Lüneburg, am Montag den 18.08.2025

Von Habeck lernen

von Carlo Eggeling am 18.01.2025


Meine Woche
Herrschaftsseiten!

Ich weiß nicht, wie Sie es in Ihrer Familie pflegen, bei uns sagen wir uns, wenn wir den anderen mal nicht brillant finden. Wie man das so macht, wenn man sich schätzt. Das halten nicht alle so. Davon habe ich im Zusammenhang mit wohl nicht ausreichendem Sicherheits- und Brandschutzkonzept der Arena in der Zeitung gelesen.

Embsens zupackender und freundlicher Bürgermeister Stefan Koch hatte dem Landkreis vorgeworfen, der gucke in den Gemeinden auf Kleinigkeiten, bekomme aber als Hausherr der Arena Vorgaben nicht gerade vorbildlich hin. Gemein!, schallt es aus dem Kreishaus. Das anzusprechen gehöre sich nicht in der "kommunalen Familie", findet Kreisrätin Sigrid Vossers. Zitat: "Herrn Koch habe ich im persönlichen Gespräch verdeutlicht, dass ich auch mit Blick auf die Kollegen in meinem Hause, die alle einen super Job machen, die von ihm getroffene Wortwahl nicht akzeptieren kann."

Da ist irgendwie was schief gelaufen, denn Koch erzählt auf Nachfrage: "Frau Vossers hat mich nicht angerufen." Wo auch immer der Fehler lag, sagen wir mal so: sicher doof. Angerufen habe ihn allerdings Landrat Jens Böther morgens um "zwanzig nach sieben. Da stand ich unter der Dusche. Ich habe zurückgerufen." Dass Böther sich vor seine Leute gestellt habe, sei "völlig in Ordnung".

Interessant scheint das Familienbild, welches Frau Vossers zu pflegen scheint. Das erinnert an Zeiten, als ein gestrenger Vater den Kurs der Familie vorgab, alle spurten und unartige Kinder mussten abends barfuß zu Bett. Kochs Kritik mag massiv gewesen sein, doch immerhin so richtig, dass das zuständige Bauamt der Stadt als Aufsichtsbehörde nach zwei Jahren Arenabetrieb aufgewacht ist und nun Antworten fordert. Pronto. Nebenbei hat er mir erzählt, dass zig Anrufe bei ihm eingingen aus anderen Gemeinden — Lob.

Machen wir mal einen Sprung. Zu Robert Habeck. Der Minister und grüne Kanzlerkandidat hatte neulich sein Wahlkampfkonzept des Küchentischs im Lüneburger Kulturforum zelebriert. Zuhören, miteinander reden, gemeinsam Lösungen entwickeln. Klang nicht unbedingt nach Lösungen, aber sicher nach zeitgemäßer Familie.

Seine grüne Parteifreundin Claudia Kalisch verfolgte einen ähnlichen Ansatz in ihrem OB-Wahlkampf. Zitat aus ihrem Programm: "Ich bin offen für jedes Gespräch. Bei allen Unterschieden in der Sache sind mir Respekt und Wertschätzung aller Menschen wichtig. Nur so kann es gelingen, am Ende gemeinsam etwas zu bewegen." Und, aufgemerkt Papi und Kinder: "Starre, hierarchisch strukturierte Verwaltungen bieten wenig Raum für tieferen Wandel."

Gut, man muss sagen, das ist dreieinhalb Jahre her. In der Politik eine Ewigkeit. Alt-Kanzler Konrad Adenauer klingt mir sofort in den Ohren: "Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern." Vielleicht hätte die Claudia mit dem Robert mal über das Miteinander reden sollen. Denn wenn etwas nicht passt, reagiert die Pressestelle des Rathauses barsch und einen Interviewtermin verweigern die Oberbürgermeisterin und ihre Dezernenten seit Kalischs Regentschaft, auf Anfragen von Lüneburg aktuell kommt meistens nicht einmal eine Antwort.

Potztausend, jetzt machte die Pressestelle eine Ausnahme. Wortlaut: "Zur konkreten Interviewanfrage: Die Verwaltungschefin hat einen vollen Terminkalender, gibt deshalb nur sehr selten Einzelinterviews. Die Entscheidung darüber obliegt der Oberbürgermeisterin. Sie kann derzeit keinen Termin anbieten." Ups, das hat man 30 Jahre zuvor unter einem angeblichen Autokraten so nicht erlebt. Brüllen, aber dann reden. Wahrscheinlich hatte der im Gegensatz zu Claudia Kalisch aber auch nix zu tun.

Auf die Frage, wer Audienzen erhält, nach welchen Kriterien und wann Frau Kalisch eine Pressekonferenz für alle interessierten Kollegen anbietet, gab es -- Sie ahnen es -- keine Antwort. Zur Erinnerung noch mal das Wahlprogramm der Oberbürgermeisterin: "Ich bin offen für jedes Gespräch."

Das Agieren von Rat- und Kreishaus erscheint des öfteren nahezu absolutistisch, denken wir an die Holzhütte in Amelinghausen, die Frau Vossers und zunächst Landrat Böther zu einem Umweltfrevel am Magerrasen erklärten, der seines gleichen suchte.

Die Herrschenden erteilen eine Huld. So wirken selbst Bürgersprechstunden, die volksnah erscheinen sollen: vorher anmelden, Zeitfenster. In einer anderen Hansestadt geht der Bürgermeister einmal im Monat mit seiner Verwaltungsspitze, den Senatorinnen, in einen Stadtteil. Große Halle, jeder kann kommen, kritisieren und loben. Klingt mehr nach der Methode Habeck. Könnte man sich als grüne Parteifreundin mal zu Gemüte führen. Christdemokraten könnten selbstverständlich auch davon lernen.

Was ungemein hilft, gerade bei Verwaltungen, ist die Rechtslage. Deshalb sei den Herrschenden das sogenannte Spiegel-Urteil, es bezieht sich auf das Nachrichtenmagazin, des Bundesverfassungsgerichts zur Pressefreiheit empfohlen. Es stammt aus dem Jahr 1966, ist aber so gar nicht verstaubt: "Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ist ein Wesenselement des freiheitlichen Staates; insbesondere ist eine freie, regelmäßig erscheinende Presse für die moderne Demokratie unentbehrlich. … In ihr artikuliert sich die öffentliche Meinung. … In der repräsentativen Demokratie steht die Presse zugleich als ständiges Verbindungs- und Kontrollorgan zwischen dem Volk und seinen gewählten Vertretern in Parlament und Regierung." Kontrolle. Müsste in einer Kommune auch gelten. Oder? Herrschaftsseiten!

Da braucht es kein Familiengericht, da reicht Habecks Küchentisch: setzen, reden, eigene Positionen mal hinterfragen, gilt für Politiker, Verwaltungschefs und Journalisten. Nimmt den Druck. Könnte ungemein hilfreich sein, der kluge Schriftsteller Erich Kästner wusste: "Es gibt nichts Gutes, außer man tut es."

Angenehmes Wochenende, Carlo Eggeling

© Fotos: ca


Kommentare Kommentare

Kommentar von Rüdiger Schulz
am 18.01.2025 um 20:33:11 Uhr
Mir (mal wieder) aus der Seele gesprochen!


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