Lüneburg, am Mittwoch den 07.05.2025

Unter Spannung — Rettmer und die Strompläne

von Carlo Eggeling am 11.07.2023


Eins scheint sicher: Über kurz oder lang dürfte zwischen Oedeme, Rettmer und Heiligenthal gebaut werden. Entweder wächst auf 25 Hektar Fläche ein Umspannwerk oder die Stadt könnte dort ein Baugebiet ausweisen. Das ist eine Bilanz nach einer Bürgerveranstaltung am Montagabend im Bonhoeffer-Haus, zu dem Rettmers Ortsvorsteherin Carmen Maria Bendorf eingeladen hatte. Das Umspannwerk ist eine Folge der Erneuerbaren Energien. Was Windkraft- und Photovoltaikanlagen an Energie produzieren, soll dahin gelangen, wo sie gebraucht wird. Unter anderem in den Süden Deutschlands, wo Industriebetriebe sitzen. Wenn viele die Energiewende auch generell begrüßen, sehen sie Probleme, wenn Anlagen vor dem eigenen Grundstück entstehen. So auch im Lüneburger Süden.

Rund 100 Zuhörer drängten sich in den Räumen. Gekommen war als Vertreter des Netzbetreibers Tennet Bürger-Referent Sebastian Rutzen und Genehmigungsplaner Philipp Kalweit. Die Stadt schickte Matthias Eberhard von der Abteilung Stadtplanung. Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch habe keine Zeit gehabt, sagt Ortsvorsteherin Bendorf. Baudezernentin Heike Gundermann die Leiterin des Bereichs Stadtentwicklung, Kathrin Böhme, als Verantwortliche im Baudezernat, waren wohl ebenfalls verhindert.

Kurz zusammengefasst, was Rutzen und Kalweit vor den Zuhörern umrissen: Die Bundesrepublik baut ihr Stromnetz aus, dazu setzt sie auf vier Netzbetreiber, einer davon ist Tennet. Neben bereits bestehenden Leitungen sollen Reservekapazitäten entstehen. Zudem braucht es mehr Kabel, um den Strom zu transportieren. Dazu wiederum gehören Strommasten, Kabel und Umspannwerke, die die Energie -- einfach gesagt -- auf die nötige Betriebsgröße reduzieren. 468 Umspannwerke gebe es in Deutschland, rund 300 zusätzliche sollen in den kommenden zehn Jahren entstehen.

Tennet sucht sich Korridore, in denen die Stromtrassen samt Zubehör entstehen können. Bei Lüneburg ist es besonders eng, überdies muss das bestehende Umspannwerk der Avacon nahe der Feuerwehr in Rettmer mit angeschlossen werden, es versorgt die Stadt mit Strom. Die Planer betrachten sogenannte "Raumwiderstände": Abstand zur Wohnbebauung, Trinkwasserschutzgebiete, Natur und Umwelt, aber auch Richtfunkstrecken. Dabei setzen sie auf Freilandleitungen, Erdkabel seien acht- bis zwölfmal teurer. Zudem befinde sich diese Technik noch in der Erprobung.

Der Standort Rettmer war zunächst aus der Betrachtung herausgefallen. Das änderte sich, nachdem sich die Mehrheit der Mitglieder des Bauausschusses entschieden hatte, den Aufstellungsbeschluss für einen Bebauunugsplan für bestimmte Flächen am Heiligenthaler Weg aufzuheben. Dem folgte der Verwaltungsausschuss am 21. März 2023, eine Woche später waren die Flächen im Strom-"Suchraum" zu finden -- das Ausschlusskriterium Wohnbebauung war weggefallen. Das erklärten die Tennet-Vertreter frank und frei.

Warum? Zum einen hatte die Eigentümerin die Flächen für zwanzig Jahre an den Hof an den Teichen und Kaus Hoppe verpachtet, zum anderen hätte das Rathaus rund 300 000 Euro für Planungskosten aufwenden müssen. Das hatte die Stadtbaurätin damals im Ausschuss erklärt und das Vorgehen für gut befunden. Stadtplaner Eberhard kündigte an, dass die Stadt das Umspannwerk quasi um die Ecke an dieser Stelle verhindern möchte. Stichtwort sei ISEK, das Integrierte Stadtentwicklungskonzept. Details wollte er nicht nennen, aber die liegen auf der Hand: Hinter Oedeme und Rettmer liegen Flächen, die sich für ein Wachstum der Stadt anbieten. Dafür bedürfe es aber politischer Beschlüsse.

Mehrere Bürger hielten wenig davon, dass ein Umspannwerk samt diverser Strommasten entstehen soll. Es gebe Flächen beispielsweise bei Melbeck, wo Häuser und Gärten weiter entfernt lägen. Da wiederum habe der Landkreis Pläne, entgegneten die Tennet-Vertreter. Der Kreis arbeitet bekanntlich an einem Raumordnungsprogramm, eben auch weil er vier Prozent seiner Fläche für Windmühlen ausweisen muss.

Da kommt die nächste Herausforderung für die Anwohner in Sicht: Im Waldgebiet Richtung Embsen und Oerzen könnten hinter dem Friedhof Propeller in den Himmel wachsen, erklärten Ortsvorsteherin Bendorf und Eberhard. Alles erst einmal Ideen.

Tennet will seine Konzeption bis Anfang kommenden Jahres abgeschlossen haben, die geht dann ans Amt für Regionale Landesentwicklung. Im nächsten Sommer könnte dann feststehen, welches Gebiet für das Umspannwerk infrage komme. Zwischendrin gebe es bei den Planungsschritten die Möglichkeit der Bürgerbeteiligung.

Klaus Hoppe, der den Hof an den Teichen gemeinsam mit anderen bewirtschaftet und im Hauptberuf Chef der Campus-Gesellschaft ist, kündigte an, sich gemeinsam mit anderen gegen die Pläne zu wehren: Mit Gutachtern und Juristen werde es "massiven Widerstand" geben. Aus seiner Sicht braucht Lüneburg das Areal im Süden für eine künftige Stadtentwicklung. Carlo Eggeling

Die Bilder zeigen zwei mögliche Flächen, die in Höhe der alten Ziegelei zwischen Rettmer und Heiligenthal rechts und links der Straße liegen und für das Umspannwerk infrage kommen. Das andere Bild gibt einen Eindruck vom bestehenden Umspannwerk der Avacon. Es versorgt Lüneburg mit Strom.

© Fotos: ca


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