmann im Rat. Das gräme ihn sehr, aber man wisse eben nicht, was vor der Schaufel liege.

Irgendwie habe ich vermutlich die Entschuldigung gegenüber dem Seniorenbeirat überhört, der im Frühjahr eben ein Vierteljahr Bauzeit für zu optimistisch hielt, von einem halben Jahr sprach und von massiven Auswirkungen auf Buskunden und den Handel. War angeblich ein großer übellauniger Unsinn. Die Wirklichkeit kann gemein sein. Vielleicht künftig noch mal nachdenken, wenn man Verträge mit der Avacon schließt, so in Sachen Heizen und Energie, die müssen nicht unbedingt vorteilhaft sein. Ist natürlich auch unsachlich.

Im Rat war's mal so gar nicht schön für die Verwaltung und die Grünen, die zumeist ziemlich alles durchbekommen, mit einem redefreudigen harmoniebetonten Liberalen und einer CDU, die nicht weniger konservativ erscheint als die Grünen, die alte Positionen als Jugendsünden abgetan haben.

Nun scheiterten Verwaltung und ehemalige Ökos mit dem Nump. Das klingt wie ein Geräusch bei Schnupfen und steht für Nachhaltiger urbaner Mobilitätsplan. SPD, CDU und FDP stellten gemeinsam einen Änderungsantrag, der einfach gesagt mehr Mitsprache durch Bürger und Politik fordert, wenn die Stadt Straßen und Wege so umbaut, dass Radler Vorrang erhalten und Lüneburg angeblich aufatmet, dem Klima und der Welt soll das gut tun. Selbstredend toll.

Allerdings sorgte der Änderungsantrag bei den Grünen für Schnappatmung, die Hauptrednerin verhedderte und verhaspelte sich, weil sie so empört war. So saßen die Pointen nicht. Die Verwaltung fand das Vorgehen nicht fair, man habe alles getan. Nun das. Schlimm. Auch persönlich. Ich würde sagen: Politik. Und vor vier Jahren attackierten die grünen Oppositionellen die Verwaltung viel heftiger. War moralisch natürlich was ganz anderes.

Dann ein Schachzug. Der grüne Taktiker und Fraktionschef Ulrich Blanck predigte wider die Dummheit und Ignoranz, das macht er gern und bissig. Dann, man darf vermuten, dass es so war, schickte er seine Mitstreiterin Andrea Kabasci ans Pult, die beantragte geheime Abstimmung. Der Rat stimmte zu, der Rechtsdezernent, ansonsten um jeden Paragraphen zur Geschäftsordnung bemüht, protestierte nicht. Warum bloß?

Jedenfalls fiel auf, ups, es nehmen ja Ratsmitglieder online an der Sitzung teil, geheim abstimmen geht nicht. Also könne man gar nicht abstimmen, nächstes Mal müssen alle kommen. Den naheliegenden Vorschlag der SPD-Frau Andrea Schröder-Ehlers, das Ganze mit einer neuen Abstimmung zurückzudrehen und offen zu votieren, war angeblich unmöglich, dafür bedürfe es einer Dreiviertel-Mehrheit. Das wussten der Rechtsdezernent und sein Kollege nun genau.

Aha. Eine interessante Auffassung, meinen Verwaltungsprofis. Ganz offensichtlich sei das Vorgehen in seiner Umsetzung rechtswidrig gewesen und damit sofort zu kippen. Den sich aufdrängenden Schluss setzen SPD, CDU und FDP bestimmt schon um: Kommunalaufsicht einschalten und überprüfen lassen.

Abwarten. Alles kommt erneut in den Rat. Nump, Änderungsantrag und viel Schauspiel. Am Ende bleibt es heiter. Der Theoretiker der Macht, Niccolò Machiavelli sagte es im 16. Jahrhundert so: "Wenn der Teufel die Menschen in Verwirrung bringen will, bedient er sich dazu der Idealisten." In Lüneburg selbstverständlich nicht. Carlo Eggeling

© Fotos: ca


Kommentare Kommentare

Kommentar von Erwin Habisch
am 03.11.2024 um 11:28:42 Uhr
Zum NUMP ist der flache Kalauer noch die sachlichste Aussage in ihrem Kommentar.
Wo Sie im NUMP gelesen haben wollen, dass "die Stadt Straßen und Wege so umbaut, dass Radler Vorrang erhalten", bleibt ihr Geheimnis. Die Unterlagen des NUMP sagen etwas anderes. Keine einzige Hauptverkehrsstraße ist dort mit Vorrang Radverkehr eingestuft. Selbst der Ochtmisser Kirchsteig ist als Vorrang Kfz-Verkehr eingestuft.
Da haben Sie wohl den NUMP mit dem 1990 verabschiedeten und diesbezüglich nie umgesetzten "Verkehrsentwicklungsplan 1990" verwechselt. Dort steht tatsächlich auf der vierten Seite: "Es gilt: Fahrrad vor Auto!"
Aber Papier ist geduldig und die SPD im besten Falle vergesslich, wenn es darum geht, was sie selbst angestoßen oder gar mit beschlossen hat.
Gebaut hat man ab 1991 unter der Ägide der SPD 30 Jahre lang nur für Kfz-Verkehr - selbst dort, wo keiner fließen sollte wie in der Salzstraße. Fuß- und Radverkehr waren und sind Abfallprodukte. In der Salzstraße ist der Gehweg dann schon mal nur 70 cm breit. Und weil das so gewaltig viel ist erlaubt man dann noch, ein Werbeschild dort aufzustellen. Die verbleibenden 20 cm bringen dann auch den letzten Fußgänger gezwungenermaßen auf den Radweg. Konflikte sind damit programmiert. Sind das die Zustände, die Sie für "normal" halten und nicht ändern wollen?


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