Trauer um den Obstmann von der Grapengießerstraße
von Carlo Eggeling am 02.09.2024Als wir uns im April vergangenen Jahres unterhalten haben, war aus "Bully" ein eher schlanker Mann geworden. Dreimal die Woche musste er zur Dialyse, verschiedene Krankheiten hatten ihm schwer zugesetzt und zehrten an ihm. Optimistisch wollte er trotzdem bleiben. Er war gern mittendrin, als DJ, als THW-Mann, als Schütze, als Geschäftsmann. Am Ende verlor er seinen Kampf, jetzt ist Michael Habig gestorben.
Die Familie Habig ist ein langer Teil einer Lüneburger Geschichte. 1929 eröffnete sie ihr Lebensmittelgeschäft. 1974 gab es eine Erweiterung des Fruchthofs Habig. Viele kauften an der Grapengießerstraße, da wo die Altstadt noch einen Steinwurf entfernt liegt, Obst, Gemüse, Dosen und Gläser mit Eingemachtem ein.
Michael, wir kannten uns als Jungs aus der Heiligengeistschule, stieg früh ins Geschäft seiner Eltern ein. Da stand er vorm Geschäft im weißen Kittel mit dem Aufnäher einer Bananen-Firma, Onkel Tuca. Irgendwann wurde ein Spitzname daraus. Michael konnte schnacken, das machte er gern. Klar, dass er mit Passanten plauschte, sie beriet.
Musik liebte er, eine Laufbahn als Disc Jockey gehört zu seinem Leben dazu. "Er legte im Pupasch in der Lüner Mühle und in Hamburg an den Landungsbrücken auf", erinnert sich Wolfgang "Wolle" Göttgen an seinen Kollegen: "Ein feiner Mensch." Und einer mit Humor. Als sein damaliger Chef ihn ansprach, er möge darauf achten, dass die Gäste die Toiletten vernünftig verließen, habe Michael kurzerhand die Klo-Türen ausgehängt und sie hinter sein Mischpult gestellt -- alles im Blick.
Zum Technischen Hilfswerk kam er früh, 1980 trat er ein. Viele der älteren Kameraden durchliefen später bei "Bully" die Grundausbildung: "In wenigen Minuten kam er mit jedem ins Gespräch -- vom Helfer bis zum Landesbeauftragten", erinnert sich Godeke Klinge, ein "Ewiger" des THW. Mit Witz und deftigen Sprüchen "drillte" er den Nachwuchs. Sein Markenzeichen: Wenn andere sich ein Bier aufmachten, griff der breitschultrige, kräftige Kerl zur Milchtüte.
Später begleitete er das THW als Mitglied der Verpflegungstruppe. So war er nicht nur in den Hallen an der Rabensteinstraße bekannt wie ein bunter Hund, sondern ebenso bei vielen Feuerwehrleuten. Als "Vereinsmeier", er liebte die Geselligkeit, engagierte er sich bei den Schützen. Er spielte für andere den Weihnachtsmann.
Nicht alles, was Michael als Kaufmann anpackte, wurde zum Erfolg, den Fruchthof betrieb er mit seiner Frau weiter. Gegen die harte Konkurrenz der Discounter. Irgendwann in der Kombination mit einem Spielzeugladen, schräg, doch lustig: Apfelsinen und Lego. Es war ein aufreibender Job. In aller Herrgottsfrühe zum Großmarkt nach Hamburg, dann lange Tage. Schließlich konnte er nicht mehr, seine Frau Andrea musste noch mehr übernehmen.
Im vergangenen Sommer machten sie ihren Laden zu. "Ich kann meine Frau nicht länger die ganze Arbeit machen lassen, das macht sie seit drei Jahren. Damit muss Schluss sein", sagte er mir damals. Damit endete eine Tradition. Wieder einmal ein Aschied von einer alteingesessenen Handelsfamilie. Michael zog die Schultern hoch: "Von Tradition können wir uns nichts kaufen. Ja, mir blutet das Herz, dass wir es nicht fortsetzen können. Aber es geht nicht." Jemand übernahm, hat inzwischen aufgesteckt. Mal sehen wie es an der Schlägertwiete weitergeht.
Seine Krankheiten beutelten ihn. Wenn wir uns trafen, reagierte Michael oft genervt auf die Entwicklung der Stadt, des Landes. Die Folgen der Corona-Zeit verstärkten das noch. Unsere Meinungen gingen sehr auseinander. Geblieben ist bis zum Schluss das Freundliche, das Hilfsbereite, das Lächeln, der Händedruck, der nun schwächer ausfiel.
Er hat mir schon länger gefehlt in seinem Kittel oben an der Straße als Obst- und Gemüse-Baron. Jetzt fehlt er ganz. Michael ist 61 Jahre alt geworden, und zu früh gegangen. Carlo Eggeling
Das Foto aus dem April 2023 zeigt Michael und Andrea Habig mit seiner Mutter Ursula, die ein halbes Jahrhundert im Geschäft gearbeitet hat. Die anderen Bilder erinnern an die Zeit des Lebensmittelgeschäfts.
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