Lüneburg, am Montag den 12.05.2025

Umstrittener Erbbau

von Carlo Eggeling am 23.11.2024


Meine Woche
Solidarisch pffffft


Es sollte der große Wurf werden, doch nun scheint es, als sei die Kugel dem Athleten auf den Fuß gefallen. Die Verwaltung hat das Thema Erbbaurecht von der Tagesordnung des Finanzausschusses und des Rats genommen. Ganz offensichtlich war der Protest der Bürgerinitiative, die Demos angekündigt hatte, so groß, dass der städtische Finanzminister und seine Mitarbeiter noch einmal nachdenken wollen. Der große Auftritt von Matthias Rink, der das vermeintliche Ergebnis, "interfraktioneller" Beratungen in einer langen Erklärung des Rathauses gefeiert hatte, wirkt so substanziell wie ein geplatzter Luftballon.

"Das Ergebnis ist zu tiefst solidarisch", hatte Rink die Entscheidung der Politik unter seiner Federführung bilanziert. Es gibt ein paar Punkte, die das Ganze für den Kämmerer "gemeinwohlorientiert" erscheinen ließen. Na ja. Ziehen wir einen heraus: "Der Erbbauzins für Grundstücke mit Wohnbebauung wird von 4 auf 3,5 Prozent gesenkt." Rechnen wir mal aus, was das bedeutet. Würde der Erbauzins für ein Grundstück künftig bei 5000 Euro pro Jahr liegen, würde eine halber Punkt glatte 25 Euro weniger ausmachen. Wow, Luftballon -- pfffft.

Das Kernproblem, so habe ich es mir von Immobilienfachleuten erklären lassen, liegt vor allem beim hohen Bodenrichtwert, an dem sich die Pacht orientiert. Der lässt die Belastung gewaltig anschwellen. Banken, die aufgrund neuer Gesetze weit in die Zukunft schauen müssen, um rechtskonform zu handeln, dürften Finanzierungen eines neuen Zuhause eher selten zustimmen. Wer soll das irgendwann noch bezahlen?

Damit wären wir beim nächsten Punkt: Bleibt es bei der jetzigen Lage, werden Eigenheimbesitzer mit Erbpacht-Fläche ihre Hütten kaum los. Scheint alles ziemlich verworren. Ist aber bei einem Kaffee mit Baufinanzierern schneller klar als die Tasse ausgetrunken ist. Gleichwohl benötigen beispielsweise die drei städtischen Stiftungen mit ihren rund 1200 Grundstücken Einnahmen, um soziale und kulturelle Aufgaben zu erledigen. Was gerade untergeht: Neben der Stadt gibt es noch weitere Anbieter wie die Klosterkammer, die wären bei der neuen Lösung, die so keine ist, gar nicht mit dabei.

Der dritte Punkt. Endet ein Erbbaurecht, muss der Eigentümer die Fläche zurücknehmen und das Haus in der Regel beispielsweise bei der Klosterkammer für Zweidrittel des Wertes darauf abkaufen. Bei 1200 Grundstücken dürfte das Haushaltsminus der Stadt von aktuell fünfzig Millionen eher lächerlich wirken.

Wo bleibt der nächste Schritt? Es ist denkbar, dass Stiftungen sich von Alt-Grundstücken trennen und das Kapital in neues Land übertragen, da wäre dann Wohnungsbau möglich, Mehrfamilienhäuser statt immer mehr Einfamilienhäuser. Weniger Flächenverbrauch, luftig angelegt wie der Kreideberg, und sozial mit einer Lenkung durch die Stadt. Das wäre kommunale Verantwortung. Man käme in die Richtung, die Kämmerer Rink versprochen hat: "zu tiefst solidarisch". Das wäre ein Ziel.

Ausreden sind lustig. Ministerpräsident Stephan Weil war am Dienstagabend als Gast einer Wirtschaftskonferenz der SPD im Technologiezentrum der Handwerkskammer angekündigt. Doch die gut 100 Gäste warteten vergeblich. Die Erklärung: Unfall auf der Autobahn, Glätte, keine freie Fahrt von Hannover. Gleichzeitig tagte die Führungsriege der Bundes-Sozis, um zu gucken, ob Olaf Scholz der richtige Kanzlerkandidat ist.

Da war noch unklar, ob nicht doch der Osnabrücker Boris Pistorius antreten könnte. Völlig undenkbar, dass Genosse Stephan keine Lust hatte, sich dazu befragen zu lassen und deshalb lieber in Hannover blieb. Nun soll der Kanzler nochmal Kanzler werden. Meinen Sozialdemokraten, natürlich nicht alle. Ohne Streit wäre es nicht die SPD: Solidarität, man kommt nicht an diesem Wort vorbei.

Wie gut, dass nächste Woche Weihnachtsmärkte in der Stadt öffnen. Glühwein kann ungemein und zu tiefst solidarisch machen. Immerhin. Denken wir an den verstorbenen Ex-Minister und CDU-Mann Wolfgang Schäuble: "In Einpersonenhaushalten kann Solidarität zwischen den Generationen nur unvollkommen gelebt werden." Ab zum Weihnachtsmarkt. Gutes Wochenende. Carlo Eggeling

© Fotos: ca


Kommentare Kommentare

Kommentar von Karl-Heinz Leefmann
am 27.11.2024 um 12:55:49 Uhr
Sehr geehrter Herr Eggeling!
Ihre Aussage zu der Auswirkung der geplanten Reduzierung des Erbbauzinssatzes von 4 auf 3,5 %
seitens der Stadt habe ich mit Erstaunen zur Kenntnis genommen!😯🤔
Ein Erbbauzins von 5000 € reduziert sich natürlich auch um 1/8 =12,5%, wenn sich - wie hier der Fall - der Zinssatz um 12,5% von 4% auf 3,5% reduziert.
Das sind hier also jährlich 625 €, was man auch durch
Anwendung einer allgemein üblichen Dreisatzrechnung bestätigen kann.





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