Lüneburg, am Donnerstag den 01.05.2025

Tödliches Drama in Uelzen — Hintergründe

von Carlo Eggeling am 15.07.2024


Die Tat von Uelzen ist furchtbar, einige Kommentare dazu auch. Daher Nachfrage bei der Polizei und weitere Recherchen von LA. Ergebnis: Der mutmaßliche Täter stammt aus Marokko ist 2021 als minderjähriger Flüchtling nach Deutschland gekommen. Er lebt seit Juni diesen Jahres in einer Uelzener Unterkunft. Der hiesigen Polizei ist er wegen Diebstahlsdelikten bekannt, auch Körperverletzung wird ihm zur Last gelegt. Das Opfer ist 55 Jahre alt, lebte in Lüneburg und stammt aus Afghanistan. Der Mann war der Polizei nicht wegen irgendwelcher Vergehen bekannt.

Der Verdächtige ist nicht nach der Tat auf freien Fuß gekommen, das haben manche missverstanden. Er sitzt aktuell in der Zelle und wird/wurde dem Haftrichter vorgeführt. Er war wegen eines anderen Vergehens und einer Wiederholungsgefahr zuvor in Gewahrsam, der ist zeitlich begrenzt. Nach Ablauf kann der Beschuldigte wieder gehen.

Zum Thema Alter. Man ist mit 18 Jahren volljährig. Das Strafrecht geht aber davon aus, dass nicht jeder mit 18 quasi erwachsen ist. Deshalb gilt man bis 21 als Heranwachsender. In diesem Fall kann das Gericht Jugendrecht anwenden. Das begrenzt das Strafmaß, zudem steht der erzieherische Gedanke im Vordergrund. Recht ist übrigens für alle gleich, egal, welche Nationalität sie besitzen.

Das Strafrecht unterscheidet in verschiedene Tötungsdelikte. In diesem Fall geht es um den Vorwurf des Totschlags. Der ist rechtlich anders definiert als Mord, dabei spielen "Mordlust, Befriedigung des Geschlechtstriebs, Habgier, sonstige niedrige Beweggründe, Heimtücke, Grausamkeit, gemeingefährliche Mittel" eine Rolle. Das Strafmaß für Totschlag liegt zwischen fünf und zehn Jahren, in besonders schweren Fällen kann das Gericht eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängen.

Der Tatvorwurf ist eine vorläufige Einschätzung von Polizei und Staatsanwaltschaft. Nach einer Tat sammeln die Ermittler Be- und Entlastendes. Ist das Verfahren abgeschlossen und erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage, entscheidet bei diesen Vorwürfen das Landgericht, ob es die Anklage zulässt und verhandelt.

Das Gericht kann Gutachter hinzuziehen, dabei kann es auch um Medizinisches gehen, litt ein Opfer an einer Vorerkrankung, die das Ausmaß der Tat sozusagen verschlimmert hat? Welche Faktoren spielen beim Angeklagten eine Rolle?

Am Ende eines Prozesses spricht das Gericht ein Urteil. Die Kammer ordnet die Vorwürfe ein, also ist es ein Totschlag, eine gefährliche Körperverletzung mit Todesfolge oder Mord? Je nachdem wie die Richter die Vorwürfe bewerten, bilden sie das Strafmaß. Dabei spielt beispielsweise eine Rolle, wie ist ein Täter vorgegangen, ist er vorbestraft, ist er geständig, nimmt er Alkohol, Drogen oder Medikamente?

Diese Zeilen versuchen zu erklären, wie ein Verfahren in etwa abläuft. Juristen wissen alles selbstverständlich viel besser. Andere Experten, die frank und frei sagen, dass sie beispielsweise keine Journalisten sind, wissen eh alles noch viel besser. Am Ende sollte sich jeder überlegen, wie es wäre selber vor Gericht zu stehen, oder es ist vielleicht die Schwester, die Tochter oder der Mann. Aus der Position heraus könnte es ganz gut sein, dass kein Faustrecht oder ein "Volksgerichtshof" über ein Schicksal entscheidet. Carlo Eggeling.

Im Anhang die Pressemitteilung der Polizei:

++ Haftbefehl nach Ermittlungen wegen Totschlags gegen Heranwachsenden erlassen: Mann die Treppe heruntergestoßen ++ 55-Jähriger verstirbt mit Schädel-Hirn-Trauma am Uelzener Bahnhof ++ Obduktion veranlasst ++ Ermittlungen dauern an ++ Uelzen Haftbefehl wegen Totschlag erließ das Amtsgericht Uelzen auf Antrag der Staatsanwaltschaft Lüneburg am heutigen Tage gegen einen 18-Jährigen nach dem Gewaltdelikt vom Wochenende. Er wurde in eine Justizvollzugsanstalt überstellt. Der Heranwachsende ist dringend tatverdächtig in den Nachtstunden zum 14.07.24 am Uelzener "Hundertwasser Bahnhof" einen 55-Jährigen in einem Treppenaufgang zum Gleiskörper gestoßen bzw. ihm einen Tritt versetzt zu haben, so dass der Mann mehrere Stufen die Treppe herunterstützte und ein Schädel-Hirn-Trauma erlitt. Trotz des schnellen Einsatzes von Rettungskräften und Reanimation verstarb der 55 Jahre alte in Lüneburg wohnende Mann vor Ort. Zeugen nahmen den Vorfall wahr. Parallel konnte einer Streife der Bundespolizei den flüchtenden 18-Jährigen im Bereich des Bahnhofs vorläufig festnehmen. Einsatzkräfte der Lüneburger Tatortgruppe sowie Ermittler des Uelzener Kriminalermittlungsdienstes übernahmen noch in der Nacht die Tatortarbeit und die Ermittlungen. Parallel wurde in Absprache mit der Staatsanwaltschaft Lüneburg sowie einem Bereitschaftsrichter aufgrund des Verdachts der Drogenbeeinflussung eine Blutentnahme bei dem Heranwachsenden veranlasst (siehe auch die Pressemitteilung v. 14.07.24). Parallel wird am heutigen Tage der Leichnam des 55-Jährigen in Hamburg obduziert. Ein Ergebnis liegt dazu bis dato noch nicht vor. Bereits im Verlauf des 13.07.24 war der 18-Jährige, der aktuell in Uelzen seine Meldeadresse hat, polizeilich in Erscheinung getreten. In den Mittags- sowie den frühen Nachmittagsstunden war der Heranwachsende bei einem Taschendiebstahl sowie einer Körperverletzung in der Uelzener Innenstadt sowie am Uelzener Bahnhof aufgefallen. Dabei hatte der junge Mann gegen 14:20 Uhr am Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) einem 31-Jährigen mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen. In diesem Fall ermittelt die Polizei wegen einfacher Körperverletzung. In Absprache mit einem Bereitschaftsrichter nahm die Polizei den 18-Jährige zur Verhinderung weiterer Straftaten am Nachmittag des 13.07. in Polizeigewahrsam. Nach Ablauf der freiheitsentziehenden Maßnahmen wurde der Heranwachswende am 13.07. um 21:00 Uhr wieder entlassen. Auch für die weiteren Ermittlungen sucht die Polizei aus der betreffenden Nacht (14.07.24, 01:30 Uhr) weitere Zeugen/Bahnreisende, die möglicherweise den Vorfall im Treppenabgang zum Gleis 301 wahrgenommen haben. Diese werden gebeten sich mit der Polizei Uelzen, Tel. 0581-930-0, in Verbindung zu setzen.

© Fotos: ca


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